Montag, 6. Juni 2011

Die Zukunft von Hugendubel (4): Standort(e) Berlin?

Eines kann man der DBH-Führung nicht vorwerfen:  dass sie bei der Umstrukturierung des Konzerns viel Zeit verliert. Wohltat wird zerschlagen, die Berliner Wohltat-Filialen mit ungewissem Ausgang auf den Markt geworfen, der Rest unter den Labeln Jokers und Weltbildplus in´s Imperium reintegriert. Wetzlar wird - wie absehbar gewesen - dichtgemacht, Kassel-Citypoint trotz gegenteiliger Beteuerungen auch. Interessant wird der Fall TAU werden. Man wird gespannt verfolgen, ob sich hier ein Fall Nürnberg/Ludwigsplatz II ankündigt. Wir geben im folgenden einen kurzen Überblick auf Lage und Aussichten der Standorte in Berlin.
 
 
Hugendubel TAU

Der Mietvertrag am Tauentzien läuft im März 2012 aus, die GL bemüht sich angeblich um eine Alternative, wie in Nürnberg. Doch der Gewerbeimmobilienmarkt ist hart umkämpft, vor allem nach der Renovierung des Kurfürstendammes und die damit verbundene Attraktivitätssteigerung der dortigen Flächen passen nicht zu den Mietpreisvorstellungen unserer Geschäftsleitung. Der Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße ergeben die teuerste Einkaufsmeile Berlins. Bis 2009 sind die Mietpreise dort für Einzelhandelsflächen jährlich im Schnitt um 5-7% gestiegen. Derzeit müssen Spitzenmieten (Erdgeschoss 1-A Lage) am Ku’damm und TAU von 220€ pro qm im Monat bezahlt werden. Hugendubel profitiert derzeit noch von einem alten Mietvertrag. Laut unserem Regionalleiter wird der Tauentzien am jetzigen Standort definitiv nicht mehr in der heutigen Form weitergeführt werden, die Geschäftsleitung stellt sich zukünftig eine Fläche von 700-1000qm vor. Selbst 700 qm würden in einer „schlechteren“ 1-A Lage rund 200 pro qm im Monat kosten: Daraus ergibt sich eine monatliche Miete von 140.000€. Ein Fortbestehen ist daher sehr unwahrscheinlich! Auf Grund einer Mehrzahl von noch offenen Elternzeitrückkehrern und der laut GL ausgereizten Personalsituation anderer Berliner Filialen, ist eine hohe Anzahl an Kündigungen sehr wahrscheinlich.


Hugendubel PPL

Der Mietvertrag der Filiale in den Potsdamer Platz Arcaden läuft ein Jahr später aus. Diese Filiale macht seit mehreren Jahren schlechte Umsätze, was einerseits der zu großen Verkaufsfläche und dem schlechten Standort innerhalb der Arcaden, andererseits der Verschiebung der Kaufkraft zum Alexanderplatz geschuldet ist.

Wenn die Filiale weiterbesteht, dann nur mit stark reduzierter Fläche, auch hier würden dann wieder Kündigungen anstehen.


Hugendubel NKL

Die heruntergekommene Filiale in den Neukölln Arcaden ist einfach nur traurig. Derzeit findet nur auf der halben Fläche ein Betrieb statt, die andere Hälfte wurde abgehangen. Diese Filiale wartet seit 3 Jahren auf einen versprochenen Umzug, welcher nie stattfand, da ein kanadischer Investor des Centers den fertigen Mietvertrag nicht unterschreiben wollte. Plan B? Nein. Die Filiale macht für ihre Verhältnisse ganz gute Umsätze, aber auf Kosten des Personals, was bisher hauptsächlich aus Azubis bestand.


Hugendubel WIL

Die Filiale in der Wilmersdorfer Straße (Fußgängerzone) hat ständig Personalprobleme. Kollegen und Kolleginnen aus anderen Filialen müssen aushelfen um den Geschäftsbetrieb irgendwie aufrecht zu erhalten. Die Umsatzentwicklung ist bis 2008 gut gewesen, allerdings blieb sie dennoch stark hinter den Erwartungen zurück, daher wurden auch hier Kündigungen ausgesprochen. Problem bei dieser Filiale sind die signifikant hohen Mietkosten. Die Filiale eröffnete im April 2004, bei einem gängigen Gewerbemietvertrag läuft dieser mit der Option auf fünfjährige Verlängerung 2014 aus. Eine Verlängerung ist auf Grund der aktuellen Umsatzentwicklungen in 2010 und 2011 sehr fraglich.


Hugendubel STE

Die Filiale in der Steglitzer Schloßstraße ist zur Zeit noch die erfolgreichste Filiale in Berlin. Der Mietvertrag wurde im Herbst letzten Jahres um weitere 5 Jahre verlängert. Die marode Innenarchitektur ist allerdings keine gute Grundvoraussetzung, denn im April 2012 eröffnet auf der anderen Straßenseite das Einkaufszentrum „Boulevard Berlin“ mit 76.000 qm Verkaufsfläche. Sollte dort eine Buchhandlung einziehen, sieht es düster aus.


Hugendubel POT

Die Filiale in Potsdam hat am meisten Potenzial, im Herbst letzten Jahres komplett umgebaut und renoviert ist Hugendubel die modernste und größte Buchhandlung in Potsdam. Der Mietvertrag wurde mit dem Umbau verlängert.


Wohlthat’sche Buchhandlungen

Was für eine Nachricht, die Berliner Filialen der Wohlthat’schen werden ausgegliedert und verkauft. Selbstverständlich wird schnell beruhigt, da alle Mitarbeiter/innen in die neue GmbH übernommen werden sollen, doch zu welchen Bedingungen? Und was passiert wenn die DBH keinen Käufer findet? Dann bleibt nur die Betriebsschließung!

Aber warum will die Geschäftsleitung nun ausgerechnet die Wohlthäter los werden?

Ganz einfach: Weil die Mitarbeiter sich nicht alles gefallen lassen. Sie wählten einen Betriebsrat und streikten zusammen mit ver.di gegen das Lohndumpingkonstrukt der DBH. Investitionen haben seitens der DBH nie stattgefunden, zwar wurde Wohlthat erst mit Krediten und später mit der 100% Eingliederung in die DBH gerettet, in die Läden an sich ging allerdings kein Cent. Viele der kleinen Flächen verkommen, siehe z.B. am Alexanderplatz, welcher eine sehr gute Lage aber eine extrem zerschossene Innenarchitektur hat.


Die DBH-Strategie für Berlin im Kontext

Wie eingangs erwähnt, läuft der Mietvertrag für die Filiale Tauentzien Ende März 2012 aus, d.h. in weniger als zehn Monaten. Ob die Filiale, das Flaggschiff von Hugendubel am Standort Berlin, ganz oder in reduzierter Form weitergeführt wird, ist unbekannt. Laut Aussage von Nitz wird nach einer Alternativ-Immobilie gesucht. Man kennt dieses Statement bereits von Nürnberg und hat kein gutes Gefühl dabei.

Zehn Monate Planungshorizont ist für eine Filiale in dieser Größe eine verdammt kurze Zeit, vor allem, weil man den Termin des auslaufenden Mietvertrages ja schon seit Jahren kennt. Man hat auch deswegen kein gutes Gefühl, weil es hier um eine ganz andere personelle Größenordnung als in Kassel, Wetzlar oder am Salvatorplatz in München geht, das ebenfalls 2012 geschlossen werden wird. Es wird, wenn es zur Schließung kommen sollte, ein ganz schmerzhafter Cut werden, der nicht durch eine Verteilung des vorhandenen Personals auf andere hauptstädtische Standorte abgefangen werden kann. Da in TAU auch viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten, die schon lange bei der Firma sind,  ist das Gehaltsniveau auch höher als in neueröffneten Filialen, die Kosten einer Schließung würden deutlich höher als andernorts ausfallen. 

Vielleicht ist auch dies ein Grund für den hartnäckigen Widerstand gegen den Abschluß eines Sozialtarifvertrages. Es sieht ganz danach aus, dass die GL nach vermeintlich bewährtem Rezept verfahren will:  das Personal mit der Hoffnung auf einen neuen (Alternativ-) Mietvertrag beruhigen und hinhalten, für Ruhe im Weihnachtsgeschäft sorgen und dann im letztmöglichen Moment die Karten auf den Tisch legen. Wie hier vor einiger Zeit in einem Kommentar schon mal angemerkt: man kann diese Nummer ein, zweimal erfolgreich praktizieren - aber nicht ewig.

Der Letzte macht also das Licht aus?

Wir fordern hiermit die GL auf, endlich die betroffenen Kolleginnen und Kollegen über ihre Zukunft im Unternehmen Hugendubel aufzuklären!

"Wir sind die Star Alliance"

"Vielfalt wird dadurch gesichert", sagte Nina Hugendubel nach der DBH-Gründung in einem Interview mit dem Magazin Cicero, "dass die einzelnen Marken bestehen bleiben. Auch die eigenen Geschäftsführungen unserer Partner bleiben erhalten. Das Ziel ist nicht, alles zu vereinheitlichen und überall Hugendubel drüberzuschreiben. Die Buchhandlungen des Verbundes sollen sehr regional, sehr individuell, ihrer bestehenden Marke entsprechend agieren können." Und Maximilian Hugendubel ergänzte: " Wir verstehen die DBH Buchhandelsholding als ein Partnerschaftsmodell, wir sind sozusagen die Star Alliance des Buchhandels."

Für die Kolleginnen und Kollegen von Wohltat-Berlin und aus den eventuell anderen betroffenen oder gefährdeten Hugendubel-Filialen mögen diese Sätze wie der pure Zynismus klingen. In einem Punkt könnte sich Nina Hugendubel getäuscht haben - nämlich daß nicht "überall Hugendubel", sondern in einigen Jahren vermutlich "Weltbild" draufstehen wird.

Wir, alle Beschäftigen an allen DBH-Standorten, sollten unsere eigene Alliance bilden:
entschlossen, solidarisch, kämpferisch!

United we stand, divided we fall.

10 Kommentare:

  1. Sehr guter und wichtiger Beitrag.
    Jetzt ist allerhöchste Zeit zum Handeln.
    STV für die Star-Alliance!

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  2. Sehr informativer Artikel! Bravo!

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  3. Gute Zustandsbeschreibung!
    Unverständlich ist für mich, wie wenig die GL und die Regionalleitung getan haben, um sich am "umkämpften" Buchhandel in Berlin zu behaupten. Früher hat man bei jeder sich bietenden Gelegenheit stolz auf die "Marktführerschaft" in der Hauptstadt hingewiesen! Was ist geschehen bzw. nicht geschehen in den letzten Jahren, wer ist verantwortlich für die Stagnation?

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  4. Danke für diesen Artikel! Er stellt die Situation in den Berliner Filialen sehr gut da. Allerdings hat man beim Lesen weiterhin das Gefühl, dass sich Hugendubel, bis auf KaDeWe, Karstadt am Hermannplatz und POT aus Berlin zurückziehen will bzw. wird. Auch wenn dies vehement von der GL verneint wird.

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  5. Es ist doch alles nur noch zum Kotzen....Wie man die Belegschaft seit Jahren hinhält(weniger freundlich wäre vera....). Wie man die Filialen in den Dreck reitet....mit rosa Plastikspielzeug aus China, Räucherstäbchen etc....was man in schönstem "Neusprech" in den (selten gewordenen) Informationen für die Belegschaft wie ausdrückt...
    Ja, klar, kämpfen wir, streiken wir für einen STV---mehr Geld werden wir nie wieder sehen, fürchte ich, wenn wir denn in Berlin bleiben wollen bzw. nicht flexibel genug sind, sonstwohin zu ziehen der Arbeit wegen. Arm, aber sexy-ja, das ist Berlin. Ich wünsche uns allen viel Spaß, Sexyness und vor allem Glück.

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  6. Vielen Dank für diese ungeschminkte Darstellung der Situation in Berlin! Spätestens seit der GL-Info von letzter Woche sind viele Kollegen hier doch ziemlich beunruhigt. Die Erinnerung an die Kündigungswelle vor zwei Jahren ist noch frisch.

    Für Leser von außerhalb noch als Ergänzung: Es gibt in der Berliner Innenstadt zwei Buchhandelsgroßflächen (Dussmann, Thalia am Alexanderplatz), die, was Optik und Einrichtung betrifft, den meisten Hugendubel-Filialen und vor allem unserem ehemaligen Aushängeschild am Tauentzien haushoch überlegen sind. Die Kunden können vergleichen, und die beschriebenen Mängel (ausbleibende Investitionen in Möbel und Ausstattung der Läden, jahrelanges Verschieben von Umbaumaßnahmen, ständige Personalknappheit) sind auch für sie schon lange offensichtlich.

    Als Berliner Mitarbeiter frage ich mich, wie ernst es der GL mit dem Festhalten am Standort Berlin ist, sollte erstmal das Ex-Flaggschiff Tauentzien abgewickelt sein. Falls Hugendubel sich komplett vom Tauentzien zurückzieht, könnte dieser als Standort für die Konkurrenz attraktiv werden und Hugendubel würde weitere Umsatzeinbußen erleiden. Würde es unter solchen Umständen überhaupt noch Sinn machen, Verwaltung und Logistik für die Region Nordost zu finanzieren - oder wäre es nicht profitabler, sich ganz auf das Kerngeschäft in Süddeutschland und die Internetschiene zu konzentrieren?

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  7. Es berichten buchreport.de und boersenblatt.net

    http://www.buchreport.de/nachrichten/handel/handel_nachricht/datum/2011/06/07/berliner-backpfeefe.htm

    http://www.boersenblatt.net/445771/

    Nett, laut Börsenblatt will Nitz allen MA alternative Stellen im Unternehmen anbieten...
    Nur eigenartig, dass wir Berliner über Kündigungen informiert wurden und es laut GL bisher nur noch nicht feststeht, ob regional in ganz Berlin oder nur in der Filiale TAU gekündigt wird...

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  8. Kleine Korrektur: 2009 war die Wilmersdorfer Str. nicht von der Betriebsänderung betroffen, es wurde dort also niemandem gekündigt.

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  9. Toll, wie gut der Buchreport doch vom Blog abschreiben kann. Aber Guttenberg hats vorgemacht. Abschreiben scheint ja mittlerweile salonfähig zu werden.
    Aber jetzt mal zur Sache (Artikel im Börsenblatt): Den betroffenen Kollegen und Kolleginnen vom TAU wurde in der Inforunde nicht mitgeteilt, dass ihnen andere Stellen in der DBH in Berlin angeboten werden sollen (sollte es so sein, ist die Frage, zu welchen schlechten Konditionen). Wird so etwas mal wieder nur der gewogenen Presse mitgeteilt??
    Da fühlt man sich doch (mal wieder) echt verschaukelt!
    An die Redaktion des Börsenblattes: Woher haben Sie diese Infos? Und wann wurde dies von T.Nitz so dargestellt?

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  10. @Büchermensch:
    Bei der Einzelhandelssituation in Berlin kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mitbewerber in die durch einen Rückzug von Hugendubel nicht wirklich entstehende Lücke stößt...Schlossstraße und Boulevard Berlin: Wir gehen nicht rein, Thalia ziemlich sicher nicht.... Ach ja Dussmanns meldet für das vergangene Geschäftsjahr stagnierende Umsätze Und wenn Gerüchte stimmen, die man aus Thaliakollegenkreisen hört, gibt es bei Thalia eine sehr große Unzufriedenheit mit dem Standort Berlin. Gut die Thalia-Alexiafiliale ist fast wie neu, das Thaliakonzept ansich allerdings bräuchte mindestenst so dringend einen Relaunch wie die meisten Hugendubelfilialen eine Renovierung. Kann mir nicht vorstellen, daß eine Filiale mit einem solchen Zuschnitt wie die im Alexa Thaliacontrollerinnen wirklich Freude macht. Aber leider sind die Kollegen bei Thalia deutlich handzahmer als die unseren (zumindest diejenigen, die den Blog machen)und so werden wir es wahrscheinlich nie erfahren.....
    Mir tut es sehr leid um die KollegInnen am Tauentzin, aber letztendlich wird man davon ausgehen müssen das diese Schliessung nur ein weiterer Schritt hin auf das Ende großer Buchhandelsflächen ist. Und für dieses Ende wird es egal sein ob Thalia, Hugendubel oder Weltbild über den Läden steht.

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