Die Welt der Nichtbücher
Hugendubel ist eine Familienbuchhandlung, behauptet die Geschäftsleitung. Doch Hugendubel ist in naher Zukunft vor allem eine Nichtbuchhandlung.
Eine Nichtbuchhandlung zeichnet sich dadurch aus, dass der Anteil der Nichtbücher den Anteil der Bücher überwiegt. Derzeit beläuft sich dieser prozentual auf ca. 30% des Gesamtsortiments, allerdings stark steigend. Ungewiss ist, welche Definition bei Hugendubel unter Nichtbuch fällt. Nichtbücher alias Non-Books sind laut Fachliteratur nicht die klassischen Nebensortimente des Buchhandels wie Kalender, PBS, DVD’s, Hörbücher usw.
Nichtbuchexpansion
Hugendubel expandierte und expandierte. Eine Großfläche folgte der anderen. Anfängliche Gewinne wurden zur Kapitalbesorgung und Finanzierung der nächsten Eröffnungen genutzt. Bestehende Filialen wurden kaum instand gehalten. Das schnelle Geld und die Marktführerschaft winkte.
Und dann kam die Wende. Zu viele Flächen, Umsätze blieben hinter den Erwartungen. Neue Eröffnungen waren auf Grund der Mietpreisentwicklung kaum mehr möglich. Eine neue Strategie zur Finanzierung der bestehenden Großflächen musste her. Entlassungen und Non-Books sollten das Allheilmittel sein.
Erst ergänzte man das bestehende Buchsortiment. Die Umsatzentwicklungen waren gut. Durch freie Kalkulation und hohe Margen winkte wieder das schnelle Geld und das Kulturgut Buch musste abermals Federn lassen. Einen zunehmenden Anteil sollen dabei buchaffine Produkte wie DVDs und Musik-CDs einnehmen. Werfen wir im folgenden einen Blick auf dieses Segment.
Kleine Exkursion nach Schottland
Die schottische HiFi-Firma Linn ist ein mittelständisches, sehr innovatives Unternehmen im Bereich der Unterhaltungselektronik. Das erste Produkt, das man Anfang der achtziger Jahre herstellte, war ein Plattenspieler. Bald darauf erweiterte man das Sortiment um Verstärker und Lautsprecher. In den neunziger Jahren stieg man dann in die Digitaltechnologie ein und entwickelte etliche Pionieranwendungen.
Vor zwei Jahren gab das Linn-Management bekannt, daß man die Produktion von CD-Playern einstellen werde.
Die Entscheidung der schottischen Firma, keine CD-Player mehr zu bauen, bedeutete keineswegs, daß man sich aus der Digitaltechnik zurückziehen werde. Ganz im Gegenteil: Man werde sich in Zukunft ausschließlich auf Streaming- und Server-Lösungen konzentrieren. Im Klartext heißt das: man verabschiedet sich von physikalisch-materiellen Tonträgern und setzt komplett auf die reine, als Datenpaket gespeicherte Information.
Verschiebungen
Was das alles mit Hugendubel zu tun hat? Eine ganze Menge. Den seit einem Jahrzehnt stattfindenden Rückgang im Fachbuch suchte man durchaus folgerichtig mit einer Schwerpunktverlagerung in die Bereiche Belletristik, Kinderbuch sowie Besser Leben/Esoterik auszugleichen. Daran angeschlossen die thematisch passenden Non-Book-Produkte: Papeterie, Spielzeug, Wellness-Zubehör. In jüngster Zeit wird der DVD- und CD-Bereich ausgeweitet. Aber wie der Seitenblick nach Schottlang gezeigt hat: DVDs und Tonträger haben langfristig keine Zukunft, sie werden irgendwann komplett durch Downloads ersetzt werden.
Laut Marktforschern soll der Anteil des stationären Buchhandels am Gesamtumsatz bis 2015 um 13% zurückgehen. Da aufgrund langfristiger Mietverträge die Flächen weiter bewirtschaftet werden müssen,
galt die Ausweitung des Non-Book-Sektors als Ausweg. Dies kann aber nur eine Übergangslösung sein.
In dieser Übergangszeit versucht man, sich als Medienkaufhaus zu profilieren. Wenn dann der Content vom Kunden nicht mehr als materielles Buch, sondern als Download gekauft wird, hofft man, seine Schäfchen im Internet ins Trockene gebracht zu haben. Für den stationären Buchhandel in den Filialen kündigt sich ein düsteres Szenario an: der Einbruch im Fachbuchsektor wird sich durch das E-Book verstärken und auf den Belletristik-Sektor übergreifen. Umsatzverschiebungen ins Internet ziehen Flächenreduzierungen nach sich.
Das wiederum bedeuten einen weiteren massiven Arbeitsplatzabbau.
Adieu Kernkompetenz ?
Während in der Branchenpresse die Zukunft des Buchhandels primär in der Stärkung der Kernkompetenz gesehen wird, geht die DBH einen anderen Weg: Ersetzung von BuchhändlerInnen durch Selbstbedienungsterminals, Verflachung des Angebots, Konzentration auf den Online-Shop, mehr Non-Books. Die Anzahl an aus China stammendem Wegwerfplastik nimmt überhand. Erboste Reaktionen ehemaliger Stammkunden haben viele von uns Buchhändler/innen direkt im Laden erleben müssen. Aber auch im Internet in Unternehmensbewertung-Foren steht schon einiges geschrieben.
Enttäuschte Buchkäufer/innen werden nicht zu begeisterten Plastik-steht-in-der-Ecke-rum-und-sieht-gut-aus-Käufer/innen. Sie wandern ab und lassen ihr Geld bei der Konkurrenz oder im Internet. In Zukunft wird bei Hugendubel ein noch höheres Augenmerk auf Nichtbücher gelegt werden. Großflächen lassen sich damit aber auch nicht mehr finanzieren. Für die neue Strategie sind laut Herrn Nitz Flächen zwischen 700 und 1500 Quadratmeter passend. Was mit den bestehenden größeren Flächen passieren wird, wissen wir ja nun schon. Sie werden nach und nach geschlossen. Ferner ist die Zukunft ungewiss, wo soll man ein Unternehmen in 10 Jahren sehen, wenn es seine eigentliche Kernkompetenz für nicht mehr wichtig erachtet.
Hugendubel wandelt sich von Buchhandlung zur Nichtbuchhandlung, oder wie es so schön heißt: Gemischtwarenhandel.
Ich finde kein "Unternehmensbewertungsforum" in dem was über hugendubel steht. Gibts da einen Link dazu?
AntwortenLöschenwww.qype.de
AntwortenLöschenZ.B. Filiale Tauentzien
Wenn ich eine Buchhandlung betrete, tue ich dies mit der Motivation, ein Buch erwerben zu wollen. Sagt ja auch eigentlich die Bezeichung Buchhandlung aus. Im Erdgeschoss dieser Hugendubel-Filiale könnte dieses Vorhaben zu Schwierigkeiten führen, da hier auf nahezu kompletter Fläche allmöglich erdenklicher Krempel feilgeboten wird.
Wenn ich 20g Tafeln Trostschokolade für elfundzwanzig Euro brauche, gehe ich zu Hussel. Wenn ich geil auf Gelstifte bin, lasse ich sie mir bei Mc Paper - nach dem Kauf von Stehsammlern - andrehen. Wenn ich Kinderspielzeug benötige, suche ich ein Geschäft mit entsprechendem Sortiment auf. Wenn ich Schneekugeln, musikspielende Rentiere oder tanzende Weihnachtsmänner mein Eigen nennen möchte, klapper ich Nanu Nanu oder ähnliche Krims-Krams-Läden ab. Aber sicherlich gehe ich nicht in eine Buchhandlung, um all diesen Plunder erwerben zu wollen.
Die nahe am Eingang gelegene Rolltreppe bringt den Bücherwurm dann auch schnell in die erste Etage, weshalb man lediglich mit gutem Auge all dieses Gedöhns wahrnehmen kann. Wenn wir schon bei "gutem Auge" sind, darf der Thilo-Schrein nicht unerwähnt bleiben. Griffbereit im ersten Stock am Ende der Rolltreppe befindet sich - opulent aufgebahrt - der Kassenschlager des Thilo Taktlos , der sich sicherlich kaum vor Einladungen zum "Jahresrückblick 2010" bei Jauch, Kerner, Lanz, und wie die ganzen Traumschwiegersöhne nicht noch alle heißen, schützen kann.
Dem Kopftuchmädchen-Kumpel keine weitere Beachtung geschenkt, fiel mein Blick auf die Lachsbagel fressenden und Latte Macchiato schlürfenden Besucher des hauseigenen Cafés. Die Mischung des ansässigen Publikums ist 'ne Wucht. Entweder sitzen hier benannte Humanoide, die so wild mit ihrem IPhone fuchteln, dass der Low-Fat-Frischkäse unterm Lachs vom Bagel rutscht. Passend zum hypermodernen Telebimmel wird selbstverständlich eine IBrille (DDR-Kassengestell ohne Sehstärke) getragen. Oder aber wir erleben die Buchhandlungsschmarotzer, die ein Buch in aller Ruhe auslesen, jedoch niemals auf die Idee eines käuflichen Erwerbs kommen würden.
Die Auswahl mag wirklich nicht schlecht sein. Bei genauerer Betrachtung sucht man aber vergeblich nach spezielleren Werken. Ist ja auch viel sinnvoller, Stieg Larsson, Ken Follett und Stephenie Meyer den Platz eines Fußballfeldes zu überlassen.
Genauso mau verhält es sich im 2. Stockwerk. Die Ecke für filmtheoretische Literatur ist ein Witz und eher ein Brettchen als eine Ecke. Ja, ich weiß. Bücher lassen sich auch bestellen, aber ich finde es mittlerweile nervig, dass meine gewünschten Werke nie verfügbar sind.
Da wundert es mich nicht, dass immer mehr Menschen aus meinem Bekanntenkreis ausschließlich bei Amazon bestellen. Spart kostbare Zeit und Nerven.
Dennoch werde ich weiterhin Buchhandlungen aufsuchen. Auch wenn es nur der verlockenden Trostschokolade oder dem Beobachten der IMenschen geschuldet ist.
Also für mich klingts eher danach, als suche der Typ eine Bibliothek als eine Buchhandlung...
AntwortenLöschen@10:30
AntwortenLöschenSehr nett und auch witzig beschrieben.
Nonbook Artikel stören mich an sich nicht, die kann man einfach ignorieren. Keiner wird gezwungen sie zu kaufen.
Nach speziellen Werken bzw. unbekannteren Autoren sucht man auch in den Münchner Filialen vergeblich....Da heißt´s bestellen und eine Woche warten.
Der Hinweis auf die HiFi-Branche ist interessant, z.B. Saturn Hansa: vom Angebot her ein Gemischtwarenladen, mangelhafte Beratung, zu spät auf das Internet gesetzt,ganz abgesehen davon, daß man wie die Schwesterfirma Media Markt gewerkschaftsfeindlich auftritt.
AntwortenLöschenIm HiFi-Bereich zeigt sich die zukünftige Entwicklung: Online wird über den Preis verkauft, in kompetenten Fachgeschäften über die Beratung. Massenmärkte dazwischen werden aufgerieben. SaturnHansa plant derzeit Massenentlassungen.