Montag, 29. August 2022

Mindestlohn als Standardlohn?

 Zur Gehaltssituation an den tariflosen Hugendubel-Standorten

 

Zunächst gilt festzuhalten, für wen der im Mai 2022 abgeschlossene Tarifvertrag NICHT gilt:  nämlich für fast alle Hugendubel-Standorte und Filialen außerhalb von Bayern. Bemerkenswert ist zudem, dass die interne Mitteilung des Börsenvereins, also des Arbeitgeberverbandes, als Aushang am Schwarzen Brett an die Beschäftigten gelangte. Darin rühmt sich nämlich die Verhandlungsdelegation des Arbeitgeberverbandes, dass es real ja nur "eine effektive Erhöhung von 4,08%" sei. Da freut man sich doch als lohnabhängig Beschäftigter.

Wie der Börsenverein zu dieser Berechnung kommt, ist nicht nachvollziehbar. Für Hugendubel besteht die effektive Lohnerhöhung in 4,9% für einen Zeitraum von 5 Jahren, verglichen mit dem bundesdeutschen Einzelhandel bzw. dem Buchhandels-Tarifvertrag in Hamburg bedeutet das ein Lohn-Gap von mittlerweile ca 15%. Auch die Aussage von den "Leermonaten" ist - zumindest was Hugendubel angeht - völliger Unsinn. Von "Leermonaten" spricht man im Tarifvertragswesen, wenn die Entgelterhöhung eines weitergeführten Tarifvertrages zeitlich nicht unmittelbar anschliesst, sondern mit einigen Monaten Verzögerung in Kraft tritt. Bei Hugendubel müsste man also eher von "Leerjahren" sprechen.

Donnerstag, 25. August 2022

"Ich verkaufe meine Stimme nicht für eine Wurst!"

Betriebsratswahlen 2022 bei Amazon

Streik-Bündnis Leipzig und Vertrauensleute 

geben einen Überblick



Auch bei Amazon fanden im Frühjahr 2022 an verschiedenen Standorten Betriebsratswahlen statt. Die Ergebnisse sind dabei für ver.di als durchwachsen zu bewerten. Es gab Erfolge, aber leider auch Niederlagen für die ver.di-Listen. Im Folgenden wollen wir, das Streiksolibündnis Leipzig, einige Aspekte der Wahl herausgreifen, um strategische Lehren für künftige Wahlrunden zu ziehen. 

Wir danken den Amazon-Betriebsaktiven aus ganz Deutschland, die beim Verfassen des Artikels mitgeholfen haben, indem sie uns ihre Eindrücke geschildert haben. Wir konnten allerdings nur auf die Erfahrungen von Kolleg:innen zurückgreifen, mit denen wir über das transnationale Amazon-Arbeiter:innen Netzwerk Amazon Workers International verbunden sind. Deshalb liegen uns nur die Wahlergebnisse von elf Standorten vor. 

Montag, 22. August 2022

Inflationsausgleich für wen?

 Entlastungswirkungen des Lindner-Vorschlags für 2023

 Grafisch dargestellte Entlastungswirkungen

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Eckpunkte für ein „Inflationsausgleichgesetz“ vorgelegt. Es soll die „kalte Progression“ ausgleichen. Mit steigenden Einkommen nimmt deren Steuerbelastung zu, auch wenn durch die Inflation die Kaufkraft nicht gestiegen ist. Dies auszugleichen ist im Prinzip sinnvoll und nötig. Doch die Frage ist, für wen und wieviel?

Die hohen Preissteigerungen besonders bei Energie und Lebensmitteln belasten die ärmeren Haushalte am stärksten. Sie haben aber am wenigsten von diesem „Inflationsausgleichsgesetz“. Auch viele normal Verdiendende kommen kaum noch über die Runden. Reiche Haushalte haben dagegen Reserven und kommen auch ohne Steuersenkungen klar. Doch sie profitieren am meisten.

Freitag, 12. August 2022

Arbeiten bei großer Hitze

Thermometer mit hoher Temparatur bei gleißender Sonne 
DGB/Wang Tom/123Rf.com 
 
 

 „… 36 Grad, und es wird noch heißer
Mach den Beat nie wieder leiser
36 Grad, kein Ventilator
Das Leben kommt mir gar nicht hart vor…“

 

Vielleicht kannst Du dich noch an diesen Song des Berliner Popduos „2raumwohnung“ aus dem Sommer 2007 erinnern. Was vor 15 Jahren noch als außergewöhnlicher Umstand besungen wurde, entwickelt sich leider in den Sommern unserer Zeit immer mehr zum Normalzustand.

Der DGB hat ganz aktuelle FAQ´s zu diesem Thema auf seiner Homepage veröffentlicht:

https://www.dgb.de/service/die-rechtsfrage/temperaturen-und-wetter-am-arbeitsplatz

Der Betriebs- bzw. Personalrat kann § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG bzw. § 80 Abs. 1 Ziff. 16 BPersVG i.V.m. der Arbeitsstättenverordnung als Grundlage für eine Vereinbarung mit den Arbeitgebenden über sinnvolle Regelungen für Tätigkeiten bei großer Hitze heranziehen.

Die Arbeitsstättenverordnung konkretisiert die Anforderungen an Raumtemperaturen in
§ 3 Abs. 1 sowie insbesondere im Punkt 3.5 des Anhanges (ASR A 3.5.). Danach müssen Räumlichkeiten eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur haben. Das bedeutet, spätestens ab 30 ° C sind Maßnahmen zu ergreifen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) hat Praxistipps für Beschäftigte veröffentlicht. (Sommerhitze im Büro«, BAUA PRAXIS KOMPAKT).

Hierzu noch Tipps für „Sommerregelungen“, die der Mitbestimmung des Betriebs- bzw. Personalrats unterliegen und mit den Arbeitgebenden vereinbart werden können:

Dienstag, 9. August 2022

"Es ist höchste Zeit, dass sich hier etwas verändert!"

 TikTok-Beschäftigte setzen Betriebsratswahlen durch


Mitarbeitende von TikTok haben am 11. Juli 2022 mit der Hilfe von ver.di erfolgreich die erste Versammlung zur Wahl eines Betriebsrats am Standort Berlin durchgeführt. Der Social-MediaKonzern TikTok gehört zum chinesischen Mutterkonzern ByteDance und hat mehr als 10 000 Mitarbeitende weltweit. Allein in Berlin beschäftigt der Konzern über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 102 Beschäftigte unter ihnen beteiligten sich jetzt an der Wahl eines Wahlvorstands, die in der ver.di-Bundeszentrale in Berlin stattfand. „Damit ist der Weg frei für Betriebsratswahlen bei TikTok in Berlin. Der nun gewählte Wahlvorstand wird die Wahlen bereits in den kommenden Wochen einläuten“, kündigte der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Hikmat El-Hammouri unmittelbar nach der erfolgreichen Wahl an. 

Der Social-Media-Riese mit den kurzen Videos steht wegen schlechter Bezahlung und stark belastenden Arbeitsbedingungen weltweit in der Kritik. 

Samstag, 6. August 2022

Waffenkäufe ja, Armutsbekämpfung nein

 Kein "Sondervermögen" gegen Armut


Die Bundesregierung lehnt es ab, ein sogenanntes Sondervermögen zur Armutsbekämpfung aufzulegen. In der der Nachrichtenagentur AFP  vorliegenden Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Die Linke schreibt das Bundesfinanzministerium, Sondervermögen seien von der Schuldenregel erfasst. 

Der Gesetzgeber habe für das Bundeswehr-Sondervermögen eine Ausnahme gemacht. Für die übrigen Bundesaufgaben gelte unverändert die Vorgabe, die Verschuldung in den im Grundgesetz gezogenen Grenzen zu halten, heißt es in dem Schreiben der parlamentarischen Staatssekretärin im Finanzministerium, Katja Hessel. Diese Grenzen seien »voll ausgeschöpft«. 

»Ein Sondervermögen gegen Armut und Inflation gibt es nicht, weil die Bundesregierung es nicht einrichten kann, sondern weil sie es nicht will«, sagte der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan Korte gegenüber AFP.