Mittwoch, 1. September 2010

Blick zurück nach vorn

Es war einmal eine Firma, vor gar nicht ferner Zeit, in einem ganz bekannten Land, mit einem nicht ganz unbekannten Namen. Diese Firma war halbwegs fair in dem, was sie tat und wie sie es tat. Sie gab ihren Beschäftigten in der Regel unbefristete Arbeitsverträge der Tarifgruppe III und zahlte darüber hinaus noch freiwillige soziale Leistungen. Die meisten Auszubildenden übernahm sie und spendierte einmal im Jahr eine opulente Weihnachtsfeier.

Dafür bekam sie gute Arbeitsleistungen und die Loyalität ihrer MitarbeiterInnen. Diese gingen meistens gern zur Arbeit, weil sie sich in dieser Atmosphäre respektvoll behandelt fühlten und in manchen Angelegenheiten der täglichen Arbeit auch ein kleines Wörtchen mitreden konnten. Und so lebten sie zufrieden bis ans Ende aller Tage.

Es war einmal .... Was aus heutiger Sicht für unsere jüngere KollegInnen wie eine pure Märchenstunde klingt, war in dieser Firma vor wenigen Jahren Realität, so unglaublich und entfernt es uns heute erscheinen mag (auch wenn damals nicht alles Gold war, was glänzte).

Wir wollen hier der Vergangenheit keine kulturpessimistische Träne nachweinen. Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen. Wohl aber nehmen wir uns das Recht und die Freiheit heraus, klar und deutlich zu sagen, dass sich im letzten Jahrzehnt unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen permanent verschlechtert haben.

Wer die Geschichte nicht kennt, heisst es, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. Blicken wir also zurück und beginnen wir mit einer vermeintlichen Kleinigkeit. Kann sich noch jemand an die Fahr- und Essensgeldzuschüsse erinnern? Am Anfang dieses Jahrzehnts befand sich die Firma - wie viele andere auch – in einer Krise. Es gab Kurzarbeit und es wurde neben anderen Sparmassnahmen der Fahr- und Essensgeldzuschuss ausgesetzt. Wohlgemerkt: Ausgesetzt, nicht gestrichen.

Selbstverständlich fiel es der Geschäftsführung seitdem nicht einmal im Traum ein, diese freiwilligen Zuschüsse wieder an ihre Mitarbeiter auszuzahlen. Warum auch? Wer seine MitarbeiterInnen nur als Kostenfaktoren auf zwei Beinen sieht, für den ist jeder Cent rausgeworfenes Geld, totes Kapital.

Einige Jahre später: mit der neuen Hausorganisation folgte die bislang einschneidendste Zäsur in der Geschichte der Firma. Das neue Konzept bedeutete in der Struktur eine stärkere Hierarchisierung und in der Alltagspraxis für die meisten KollegInnen eine Dequalifizierung der eigenen Arbeit. Das Lohnniveau wurde um eine Tarifstufe gesenkt und die Arbeitsverträge fast immer befristet.

Auf diese Entwicklungen gab es unterschiedliche Reaktionen: Interessiert mich nicht, Hauptsache, ich behalte meinen Job - oder auch: ich unterschreibe alles, Hauptsache, ich bekomme einen Job.

Beide Haltungen waren und sind kurzsichtig, unsolidarisch und führten zu einer Spaltung der Belegschaft. Darüber hinaus schwächten sie die Voraussetzungen, um kommenden Zumutungen der Geschäftsführung Widerstand entgegensetzen zu können. Denn dass welche kommen würden, war so sicher wie das Amen in der Kirche.

Und tatsächlich ließen die nächsten Pläne der Geschäftsführung nicht lange auf sich warten: das ATOSS-Projekt , Videoüberwachung, stärkere Kontrolle und Verdichtung der Arbeit, Schließung bzw. Teilschließung oder Verlagerung von Abteilungen und Filialen sowie Outsourcing. Und dieser Prozess ist noch lange nicht an sein Ende gekommen.

Es gibt nach wie vor KollegInnen, die auf Dialog und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung setzen. Das wollen wir auch. Dialog heißt für uns allerdings nicht, dass eine Seite die Bedingungen diktiert. Wer als Dialogpartner von der Gegenseite ernst genommen werden will, muss vorher dafür sorgen, dass er auf gleicher Augenhöhe sprechen kann. Wir sind für das Gespräch – aber, wenn es sein muss, auch für Arbeitskampfmassnahmen.

Der einzige, der für unsere Interessen eintritt, sind wir selbst. Dazu brauchen wir eine Organisation, die dies auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene leisten kann. Deshalb sind wir – bei aller vorhandenen Kritik – aktive Gewerkschafts-Mitglieder bei ver.di und nicht auf einer isolierten Einzelliste oder – noch schlimmer – bei einer gekauften Pseudogewerkschaft.

Um handlungsfähig zu werden, müssen wir - alle Kolleginnen und Kollegen - untereinander in einen Dialog treten, Informationen sammeln und Meinungen austauschen. Der Infoblog soll dazu eine Kommunikations-Plattform sein. Ihr könnt im Infoblog nicht nur die aktuellsten Informationen bekommen, sondern selber aktiv werden, vorhandene Beiträge kommentieren oder selber welche verfassen.

Es gibt in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung einen alten Slogan:

United we stand – divided we fall

Wir haben es selbst in der Hand:
vereinzelt untergehen oder zusammen kämpfen!

Packen wir es gemeinsam an!

6 Kommentare:

  1. Der Rückblick auf die letzten Jahre läßt für die Zukunft nichts Gutes ahnen; jedenfalls war der Blog längst überfällig. Ich hoffe, dass das ganze nicht versandet und ihr durchhaltet und so weitermacht, wie ihr begonnen habt!

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  2. Ja damals... Ich bin unteranderem in diese Firma, weil sie damals als eine der sozialsten Firmen München galt. Hier fühlte ich mich wohl, hier wurde meine Arbeit respektiert.
    Heute fühle ich mich wie ein machloses Rädchen in der Maschinerie. Wenn man Anregungen hat etwas zu verbessern, dringen die eh nie bis ganz nach oben. Der Weg in die innere Kündigung ist vorprogrammiert. Danke Herr Hugendubel!
    Aber Gott sei Dank gibt es ja jetzt diesen Blog. Ich hoffe inständig, daß sich jetzt was ändert...

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  3. Naja, da machen wir uns doch mal nichts vor. Der Blog wird nichts ändern. Nur weil es den Blog gibt, wird sich nicht die Strategie der Geschäftsleitung ändern. Aber denen "da Oben" soll klar sein, daß "wir da unten" uns vieles einfach nicht mehr länger gefallen lassen und man nicht alles mit uns machen kann. Ein Gegenwind muß her, und dieser Blog ist ein guter Anfang.

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  4. ....mit der Gründung der DBH begann der Untergang der traditionsreichen Firma Hugendubel. Die erste Generation hat gegründet, die zweite weiterentwickelt und die heutige vernichtet, was in über 140 Jahre aufgebaut wurde.
    Warum: völlig fehlende soziale Kompetenz der GL, insbesondere des "Silberrückens" TN, der nur schwafelt und nichts taugt.
    Bevor das Schiff völlig untergeht, ist die einzige Rettung der komplette Austausch der Führungsmannschaft.
    Rette sich wer kann, denn nur ein Mitarbeiter, der sich selber kennt und weiß, was er will, arbeitet mit vollem Elan und Zufriedenheit. Nur starke Mitarbeiter ergeben ein starkes Unternehmen. Die Zeit, die Mitarbeiter in dieser Firma verbringen, ist verlorene Zeit. Verlorene Zeit ist unausgefüllte, leere Zeit !
    Zieht endlich die Konsequenzen !

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  5. Schon bezeichnend, wie viel Wut in den Kommentaren hier mitschwingt. Ist das nun die Vorstufe zur Angst? Oder der Nachhall davon?
    Ich jedenfalls bin im Moment einfach nur traurig. Ich war auch einmal stolz, in diesem Unternehmen arbeiten zu dürfen, habe lange dafür gekämpft. Aber durch das Nicht-Informieren, das körperlich und seelische Aussaugen und Bis-an-den-Rand-treiben der Mitarbeiter durch die Führungsriegen (ich sage bewusst RIEGEN, denn nicht nur die GL zieht da an einem Strang, auch die mittleren Führungskräfte sind da zum Teil ganz groß dabei) vergeht einem die Lust am Arbeiten. Noch vor zwei Jahren hätte ich mein letztes Hemd für die Firma gegeben.
    Aber jetzt...?

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  6. ... an den anonymen Blogger vom 04.September 2010 um 00:18.
    In der Spalte links wird auf die Blog-Netiquette verwiesen, bei der es sich lohnt, sie gelesen zu haben. Warum? Mit einigen Deiner Aussagen bin ich absolut nicht einverstanden! Du hast die soziale Kompetenz der GL angesprochen und dafür gibt es sehr zahlreiche Beispiele die Deiner Einschätzung entsprechen.
    Jedoch greifst Du danach jemanden einzeln in seiner Persönlichkeit und seinem Charakter an und gibst Deine persönliche Einschätzung zu seiner Gesamtkompetenz in nicht gerade würdevoller Art ab. Zumindest bei diesem Satzteil stellt sich die Frage nach Streichung oder Zensur.
    Angreifbar machen sich unsere oberen Zehntausend durch ihr Wort und ihre Tat. Hier kann man trefflich gegenargumentieren, zitieren und kritisieren.
    Überdenke doch bitte noch einmal Dein Kanonenfeuer.

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