Dienstag, 18. Januar 2011

Die Kirche, der Buchhandel und die Zensur

Das WELTBILD der katholischen Kirche: Eine Zensur-Chronik von Hugendubel

Ein sehr brisantes Thema, über das wir in letzter Zeit ausführlich berichtet haben, war die Zensur auf www.hugendubel.de.
Wir sind der Frage nachgegangen, ob die Gedankenfreiheit auf der Hugendubel-Internetseite wohl ihre Grenzen hat?

Wir veröffentlichten in unserem Artikel vom 29. Dezember 2010 einige Buchtitel, die auf der Hugendubel-Internetseite nicht aufzufinden waren. 
Diese Zensur betraf vor allem Bücher, die sich kritisch mit der Kirche auseinandersetzen.
Wenige Stunden nach unserem Bericht brachte die erneute Suche nach den Titeln allerdings auf „mysteriöse" Weise plötzlich doch ein Ergebnis (nicht jedoch auf www.weltbild.de)!

Anscheinend verfolgt die Redaktion des Hugendubel-Online-Shops beflissen diesen Blog.
Man kann wohl diesen „katholischen Weltbild-Kirchenfilter“ problemlos manuell korrigieren.
Eine Erklärung der Geschäftsleitung zum Thema „Zensur auf hugendubel.de“ erfolgte gegenüber den Mitarbeiter/Innen bislang nicht.

Folgende Titel blockierte der Zensurfilter:

  • Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums; ISBN 3499624435
  • David Berger, Der heilige Schein; ISBN 3550088558
  • Carsten Frerk, Violettbuch Kirchenfinanzen; ISBN 3865690394
  • Dieter Funke, Die Wunde die nicht heilen kann; ISBN 3880952043
  • Michael Schmidt-Salomon, Wo bitte geht’s zu Gott?, fragte das kleine Ferkel; ISBN 3865690300
  • Hrsg. Sommer/ Seiterich, Rolle rückwärts mit Benedikt; ISBN 3880951896

Obwohl die oben genannten „kirchenkritischen“ Titel mittlerweile wieder freigeschaltet worden sind, erstreckt sich die Zensur auf Bücher zu den nachstehenden Themen:
  • Schwul-lesbische Literatur, Esoterik, Erotik und Bücher mit atheistischem und kommunistischem Hintergrund
Die Nicht-Listung des kapitalismuskritischen Titels von Sahra Wagenknecht "Wahnsinn mit Methode" , die SPIEGEL-Redakteur Stefan Kuzmany in seinem heutigen Beitrag anführt, ist insofern pikant, weil die Autorin zusammen mit Nina Hugendubel am 25.-27. November 2010 im Berliner Hotel Adlon beim Führungstreffen Wirtschaft 2010 der Süddeutschen Zeitung auftreten sollte, was nur durch eine Erkrankung von Frau Wagenknecht nicht Wirklichkeit geworden ist.


Zensur oder "Filterprozess"?



Maximilian Hugendubel erklärte im Börsenblatt (Printausgabe vom 6. Januar 2011, Nr. 1, S.7) das Fehlen der monierten Titel damit, daß ein "manueller Filterprozess ( ) das Verfahren (verfeinere). Dabei könne es für die Hugendubel-Website zu Fehlern gekommen sein."

Es scheint doch sehr erklärungsbedürftig zu sein, welche Hand da unliebsame Titel aussortiert. Vor allem auch deswegen, da die inkriminierten Titel bei den Mitbewerbern problemlos zu finden und auch zu bestellen sind.

Was ist eigentlich Zensur?
 
“Zensur” ist, laut Brockhaus, die Bezeichnung für 1) eine von zuständiger, in der Regel staatlichen Stelle vorgenommene Überprüfung und Kontrolle von Druckwerken, Hörfunk-, Fernseh-, Film-, Tonträger- und Videoproduktionen auf ihre politischen, gesetzlichen, sittlichen und religiöse Konformität und 2) die gegebenenfalls daraufhin erfolgende Unterdrückung bzw. das Verbot der unerwünschten Veröffentlichungen.”


Und was hat die katholische Kirche damit zu tun? 

Ganz einfach: Als Eigentümer der Weltbild-Verlagsgruppe (100%) gehört 12 katholischen Diözesen  sowie der Soldatenseelsorge 50 % des DBH-Konzerns, darunter auch Hugendubel. Damit ist die katholische Kirche in der deutschen Buchhandelsbranche ein Major Player, was außer einigen Branchen-Insidern kaum jemand weiß. Allerdings ein Player, der sein Spielzeug gern verkaufen möchte, wie man in der Wirtschaftspresse undementiert bereits 2008 lesen konnte.

Wahrscheinlich ist es einfach so, wie auch SPIEGEL-Redakteur Kuzmany in seinem Artikel vermutet:
http://www.hugendubel.de/ basiert seit dem Relaunch Ende letzten Jahres auf der technischen Plattform der Weltbild-Datenbank. Auf der Hugendubel-Homepage gelten daher jetzt die Spielregeln, die die katholische Kirche bei Weltbild durchgesetzt hat. Und dazu gehört eben auch die "religiöse Konformität und  die gegebenenfalls daraufhin erfolgende Unterdrückung bzw. das Verbot der unerwünschten Veröffentlichungen” , wie man es in der obigen Zensur-Definition lesen konnte.

In unserem Fall haben wir es mit einem automatischen Filter, der unliebsame Titel im Vorfeld aussortiert, wenn sie nicht ins WELTBILD der katholischen Kirche passen, egal ob es um Sahra Wagenknecht, Atheismus oder Sadomaso-Sex geht.

Das kürzere Wort dafür ist: Zensur.

Es ist daher gar nicht so falsch, wenn Maximilian Hugendubel im Börsenblatt-Interview von einem "manuellen Filterprozess" spricht, der "das Verfahren verfeinere". Denn wie wir erleben konnten, kommt dieser "manuelle Filter" dann zum Einsatz, wenn die Suchfunktion auf der Homepage nachjustiert werden muss, weil eine kritische Öffentlichkeit Alarm schlägt oder wenn man schlicht und einfach Geld verdienen kann.
Die Redaktion des Infoblogs hatte als weihnachtliche Satire deswegen an Heiligabend die fiktive (!) Meldung gebracht: "Katholische Kirche verkauft DBH-Anteil nicht!" Dort wurde auch ein alternatives Lösungsmodell vorgeschlagen. Wir ließen nämlich Kardinal Marx (als Erzbischof von München DBH-Miteigentümer) die Gründung einer Stiftung namens "Pro Libro" verkünden. Sie solle aus den Unternehmensgewinnen des Konzerns nicht nur soziale Wohltaten für die Belegschaft und anspruchsvolle Literatur finanzieren, sondern sich auch um die Edition der Bücher kümmern, die die Kirche in früheren, mächtigeren Zeiten einst auf den Index gesetzt hatte.

Unsere fiktive Meldung wird wohl weiterhin ein Weihnachtsmärchen bleiben.
Allerdings hat sich die katholische Kirche jetzt technisch auf den neuesten Stand gebracht.

Der Index librorum prohibitorum, von der Inquisition 1559 eingerichtet und erst 1966 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft, ist nun auf http://www.hugendubel.de/ einem digitalen Index gewichen.


Willkommen im 21. Jahrhundert und herzliche Grüße nach Ungarn, Weißrussland und Nordkorea!





Wer sich über unsere Artikel zu diesem Thema informieren möchte, kann dies hier tun:

http://hugendubelverdi.blogspot.com/2010/12/zensur-bei-hugendubel-ja-oder-nein.html
http://hugendubelverdi.blogspot.com/2010/12/aktuell-zensur-bei-hugendubel-ja-oder.html
http://hugendubelverdi.blogspot.com/2010/12/katholische-kirche-verkauft-dbh-anteil.html

7 Kommentare:

  1. "Ungarn, Weißrussland und Nordkorea", das klingt zwar ein bisschen krass, aber wenn man das Ganze an unseren (und von Hugendubel doch auch selbst proklamierten) demokratischen und aufgeklärten Normen misst, dann habt Ihr schon recht:

    Das ist tatsächlich Zensur, wenn die (selbsternannte) "Spitze des deutschen Buchhandels" derart ausschert aus dem (hoffentlich noch vorhandenen) gesellschaftlichen und kulturellen Normenkonses.

    Aus puren ökonomischen und Nützlichkeits-Erwägungen hat sich diese Firma mit der DBH-Gründung in die Hand des katholischen Weltbild-Konzerns begeben; und plötzlich sind alle Werte (neben dem rein ökonomischen) völlig ins Abseits geraten:

    Die Rendite soll verdoppelt bis verdreifacht werden, das ist das aller aller Wichtigste.
    Und dann werden eben Stammhäuser geschlossen, wird Personal mies behandelt (und/oder gekündigt), wird der Kulturauftrag des Buchhandels mit Füßen getreten (und unter Bestsellertürmen und Nonbook-Ramsch begraben); und dann wird eben auch der von Weltbild verordnete Kirchen-Filter bedenkenlos eingesetzt.

    Mensch Ihr Hugendubels "ganz oben": schämt Ihr Euch eigentlich nicht?

    (Die Quittung werdet Ihr an Euren personal-schwachbesetzten Kassen irgendwann sowieso ganz "spürbar" bekommen!)

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  2. Auf Spiegel-online laufen nun hitzige Debatten, über 50 Kommentare wurden dort hinterlassen. Viele Kunden kündigen an, ab nun nicht mehr bei Hugendubel zu kaufen, weder im Internet noch in der Filiale.
    Gratulation liebe Geschäftsleitung, die Zusammenarbeit mit Weltbild ist echt ne reife Leistung.
    Auch wenn mein Kommentar dadurch gelöscht wird, aber wie kann man nur so blöd sein? SIE riskieren unsere Arbeitsplätze. Danke

    B.

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  3. weite Berichte in der Presse:

    http://www.shortnews.de/id/872247/Buchhandel-Hugendubel-entfernt-kirchenkritische-Buecher-aus-Online-Shop

    http://www.abendzeitung.de/muenchen/242075


    auch dort kündigen Kunden an, fern zu bleiben.

    B.

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  4. Es ist das alleinige Recht des Händlers über sein Sortiment zu entscheiden. Das nennt sich Freiheit.

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  5. In der Kooperation mit Weltbild hat Hugendubel diese Freiheit nicht. Auch dürfte klar sein, dass das ausfiltern von Titeln nicht Wille der Firma Hugendubel ist. Mühsam muss man sich jetzt seine Freiheiten, die vormals auf der Internetseite gegeben waren und an den Bibliographiestationen in den Läden uneingeschränkter Standard sind, wieder erarbeiten. Wäre allerdings schön, davon zu hören, dass an dieser Problematik gearbeitet wird und der "Kirchenfilter" nicht gedankenlos hingenommen wird. Ein Auftrag an die Verantwortlichen!

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  6. Das Traurige an dieser Firma ist, dass interne Kritik seitens der Mitarbeiter an diesen und anderen problematischen Sachverhalten bei der Firmenleitung abprallt, ignoriert wird oder negativ auf die Mitarbeiter zurückfällt. Die Geschäftsleitung reagiert, wenn überhaupt, nur auf "Öffentlichkeit" oder auf massive Kundenbeschwerden. Die Führungskultur ist da nicht besser als in der katholischen Kirche.

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  7. hat schon jemand die stellungnahme von der GL gesehen? laut deren aussage sind also alle Esoteriker rechtsradikal und Regenbogenfamilien pädophil. da sich dieser filter ja angeblich nur auf rechstradikale und pädophile literatur beschränkt... ja, genau. dazu hätt ich gern näheres gewusst!!!!!

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