Volle Arbeitnehmerfreizügigkeit seit dem 1. Mai
1. Mai: auch in Deutschland können Arbeitskräfte aus acht osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten ohne Beschränkung Jobs suchen. Damit gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen und die Slowakei. Österreich und Deutschland sind die letzten EU-Staaten, die Zugangsbeschränkungen zu ihren Arbeitsmärkten aufheben.
Wie viele Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit nutzen werden, ist schwer vorherzusagen. Viele haben schon vor Jahren EU-weit etwa in Großbritannien, Irland oder Schweden ihre Chance gesucht – im Schnitt 250.000 pro Jahr. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt, dass 2011 bis zu 140.000 nach Deutschland kommen könnten. Tendenz anschließend fallend. Die Zuwanderung würde so vorerst wieder das Niveau von vor zehn Jahren erreichen.
In einigen Branchen könnte der Lohndruck aber steigen: Dort, wo ohnehin schlecht bezahlt wird, weil bisher keine schützenden Mindestlöhne durchgesetzt werden konnten, etwa im Gastgewerbe oder Handel. Unternehmen werden versuchen, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen und schlechte Arbeitsbedingungen für noch weniger Geld bieten.
Die Bundesregierung hat die Übergangsfrist nicht genutzt um für Schutz zu sorgen. In fast allen Ländern Europas ist der Mindestlohn für Einheimische wie Zuwanderer eine untere Haltelinie. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde auch bei uns Lohndumping entgegenwirken. Zusätzlich muss für alle Beschäftigten in Europa gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Der Bundesvorstand des DGB fordert eine sozial und gerecht gestaltete Umsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit
Mit Sorge nimmt er zur Kenntnis, dass bislang keine ausreichenden Vorkehrungen zur Verhinderung von Lohndumping und zum Schutz von einheimischen wie aus den MOE-Ländern (mittel- und osteuropäische Länder) zuwandernden oder entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getroffen wurden.
Angesichts der zu erwartenden Auswirkungen aufgrund der Herstellung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit auch in bisher beschränkten Branchen und aufgrund der Erfahrungen mit der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie ist vor allem eine Zunahme der prekären Beschäftigungsverhältnisse zu erwarten. Erforderlich sind insbesondere Maßnahmen zur Verhinderung von Lohndumping und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen.
Nicht ausreichend ist die Aufnahme einzelner Branchen in das Entsendegesetz sowie die Ankündigung der Schaffung einer Lohnuntergrenze in der Leiharbeit. Zu erwarten ist, dass es nach der Regelung einer Lohnuntergrenze für die Leiharbeit zu Ausweichreaktionen der Unternehmen kommt und diese verstärkt das Instrument der Werkverträge nutzen. Hierzu gibt es bislang keine die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützenden Regelungen.
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