Montag, 10. Januar 2011

Agenda 2011

Ein Kommentar der Infoblog-Redaktion

Vor knapp acht Jahren, am 14.März 2003, verkündete Gerhard Schröder, der Kanzler der rot-grünen Regierungskoalition, die Agenda 2010. Besonders auf dem Arbeitsmarkt hatte diese Politik weitreichende Konsequenzen für die lohnabhängig Beschäftigten in diesem Land: Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Zwang zur Annahme jeder Stelle nach einem Jahr und damit auch Aufbau eines Drohpotentials gegenüber allen anderen Beschäftigten. Das war aber noch nicht alles.

Mit der Modifikation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und der Einführung der Hartz-Gesetze wurde die Leiharbeit massiv ausgedehnt. Die Folgen können wir heute sehen:  Die Zahl der LeiharbeiterInnen stieg bis heute auf eine Million, allein innerhalb der letzten fünf Jahre fand eine Verdopplung statt.

Ein Normalarbeitsverhältnis, d.h. eine Vollzeitstelle mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag, scheint immer mehr vom Regel- zum Ausnahmefall zu werden. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die auf Daten von 2007 basiert, haben rund 40 % der unter 30jährigen mit einer Vollzeittätigkeit keinen festen Arbeitsplatz, sondern sind befristet oder bei Zeitarbeitsfirmen angestellt. Die negative Dynamik wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass die Hälfte aller Leiharbeiter unter 36 sind.

Die rotgrüne Regierung hatte der Kapitalseite damit nicht nur ein Schlüsselinstrument zur Kostensenkung, sondern auch zur Schwächung der Widerstandskraft der Lohnabhängigen verschafft. Denn die Konsequenz war die Spaltung der Lohnabhängigen in unterschiedliche Gruppen in ein und derselben Firma, die sich gegeneinander ausspielen lassen. Man muss sich auf Gewerkschaftsseite selbstkritisch fragen, ob man diesem Projekt der Entsolidarisierung den notwendigen Widerstand entgegengesetzt hat.

Die Konzentration der Gewerkschaftsführung auf die Kernbelegschaften mag verständlich sein, da die Organisation auf zahlende Mitglieder angewiesen ist. Wie oben gezeigt, ist Hartz IV aber auch eine Waffe gegen die derzeit in Beschäftigung Stehenden. Mit der besseren Organisierung z.B. von Arbeitsloseninitiativen ist ein Schritt gegen die Spaltung gemacht worden, der auf den Bereich prekärer Arbeit ausgedehnt werden muss. Andererseits muss jedem prekär Beschäftigten auch klar sein, dass er/sie isoliert keine Chance in zukünftigen Arbeitskämpfen haben wird.

Die arbeitnehmerfeindliche Arbeitsmarktpolitik war aber nicht das einzige, was wir Rot-Grün zu "verdanken" haben. Nicht vergessen werden soll die unter Schröder/Fischer eingeleitete Militarisierung der Außenpolitik.
Nachdem der Einsatz in Afghanistan jahrelang als humanitäre Maßnahme verkauft worden ist, wird von offizieller Seite scheibchenweise zugegeben, dass es sich hier um einen Kriegseinsatz zur Sicherung geostrategischer Interessen handelt. Ein Krieg im übrigen gegen einen Gegner, den man in den achtziger Jahren noch selbst protegiert hatte. Früher nannte man so etwas Imperialismus.

Schwarz-Rot setzte dann nahtlos die Politik von Rot-Grün fort: Stichwort Rente mit 67. Verkündet von einem sozialdemokratischen Minister unter einer CDU-Kanzlerin mit Unterstützung der "Oppositionsparteien" Gelb und Grün. Die SPD muss sich nicht wundern, wenn sie im letzten Jahrzehnt eine Million Wähler verloren hat.

Auch das war noch nicht alles. Die Folgen der Finanzkrise wurden und werden auf die Bevölkerung abgewälzt. "Wir zahlen nicht für Eure Krise!" lautete das Motto einer Gegendemonstration. Leider hat sich das nicht bewahrheitet. Wir zahlen sehr wohl für IHRE Krise: in den Kommunen, im Gesundheits- und Sozialsektor. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Und die Konsequenz daraus?

Wir müssen unsere eigene Agenda aufstellen.  Eine neue Agenda 2011, die Politik nicht gegen, sondern für 80% der Bevölkerung macht. Sozial und antimilitaristisch. Solidarisch mit den Arbeitslosen, Kranken und Alten hier und anderswo auf der Welt.

Kämpfen wir also zusammen für unsere eigene Agenda 2011!
Die einzige Alternative dazu  wäre "Barbarei" (Rosa Luxemburg)

2 Kommentare:

  1. Die Spaltung der Belegschaft lässt sich sehr klar auch bei Hugendubel sehen: Tarifgruppe 3/unbefristet macht im Prinzip den gleichen Job wie TG 2/befristet.

    Neue Arbeitsplätze? Ja, Weihnachtsaushilfen auf 400-Euro-Basis.

    Und bei allen Aushilfskräften bzw. befristeten Arbeistverträgen immer die Hoffnung auf einen unbefristeten Vertrag; deswegen die Haltung: nur nicht negativ auffallen, geschweige denn sich irgendwie gewerkschaftlich organisieren.

    Und der STV gilt ja letztendlich auch nur für Beschäftigte mit unbefristetem Arbeitsvertrag.

    Als vor einigen Jahren der Betriebsrat Widerstand gegen die Absenkung auf TG 2 und die Befristung leisten wollte, gab es eine Unterschriften-Liste g e g e n (!) den Betriebsrat, weil man seinen Job um jeden Preis behalten und jede erpresserische Forderung der GL akzeptieren wollte.

    Ich weiss nicht , ob diese Kolleginen und Kollegen, die dem Betreibsrat damals in den Rücken gefallen sind, diesen Blog lesen (wahrscheinlich nicht);

    aber wenn ihr diese Zeilen doch lest, dann denkt daran, dass ihr der Spaltung der Beschäftigten Vorschub geleistet und die Möglichkeiten für Solidarität und Gegenwehr schwer beschädigt habt.

    Den Preis für Eure Kurzsichtigkeit zahlen wir heute.

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  2. Aber das alles ist doch Verschulden einer Politik im Brioni-Anzug. Die Arbeitslosenhilfe wurde nicht "abgeschafft", sondern mit der früheren "Sozialhilfe" vereint. Wer sein Leben lang geschafft hat, wird mit denen, die nichts geschafft haben, in einen Topf geworfen. So hat's die Industrie und das Großkapital gern. Daher auch der Widerstand gegen Mindestlöhne. Und die Idee des "Aufstockens"? Nichts Anderes. Der Steuerzahler subventioniert die armen Arbeitgeber. Wer hat das erfunden? Leute, denkt nach und wählt das nächste Mal richtig. Auf keinen Fall von der Wahl wegbleiben

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