Dienstag, 26. Oktober 2010

Es war einmal… Filiale Nürnberg Ludwigsplatz

Es klingt wie im Märchen.
Es war einmal… die Filiale Nürnberg am Ludwigsplatz. Diesen Satz wird man nächstes Jahr wohl noch öfters hören.
Eine 25jährige Geschichte, an deren Ende aber leider kein „Happy End“ steht.
Nach über zwei Jahrzehnten schließt die Filiale nächstes Jahr für immer ihre Türen. Etwa 30 Mitarbeiter/Innen werden ihren Arbeitsplatz verlieren.

Um alle Kollegen/Innen über die Situation in der Filiale Nürnberg Ludwigsplatz zu informieren, hat die Blog-Redaktion, mit der dortigen Betriebsrätin Susanne Bernardi gesprochen.

Susanne, wann haben die Kollegen/Innen von der Schließung der Filiale erfahren, welche Gründe wurden genannt und wie wurdet ihr genau darüber informiert?

Hier muss ich zeitlich erstmal etwas zurückgreifen.
Seit Jahren wird eine neue Immobilie in der Nürnberger Innenstadt gesucht und wir gingen immer davon aus, dass der Mietvertrag des jetzigen Hauses verlängert wird, sollte die Suche keinen Erfolg haben. Von der Geschäftsleitung wurde immer betont, dass man an dem Standort festhalten wolle. Im Frühjahr 2009 erfuhren wir, dass der Mietvertrag nicht verlängert wird, man aber nach wie vor mit Hochdruck ein neues Haus suche. Im Juni 2009 hat unsere Regionalleiterin die Immobiliensuche als sehr schwierig bezeichnet und uns in einer Mitarbeiterversammlung dringend geraten, uns in andere Filialen zu bewerben und auch an andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu denken.
Seitdem schwankten wir zwischen Hoffnung und Resignation. Anfang Mai 2010 wurden wir über die Schließung informiert, erst der Betriebsrat (der die Info natürlich sofort an die Kolleginnen und Kollegen gegeben hat) und dann wir alle in einer Mitarbeiterversammlung, zu der Herr Dr. Hugendubel eingeladen hatte. Zusammen mit unserer Regionalleiterin und der Personalleiterin stellte er uns die Situation dar und beantwortete Fragen.
Als Gründe für die Schließung wurden der Schnitt der Verkaufsfläche (vier Etagen, die nicht so übersichtlich seien, wie man es sich wünsche), der marode bauliche Zustand des Hauses und die schlechten Umsätze genannt. Ein neues Haus wurde und wird als Lösung dieser Probleme gesehen, wenn die Lage stimmt. Viele Immobilien seien geprüft worden, kamen aber aus statischen Gründen (man könnte keine Rolltreppe einbauen) oder wegen zu hoher Mietforderungen nicht in Frage. Man sollte aber auf keinen Fall die starke Konkurrenz durch Thalia unterschlagen.
Vor ein paar Jahren ist Thalia umgezogen: ein gutes Stück näher an unser Haus heran auf eine riesige Fläche, alles hell, neu, modern und mit Cafe. Dagegen können wir gar nicht ankommen.


Wie war die Reaktion der Kollegen/Innen, kam dies alles völlig unvorbereitet und wie geht es den Kollegen/Innen zurzeit?

Wie oben schon gesagt, traf uns das alles nicht unvorbereitet.
Dennoch haben wir natürlich gehofft, dass ein neues Haus gefunden wird und wenigstens ein Teil von uns weiterhin beschäftigt werden könnte. Wir waren und sind  immer noch sehr enttäuscht, traurig und wütend.
Seit allerdings der Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen sind (Ende August) und im September die Kündigungen zugestellt wurden, drehen sich unsere Gespräche mehr um unsere beruflichen Aussichten, sei es in einer anderen Filiale, in einem anderen Unternehmen oder als Quereinsteiger in einem ganz anderen Beruf. Auch Weiterbildung, Erfahrungen mit dem Arbeitsamt und allgemeine Ängste und Befürchtungen bezüglich der Zukunft werden immer wieder thematisiert. Insgesamt ist der Zusammenhalt unter uns sehr gut und für mich -und sicher auch für die anderen- eine große Hilfe im Umgang mit unserer Situation.


Der Interessenausgleich und Sozialplan sind abgeschlossen. Wie sah das Angebot der Geschäftsleitung aus, was waren die Forderungen des Betriebsrats und in welchen Punkten gab es Diskussionsbedarf?

In vielen Punkten waren wir in unseren Verhandlungsrunden mit den Vertretern der Geschäftsleitung einig oder fast einig geworden, aber die Höhe der Abfindung war problematisch. So wurde eine Einigungsstelle nötig, in der wir letztlich zu einen guten Ergebnis gekommen sind.
Im Interessenausgleich haben wir, analog zum letzten Jahr, Maßnahmen zu Förderung der beruflichen Neuorientierung (Bewerbertraining, Arbeitsmarktsituation, Schulung im WWS) vereinbart, allerdings mehrtägig.
Im Sozialplan haben wir eine, besonders für Nürnberger Verhältnisse, gute Gesamtabfindungssumme ausgehandelt. Weiterhin für den Fall einer Neueröffnung (siehe Immobiliensuche) einen Wiedereinstellungsanspruch von 9 Monaten ab Schließungstermin, Unterstützung beim Umzug, falls jemand in eine weiter entfernte Filiale wechselt und für die, die zu einer anderen Filiale weiter pendeln müssten als bisher, eine zeitlich befristete Übernahme der Mehrkosten. Insgesamt sind wir mit dem Ergebnis unserer Verhandlungen zufrieden. Details möchte ich hier im Blog nicht ausbreiten.
Wer konkretere Fragen hat, kann sich an seinen Gesamtbetriebsrat wenden; in der letzten Sitzung hat unser Vertreter berichtet.


 Wurde den Kollegen/Innen ein Wechsel in eine andere Filiale angeboten?

Seit Sommer 2009 weisen unser Filialleiter und die Regionalleiterin auf die internen Stellenausschreibungen hin; zum Teil werden bzw. wurden einzelne Kolleginnen und Kollegen auch direkt angesprochen. Wenn eine ausgeschriebene Stelle nicht ganz passend ist, z.B. Teil- statt der gesuchten Vollzeit oder befristet ist, kann man beim FL anfragen, ob da was zu machen ist. Für zwei Betroffene wurden schon Stellen "angepasst". Auch die Geschäftsleitung hat betont, dass man hier flexibel sein will.


Es war ja immer die Rede davon, daß nach einer alternativen Immobilie gesucht wird. Ist die Geschäftsleitung immer noch auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten?

Nach unseren Informationen durch die Geschäftsleitung „Ja“, denn prinzipiell wolle sie nach wie vor an diesem Standort festhalten.


Die Region Nürnberg hat ja in den letzten Jahren schon einige Firmenpleiten mitgemacht.
Ich denke da an: Grundig, AEG und Quelle. Nun schließt auch noch die renommierte Hugendubel-Filiale in der Nürnberger Innenstadt. Was denkst Du, wie sehen die Chancen in der Region aus, eine neue Arbeitsstelle zu finden? Ganz besonders im Bereich Buchhandel?

Im Buchhandel sieht es tendenziell eher schlecht aus.
Ansonsten weiß ich es nicht genau. Die genannten Firmenpleiten machen natürlich Angst, muss man doch davon ausgehen, dass die davon Betroffenen die Stellen, die auch für uns in Frage kämen, bereits besetzt haben.
Man kann wohl nur versuchen, so optimistisch wie möglich zu sein und sich auf die geforderte Flexibilität einstellen.


Vielen Dank für das Interview.


Die Blog-Redaktion möchte den Kollegen/Innen aus der Filiale Nürnberg hiermit ihre Solidarität bekunden.

Lasst Euch nicht unterkriegen!

8 Kommentare:

  1. Die Thalia Buchhandlung in Nürnberg kann auch in dem Bildband: "Die schönsten Buchhandlungen Europas" betrachtet werden. Tja, scheiße wenn andere Unternehmen in ihre Buchhandlungen investieren und diese auf dem neusten Stand halten. Auch die Wahl der Non-Book Sortimente wird besser betrieben, statt Plastikmüll ist eine hochwertige Papeterie integriert. Ich prophezeie: In 10 Jahren sind die wenig verbliebenen Hugendubel Filialen in Weltbild übergegangen. Das Unternehmen demontiert sich selbst.

    B.

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  2. Lieber B., man sollte nicht vergessen, daß hinter Thalia die Douglas Holding steht, gegen die die DBH leider nur ein kleiner Fisch ist. Die Douglas Gruppe machte zuletzt gesamt einen Umsatz von etwa 2,56 MILLIARDEN Euro. Und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob der Buchhandel dort nicht ein Abschreibeobjekt ist. Also bitte nicht DBH mit Douglas Holding vergleichen. Wir vergleichen uns ja auch nicht mit der 50m² Buchhandlung um die Ecke...

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  3. @Bedenkenträger: Das mag ja sein. Sollte die DBH dann aber nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten besonders umsichtig handeln, zB also besonders überlegt an die Auswahl der Nonbooks herangehen?

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  4. Es ist schon ernüchternd, wie wenig Kommentare es zu diesem Artikel gibt. Wenn es einen nicht direkt selbst betrifft, scheint einem das Ganze kaum zu berühren?
    Ich finde die Situation in Nürnberg wirklich entsetzlich. So viele Kollegen ohne Job. Als Buchhändler in der Region wird man nicht viele Möglichkeiten haben. Ich muss immer wieder an sie soziale Verantwortung der Unternehmer denken. Wo ist die nur geblieben?
    Wie kann man mit langjährigen Mitarbeitern nur so umgehen. Es ist traurig.
    Ich hoffe, die Kollegen dort verzagen nicht und sehen irgendwo auch wieder einen Lichtblick für sich

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  5. Das ist in dieser Firma nichts Neues. Ich kenne viele Situationen, wo Kollegen aus den "großen" Filialen keine Notwendigkeit sahen, sich zu engagieren. Dann fragt man sich natürlich: warum?

    Sehen sie keine Notwendigkeit, weil die Flagschiffe doch noch relativ sichere Arbeitsplätze darstellen?

    Vielleicht meldet sich ja mal jemand vom Stachus oder Marienplatz und erklärt mir das.

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  6. Als regelmäßiger Leser des Blogs möchte ich mich ganz herzlich bei der Kollegin und Betriebsrätin aus Nürnberg für das Interview bedanken. Auch allen dort von der Schließung betroffenen vielen Dank für Euer Engagement.
    Gebt die Hoffnung nicht auf, vielleicht findet der Arbeitgeber bei aller "Optimierung" doch noch die "optimale" Immobilie°. Wünsche euch allen viel Glück !

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  7. ja, leider ist es schade, dass es tatsächlich so wenig Kommentar zu diesem Artikel gibt. Aber die Solidarität unter Kollegen sind in unruhigen Zeiten immer etwas mau aus. Wenn man bedenkt, dass in dieser Filiale sehr viele langjährige Mitarbeiter entlassen werden, macht es einen schon wütend und traurig. In dieses Haus ist schon seit Jahren nichts mehr investiert worden und Hugendubel sah es nie für nötig an, sich gegen die Konkurrenz vor Ort und Büchertische veranstalteten und Hugendubel?? Ab und an mal, aber das konnte man an einer Hand ablesen.

    Die Einrichtung hatte schon ziemlich gelitten und auch der Charme der 80er Jahre konnte nicht mehr wirken. Dann wundert es einen umso mehr, wenn man die Aussage hörte, dass nach einen neuen Immobilie gesucht wurde, die eine 1a-Lage zu günstigen Preisen haben sollte und man dann bei Verhandlungen ziemlich bald ausschied. Das ist doch einfach nur utopisch. Vor allen Dingen suchte man schon seit JAHREN intensiv nach einer neuen Immobilie.

    Der "angenehme" Nebeneffekt für die Geschäftsleitung ist, dass sie mit einem SChlag alle unbequemen Mitarbeiter loswerden. Denn soweit ich weiss, hat Nürnberg von Anfang an gegen das neue Hausorganisationsmodell gestimmt und keine Betriebsvereinbarung darüber abgeschlossen. Stattdessen wollten sie immer eine Klärung über die Einigungsstelle erreichen.

    Für uns Mitarbeiter bedeutet es, dass wir kritische und mutige Kollegen verlieren, die sich nicht gescheut haben, der Geschäftsleitung kontra zu geben und sich für ihre Rechte einzusetzen . Mir tut es sehr leid, dass sie jetzt entlassen werden. Jedem Einzelnen wünsche ich alles Gute und vielen Dank für euer Engagement und Mut :-)

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  8. Was haben Hugendubel und Co aus unserem Beruf gemacht?
    Insgesamt 17 Jahre habe ich für Hugendubel gearbeitet. Bis 2003 war das auch recht gut so.
    Ich habe die Vielfältigkeit meines Berufes sehr geschätzt. Den Novitäteneinkauf, Verhandlungen mit Verlag und Vertretern, Disposition, Präsentation, Verkauf, Personalführung, Personalplanung,
    eben all das, was ich in der Ausbildung gelernt hatte.
    2005 als ich aus Elternzeit zurückkam, war ich schockiert, was sich in der Zeit verändert hatte.
    Durch den Entzug von Kompetenzen, Einteilung des Personals in Einkäufer, Verkäufer, Führungspersonal, Management wurde zur Buchverkäuferin „degradiert“ wer nicht gerade einen der „höher“ gestellten Posten ergattern konnte.
    Das umfassendes Wissen der BuchhändlerInnen und ihre Erfahrung war nicht mehr gefragt.
    Natürlich sollte damit eine tarifliche Umgruppierung einhergehen, der sich aber Belegschaft und Betriebsrat erfolgreich widersetzt haben.
    Seitdem wurden in Nürnberg keine BuchhändlerInnen mehr eingestellt.
    Unausgebildetes Verkaufspersonal konnte ja zum niedrigeren Tariflohn eingestellt werden.
    „Freundlichkeit vor Kompetenz“ war die Devise der Geschäftsleitung.
    Frust die Folge bei den Angestellten.
    Die Schließung der Filiale wundert bei der Geschichte nicht – Schlecker und Co haben`s ja vorgemacht, wie es geht. Wie man unliebsames und „teures“ Personal los wird.
    Die BuchhändlerInnen die zuletzt im Verkauf gearbeitet haben, bekommen jetzt vom Arbeitsamt Stellen bei Discountern angeboten!
    Liebe KollegInnen besinnt Euch drauf, was ihr gelernt habt. Besteht auf ein absolut qualifiziertes Arbeitszeugnis in dem Eure Arbeiten und Erfahrungen vor der „Reform“ umfassend dargelegt und bewertet werden.
    Leider hat sich zudem gezeigt, dass die Nürnberger Verteter von Verdi nicht eben sehr sorgfältig bei der Einschätzung der Bewertung von Zeugnissen sind. Sei es aus Nachlässigkeit oder Zeitmangel des zuständigen Gewerkschaftssekretärs – lasst eure Zeugnisse am besten unabhängig prüfen.
    Das ist ja das einzige, was viele von uns nach 10 oder 20 Jahren bei Hugendubel in der Hand haben.
    Ich hatte Glück konnte Hugendubel vor diesem Desaster verlassen und mich beruflich und inhaltlich deutlich verbessern. Dieses Glück wünsche ich allen betroffenen KollegInnen auch.
    Von Heinrich Hugendubels Erben bin ich sehr enttäuscht. In Sachen Personalführung kann man sicherlich nicht mehr falsch machen, als sie es getan haben. Schade um eine ehemals sympathische Buchhandelskette.

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