Ressourcenpolitik im Buchkonzern
Betrachtet man die Entwicklung des Unternehmens Hugendubel in den letzten drei Jahrzehnten, so lassen sich zwei Phasen unterscheiden. In den achtziger und neunziger wurde viel Kapital in den Aufbau eines weitverzweigten Filialnetzes und in die berufliche Qualität seiner Angestellten investiert. Getragen wurde diese Expansion durch innovative Buchhandels-Konzepte und die Kaufkraft eines permanent steigenden bzw. stabilen Masssenkonsums. Vor dem Hintergrund ökonomischer Krisen, sinkender Masseneinkommen, veränderten Medienkonsums und des Aufstiegs des Internets lässt sich seit einem Jahrzehnt eine doppelte Verschiebung feststellen.
Zentrum und Peripherie
Die finanziellen Investitionen konzentrieren sich zunehmend auf den Ausbau zentraler Strukturen im Logistik- und IT-Bereich. In den Bereich des stationären Buchhandels fliessen deutlich weniger Gelder. Auslaufende Mietverträge werden zur Reduzierung des Filialnetzes (und des Personals) genutzt. Zugleich erreichen die vom Zentrum ausgehenden Rationalisierungseffekte auch noch die entlegenste Filiale an der Peripherie:
(Teil-)Automatisierung des Einkaufs, Dequalifizierung buchhändlerischer Arbeit, Outsourcing. Ein Prozess, der erst am Anfang steht und der den Beruf des Buchhändlers, zumindest in den großen Ketten, nachhaltig verändern wird.
(Teil-)Automatisierung des Einkaufs, Dequalifizierung buchhändlerischer Arbeit, Outsourcing. Ein Prozess, der erst am Anfang steht und der den Beruf des Buchhändlers, zumindest in den großen Ketten, nachhaltig verändern wird.
Der Gewinn liegt im Einkauf
Die Beziehungen der Akteure untereinander - sowohl in der Buchhandelsbranche wie auch innerhalb der Unternehmens selbst - verändern sich gravierend. Wir wollen dies an zwei Beispielen verdeutlichen.
Beginnen wir mit dem Verhältnis vom Buchhandels-Konzern (ob DBH ,Thalia oder Amazon ist egal) zu den Verlagen. Der Handel fand sich hier schon immer in einer vorteilhafteren Position: Er konnte auswählen, was und wieviel er von der Ware Buch orderte. Da im Buchhandel in früheren Zeiten nie die Konzentration wie in der Lebensmittel-Branche erreicht wurde, konnten die Verlage gegenüber dem Handel ein gewisses Gleichgewicht im Hinblick auf die zu gewährenden Rabatte wahren.
Mit den zunehmenden Konzentrationsprozessen im Handel und der damit aufgebauten Marktmacht einiger weniger Player sowie der (von ihnen geförderten) Tendenz zur Konzentration auf immer weniger Bestseller, die in immer kürzerer Zeit verkauft werden müssen, kippte die Balance. Ausdruck dieses verschobenen Machtverhältnisses ist u.a. die Forderung von Carel Halff (Weltbild) nach noch weitreicherenden Einkaufskonditionen, die (ernstgemeinte) Idee von Michael Busch (Thalia) nach Kostenbeteiligung von Verlagen bei der Anschaffung neuer Rolltreppen in Thalia-Filialen oder dem (ernstgemeinten) Vorschlag von Maximilian Hugendubel an die Verlage, doch nur noch verkäufliche Bücher zu produzieren.
Humanressource als Kapitalressource
Der veränderte ökonomisch-technische Gesamtrahmen betrifft aber nicht nur das äussere Verhältnis von Handelskonzern zum Buchverlag, sondern auch das innere Verhältnis von Management (DBH, Thalia oder Amazon sind auch hier wieder austauschbar) zum eigenen Personal. Wie bereits erwähnt, sah man in den achtziger und neunziger Jahren das vorhandene Personal als wichtige Ressource für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens an. Deshalb bekam man bei Hugendubel nicht nur eine sehr gute Ausbildung, sondern auch eine sehr gute Bezahlung (TG 3, unbefristeter Arbeitsvertrag) und sehr gute Aufstiegschancen. Abgesehen von diesen monetären Aspekten herrschte in diesem Unternehmen eine angenehme Arbeitsatmosphäre und eine respektvolle Kommunikationskultur. Auch wenn man sich das heute kaum mehr vorstellen kann.
Dann begann - spätestens seit 2003 - ein Wandel in der Strategie erkennbar zu werden. Es war ein - vielleicht zufälliges - Zusammentreffen von Wirtschaftskrise, Firmenproblemen und Generationenwechsel.
Man könnte es als einen Wechsel von der expansionsorientierten Einnahme-Strategie zur kostenreduzierenden Ausgaben-Strategie kennzeichnen.
So wie man die Einkaufskonditionen bei den Verlagen als eine finanzielle Ressource identifizierte, die es durch höhere Rabattforderungen verstärkt auszuschöpfen galt, so entdeckte man die Ausgaben für´s Personal ebenfalls als eine finanzielle Ressource, die man zur Profitsteigerung anzapfen konnte.
Im letzten Jahrzehnt fielen nicht nur der Fahrgeld- und Essensgeldzuschuss weg; durch die neue Hausorganisation wurde das Gehaltsniveau bei Neueinstellungen um eine Stufe gesenkt bei gleichzeitiger Befristung der Arbeitsverträge. Bei dem neuen 2010 abgeschlossenen Manteltarifvertrag entfielen teilweise Zuschläge bei Samstagsarbeit.
Goldene Zitronen
Erzielte man in früheren Zeiten die Profite durch eine Expansion nach aussen (mehr Filialen, mehr Umsatz, mehr Gewinn), so erschliesst man sich in Zeiten der Stagnation den Gewinn durch vermehrte Ausbeutung der inneren Ressourcen (neben Rationalisierung und Zentralisierung ist das eben: Verlagsrabatte, Gehälter). Es ist dies eine Strategie, die von den Lebensmittel-Discountern angesichts Marktsättigung und tradtionell geringer Gewinnmargen im Handel schon seit Jahrzehnten mit brachialer Gewalt gegenüber Zulieferern und Belegschaft angewandt wird.
Ein beruflicher Aufstieg, der diesen Namen verdient, ist innerhalb des DBH-Konzerns eigentlich nur noch im organisatorisch-technischen Bereich des Zentrums möglich mit den Kernkompetenzen BWL und Informatik. Die klassische Karriere vom Buchhändler zum Geschäftsführer wird es wohl nur noch in Ausnahmefällen geben. Und ob ein zukünftiger Karriereposten nach vollständiger Einführung des Malik´schen Zielvereinbarungs-Arsenals - also wo man Gehaltsverluste hinnehmen muss, wenn man nicht das Letzte aus seinen Untergebenen herausgepresst hat - besonders viel Spass macht, darf bezweifelt werden.
Und da es überall so praktiziert wird, wird sich auch niemand darüber aufregen: weder die Manager und Managerinnen (Ausbeutung durch Frauen ist übrigens auch nicht besser), die es nicht anders gewohnt sind - noch die Kolleginnen und Kollegen, die es bald nicht mehr anders kennen werden.
Thin red line
Was tun?
Es ist klar, dass wir als lohnabhängig Beschäftigte in der Buchhandelsbranche in der Defensive sind und dies wohl auch in absehbarer Zukunft bleiben werden. Das heisst aber nicht, dass wir kampflos jede Zumutung hinnehmen müssen. Wir sollten das wenige, was wir noch haben, mit äusserster Entschlossenheit verteidigen. Das ist die thin red line, die nicht überschritten werden darf. Wenn es durch solidarisches Handeln möglich ist, sollten wir unser kleines Territorium noch erweitern, z.B. durch einen Sozialtarifvertrag.
Die Autoritätsgläubigkeit vieler KollegInnen (darunter leider auch viele jüngere KollegInnen - was ist los mit Euch?) hat in den letzten Jahren spürbar nachgelassen und ist eher einer Resignation gewichen. Der GL glaubt man nichts mehr, ist aber auch nicht bereit, etwas zu tun. Man vertraut auf seinen Bestandschutz, interessiert sich nicht für die (schlechteren) Arbeitsbedingungen der KollegInnen und spart sich den Gewerkschaftsbeitrag. Diese Passivität muss aber überwunden werden, wenn wir wieder in die Offensive kommen wollen.
Dem Betriebsrat, egal ob in München, Frankfurt oder ganz besonders jetzt in Berlin, fällt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Ihr seid gewählt worden, um die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu vertreten.
Weil die Interessen der Kapitaleigner und die der lohnabhängig Beschäftigten nun mal nicht dieselben sind, trotz aller Sozialpartnerschafts-Rhetorik, bedeutet das Konflikt und Konfrontation. Wer das nicht aushalten kann, sollte nicht als Betriebsrätin/Betriebsrat antreten! If you can´t stand the heat get out of the kitchen!
Unsere einzige Waffe ist die Solidarität.
Die Erklärung der Kolleginnen und Kollegen von Thalia ist ein sehr ermutigendes Zeichen.
Was tun?
Es ist klar, dass wir als lohnabhängig Beschäftigte in der Buchhandelsbranche in der Defensive sind und dies wohl auch in absehbarer Zukunft bleiben werden. Das heisst aber nicht, dass wir kampflos jede Zumutung hinnehmen müssen. Wir sollten das wenige, was wir noch haben, mit äusserster Entschlossenheit verteidigen. Das ist die thin red line, die nicht überschritten werden darf. Wenn es durch solidarisches Handeln möglich ist, sollten wir unser kleines Territorium noch erweitern, z.B. durch einen Sozialtarifvertrag.
Die Autoritätsgläubigkeit vieler KollegInnen (darunter leider auch viele jüngere KollegInnen - was ist los mit Euch?) hat in den letzten Jahren spürbar nachgelassen und ist eher einer Resignation gewichen. Der GL glaubt man nichts mehr, ist aber auch nicht bereit, etwas zu tun. Man vertraut auf seinen Bestandschutz, interessiert sich nicht für die (schlechteren) Arbeitsbedingungen der KollegInnen und spart sich den Gewerkschaftsbeitrag. Diese Passivität muss aber überwunden werden, wenn wir wieder in die Offensive kommen wollen.
Dem Betriebsrat, egal ob in München, Frankfurt oder ganz besonders jetzt in Berlin, fällt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Ihr seid gewählt worden, um die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu vertreten.
Weil die Interessen der Kapitaleigner und die der lohnabhängig Beschäftigten nun mal nicht dieselben sind, trotz aller Sozialpartnerschafts-Rhetorik, bedeutet das Konflikt und Konfrontation. Wer das nicht aushalten kann, sollte nicht als Betriebsrätin/Betriebsrat antreten! If you can´t stand the heat get out of the kitchen!
Unsere einzige Waffe ist die Solidarität.
Die Erklärung der Kolleginnen und Kollegen von Thalia ist ein sehr ermutigendes Zeichen.
Was tun?
Zusammen kämpfen!
Na dann endlich mal Butter bei de Fische! Ich lese und lese und lese immer nur Worte! Aber passiert auch mal was? Nein! Und die Zeit vergeht und vergeht, Filiale um Filiale wird geschlossen und Maßnahme um Maßnahme wird von der GL durchgeführt. Erst wenn sich einer hinstellt und anfängt, werden sich andere dazu stellen! In dem Beitrag werden Betriebsräte kritisiert. Bisher habe ich von KEINEM Betriebsrat gesehen, dass er den Anfang macht! Erst wenn eine deutschlandweite Gesamtbetriebsversammlung organisiert wird, über ein Forderungskatalog abgestimmt wird und eine Bewegung entsteht - dann glaube ich auch daran, dass der Großteil was verändern will. Aber dazu braucht es eine Führungsperson. Und Buchhändler sind in der Regel intellektuelle Einzelgänger...
AntwortenLöschenDanke für den Artikel! Aber, ehrlich gesagt, glaube ich, daß diese ganze kämpferische Rhetorik an der Realität vorbeigeht. Leider!
AntwortenLöschenIch arbeite selbst in einer Berliner Filiale. Nirgendwo haben sich die Arbeitsbedingungen wohl so drastisch verschlechtert wie in unserer Region. Tatsache ist: Die meisten Kollegen haben sich damit abgefunden und sind nur noch froh, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten. Die Stimmung ist nicht kämpferisch, sondern resigniert. Manche haben nach der Info zur Tauentzien-Schließung angefangen, sich nach einem neuen Job umzusehen. Die meisten warten einfach ab oder klammern sich an die Ankündigung der GL, nach einem anderen Ladenstandort zu suchen.
Viele Kollegen sind mittlerweile ziemlich lange dabei (die meisten jüngeren wurden ja entlassen bzw. als ausgelernte Azubis nicht übernommen). Trotz der ganzen Entwicklung zum Negativen und trotz aller Unsicherheit fühlen sie sich nach meinem Eindruck immer noch häufig der Firma gegenüber loyal. Keine gute Voraussetzung für großangelegte Streikvorhaben...
Außerdem hat sich schon lange die Überzeugung breitgemacht, die GL macht sowieso was sie will und setzt sich am Ende immer durch, ohne sich groß um die Situation in Berlin zu kümmern. Von der Firmenstrategie über Werbemaßnahmen bis zur detaillierten Sortimentsgestaltung wird alles in München entschieden - wieso also sollte es bei unseren Arbeitsbedingungen anders laufen?
Der Berliner Betriebsrat ist ein getreues Spiegelbild der Belegschaft. Er wirkt auf mich nicht besonders streitbar, sondern eher überfordert, mit der Situation umzugehen. Einige Mitglieder (nicht alle!) sind so passiv, daß man sich fragt, was sie das ganze Jahr über treiben; es fiele wahrscheinlich nicht auf, würde man sie bei der nächsten Betriebsversammlung durch einen Bücherstapel ersetzen. Bei anderen hat man den Eindruck, sie sehen ihre Aufgabe nur noch darin, um Verständnis für die GL zu werben und deren Entscheidungen umzusetzen. Aber der Betriebsrat wurde demokratisch gewählt und ist im wahrsten Sinne des Wortes unser repräsentatives Organ.
Nein, eher eröffnet Herr Halff 50 neue Weltbild-Filialen, als daß sich in Berlin eine "Bewegung" bildet oder irgendeine wirkungsvolle Gegenwehr stattfindet.
Allen Widrigkeiten der "Realität" zum Trotz: Alle diejenigen, bei denen das nicht so ist wie vom "Realisten" gerade beschrieben (ob in Berlin oder München oder sonstwo): Tut Euch jetzt zusammen, und tretet bei dieser Gelegenheit Euren unmöglichen "Bücherstapel"-Betriebsräten richtig schmerzhaft auf die Füße. Denn wir können was bewirken und wir werden die GL unter Zugzwang setzen; nur müssen wir das auch tun (und nicht dauernd auf die vielen anderen gucken, die tatsächlich gar nichts tun)!
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