Donnerstag, 23. September 2010

Gegen kriminelle Energien (1): "Detektiv guckt fern" ...

... titelt der Buchreport.
www.buchreport.de/nachrichten/handel/handel_nachricht/datum/0/0/0/detektiv-guckt-fern.htm

Ja, bei Hugendubel vollzieht sich ein Total-Schwenk:
Weg von "Menschen vor Ort", hin zu "Technik überall".

Doch: was eigentlich ist da so schlimm dran?
So werden manche fragen.

Foto:wallguenter

Fragen werden einige derjenigen, die noch angestellt sind bei Hugendubel.
Die es allerdings - vielleicht - bald gar nicht mehr sein werden.

Ja, wieso das denn?

Der Reihe nach:

2006 wurde die DBH gegründet.
Und damals war's endgültig vorbei mit dem TraditionsFamilienUnternehmenBuchhandlungHugendubel.
Denn Hugendubel hat sich mit der DBH in die Hände des WELTBILD-Medienkonzerns (dessen alleinige Eigentümerin die katholische Kirche ist) begeben.

Seit 2006 werden sämtliche DBH-Betriebe (Weltbild, Hugendubel-Habel, Weiland, ...) sukzessive nach identischen (und im Übrigen äußerst unchristlichen!) Kommerz-Mustern umgebaut ("relauncht"):

Rendite hoch, auf Teufel komm' raus (selbst dann, wenn die Kosten erst mal steigen!) ...
PlastikNonBooks statt Literatur ...
Individualiät raus, Uniformität rein ...
Masse statt Klasse ...

Einfalt statt Vielfalt ...
Kunden verärgern und verprellen und verlieren ...
Stupide Bestseller-Mauern statt intelligenten Sortiments-Regalen ...

Aushilfen statt Auszubildende ...
Buchhändler degradieren, entmündigen, demotivieren ...
Outsourcing/Leiharbeit/Fremdfirmen statt eigenem qualifizierten Fachpersonal ...
Innovative Unternehmensgrundsätze in den Giftschrank ("unter Verschluss") ...

Mitarbeiter nicht mehr (wie über Jahrzehnte hin) fördern, weiterbilden, motivieren, Wert schätzen ...
sondern (immer häufiger) kontrollieren, einschüchtern, mobben, abmahnen ...
Unordnung und Chaos und Unzufriedenheit ...
statt: Engagement und Freude und Produktivität.

Investitionen werden radikal umgelenkt,
weg von den das Unternehmen tatsächlich tragenden Menschen ...

zunächst (bis 2008)
... hin zu Marketing und Werbung / Technik und Software
... und: hin zu immer mehr / immer neuen Filialflächen
(im Kräfte zehrenden und aufreibenden Wettbewerb mit Douglas/Thalia)

dann plötzlich:
ein radikaler Stopp der Expansion - und ...
2009 erste Massenentlassungen (diese jedoch durch Betriebsräte - dort wo vorhanden - teilweise abgemildert) ...
sowie aktuell: massiver Rückbau der Ladenflächen (um 40% - so die eigene Prognose der DBH-Leitung!)

Also werden in den kommenden Monaten bis Jahren immer mehr komplette Filial-Belegschaften auf der Straße landen (wie derzeit in Nürnberg durchexerziert).


Aber: Was ist nun los mit den "fern-guckenden-Detektiven"?

Dazu bald mehr in:

"Gegen kriminelle Energien (2)"

4 Kommentare:

  1. Buchhändler degradieren? Entmündigen? Dazu würde ich gerne ein paar Meinungen hören! Ich kann verstehen, wenn sich momentan alle völlig ausgelaugt und überarbeitet fühlen und keine Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben, aber degradiert und entmündigt fühle ich mich nicht!
    Und zu den Massenentlassungen - meine naive Frage: ab wann ist es eine "Massenentlassung"? Gibt es da einen bestimmten Prozentsatz oder kann man diesen Begriff einfach mal so in die Runde werfen?

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  2. Na, ca. 80 Leute zu entlassen, wie soll man das nennen? Ursprünglich sollten es ja sogar noch viel mehr sein. Und dann noch die unzähligen Verträge, die nicht verlängert wurden. Da kommt man mit dem Zählen gar nicht mehr nach. Überall fehlen Kollegen.
    ICH fühle mich entmündigt.
    Selbständiges Arbeiten ist schon lange nicht mehr möglich. Ich bin über ~15 Jahre dabei. Früher hat die Arbeit Spaß gemacht, heute fühlt man sich nur noch als "Regalaufräumer". Eigenständige Sortimentsgestaltung gibt es nicht mehr und durch die wenigen Kollegen, die noch da sind, auch keine optimale Kundenbetreuung.

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  3. Als das neue Hausorganisationsmodell eingeführt wurde, hieß es sinngemäß, die Buchhändler im Laden würden von der "stupiden" Bestellerei entlastet und würden mehr Zeit gewinnen für die wirklich anspruchsvollen buchhändlerischen Aufgaben wie Präsentation, Kundenbedienung, Marktbeobachtung.

    Wäre es so gekommen, hätte man sich vielleicht nicht herabgestuft gefühlt. Tatsächlich hat sich aber sehr schnell gezeigt, daß die Verlagerung der Einkaufskompetenz aus dem Laden heraus vor allem ein Ziel hatte, nämlich "teures" qualifiziertes Personal abzuschaffen und mit weniger Leuten auszukommen. Zumindest in meiner Filiale können sich die Kollegen heute viel weniger um Kunden, Präsentation, Sortimentsgestaltung kümmern als je zuvor. Massiv zugenommen hat die Arbeitszeit am Service und an der Kasse. Es fehlt nicht nur die Einkaufsverantwortung, sondern es gibt praktisch kaum noch eine persönliche Zuständigkeit für einen Sortimentsbereich (wäre auch illusorisch bei dem Personalmangel); eigentlich gibt es gar keine "eigenen" Aufgaben mehr, sondern jeder macht alles, und das unter immer höherem Druck von oben. Von der vermeintlichen besonderen Wertschätzung von GL und Filialleitungen gegenüber den Buchhändlern (Verkauf)- wegen ihrer Bedeutung für die Firma und weil sie die Umstrukturierung mittragen - hat man, seitdem diese umgesetzt wurde, nicht mehr viel gemerkt.

    Aus all diesen Gründen kann ich das Gefühl des Degradiertseins gut verstehen, und vor allem bin ich auch mißtrauisch geworden gegenüber Ankündigungen unserer Führungsetage.

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  4. Hallo miteinander,

    jedes Wort im Leitartikel kann ich unterschreiben.
    Ich verüble unserem Unternehmen ganz besonders, dass ich gezwungen bin, so schlecht zu sein.

    Ich schicke gehbehinderte Rentnerinnen ins Nirwana, wissend, dass sie auf 800 qm ohne Hilfe die Schüsslersalzecke nie finden werden- aber ich darf von der Kasse nicht weg.
    Ich wüsste, wo und wie im Internet nach einem gewünschten Titel noch erfolgversprechend zu suchen wäre... indessen: ich darf nicht.
    Ich könnte Lektüre für lesefaule Bücherhasser empfehlen, ein liebevolles Geschenk für eine krebskranke Freundin... indessen: keine Zeit.
    Geschenk verpacken? HAHAHA- da drüben ist die Selbstbedienungstheke.
    Einen schönen Tag noch.

    Und ganz ehrlich: für das, was ich hier noch machen darf, braucht man wahrlich keine Buchhändler mehr, ein durchtrainierter Handelsfachpacker macht den Job vielleicht sogar besser.
    Das ist also alles ganz folgerichtig.

    Liebe Grüße!

    und PS: Ihr könnt mich von mir aus den ganzen Tag filmen und werdet mich arbeiten sehen.

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