Montag, 11. November 2013

"Die Pläne der Geschäftsführung werden von Aktionismus bestimmt"

Update zur aktuellen Situation bei Weltbild - Interview mit BR-Berater Klaus Warbruck

Bei Weltbild in Augsburg überschlagen sich die Ereignisse. Nachdem 140 Kolleginnen im Costumer Care Center (CCC) rausgeworfen werden, heuerte man den "Sanierungs-Experten" Josef Schultheis an, der vorher bereits bei Karstadt, Alpine (Insolvenz) und Praktiker (Insolvenz) tätig war. Für den Job bei Praktiker kassierte Schultheis 985.000 EUR ab. Sein offizieller Titel bei Weltbild: "Chief Restructuring Officer (CRO)". Was Halff und Beer im Konzern noch zu melden haben, ist unklar. Und nachdem - aus Eigentümer-Kreisen - gestreut wurde, daß Weltbild kurz vor der Insolvenz steht bzw. finanziell klamm ist und einen Finanzbedarf von 70 Millionen hat, sickerte jetzt durch, daß Weltbild seinen 33% Anteil bei www.buecher.de auf 66% aufstockt. "Absurdes Theater" nannte dies ver.di-Gewerkschaftssekretär Thomas Gürlebeck.

Wir bringen hier einen Überblick auf die aktuelle Lage sowie ein Interview mit dem BR-Berater Klaus Warbruck, das unsere KollegInnen des Weltbild-Verdi-Infoblogs geführt haben.

WELTBILD steckt im größten Umbau seit Bestehen der Verlagsgruppe. Auf der Zielgeraden ist das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Jetzt machen die katholischen Gesellschafter Druck auf die Geschäftsführung. Carel Halff und Dr. Martin Beer fällt in dieser Situation wenig ein: Sie setzen einseitig auf Kostensenkung und Personalabbau. Alles andere geht weiter wie gehabt.

Der Betriebsrat setzt dagegen auf einen Optimierungsprozess unter Beteiligung der MitarbeiterInnen. Sie wollen mitreden und mitentscheiden, wie es in Zukunft weitergeht. Um die Beteiligungsrechte der Beschäftigten durchzusetzen, hat der Betriebsrat einen externen Berater hinzugezogen, der das Gremium mit betriebswirtschaftlichem und juristischem Sachverstand unterstützt. Die Blog-Redaktion hat Klaus Warbruck von www.brconsult.de zum Interview eingeladen.


Was sind deine Aufgaben in den nächsten Wochen?

Der Betriebsrat hat entsprechend den betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten beschlossen, mich für die jetzt anstehenden Interessenausgleichsverhandlungen als Sachverständigen zuzuziehen.

Wir haben im Verhandlungsteam – dazu gehören neben den BR-Vertretern auch noch Rechtsanwalt Michael Huber und ver.di Sekretär Thomas Gürlebeck – zunächst anhand der vorliegenden Unterlagen (Jahresabschlüsse, Präsentationen zur geplanten Reorganisation,…) die Ausgangslage für die Verhandlungen analysiert.

Meine Aufgabe bestand darin, diese Bestandsaufnahme in ein Positionspapier zu überführen, das als Grundlage für den ersten Meinungsaustausch am 14.10.2013 dienen sollte.

Ansonsten ist die Informationslage noch sehr rudimentär und aus Sicht der Interessenvertretung für eine qualifizierte Beratung auf keinen Fall ausreichend. Wir haben deshalb weitere Unterlagen angefordert, die im nächsten Schritt beurteilt und ausgewertet werden müssen.

Neben der konkreten Beschreibung der geplanten Veränderungen im CCC brauchen wir vor allem auch Informationen zur wirtschaftlichen Lage der Weltbildgruppe (Wirtschaftsprüfbericht 2012/2013, Fortführungsprognose und kurzfristige Liquiditätsplanung für die nächsten Monate).

Von besonderem Interesse sind außerdem die Arbeitsergebnisse der Unternehmensberatung KPMG, die im Auftrag der Anteilseigner und in Abstimmung mit der Geschäftsführung ein auf zwei Jahre angelegtes Sanierungsgutachten erstellt hat.

Die Unterlagen und die Klärung der offenen Fragen mit der Geschäftsführung liefern den Rahmen für die Positionierung des BR im Interessenausgleich. Das gilt für freie Verhandlungen ebenso, wie für ein eventuell notwendiges Einigungsstellenverfahren.

Wir wollen uns als Verhandlungsteam aber nicht nur auf die Geschäftsführung als Informationsquelle verlassen. Alle von den Restrukturierungsmaßnahmen betroffenen Beschäftigten – aktuell die Mitarbeiter im CCC – sollen aktiv in den laufenden Verhandlungsprozess einbezogen werden. Dazu gehört die schriftliche Abfrage möglicher Verbesserungs- und Optimierungspotentiale genauso, wie die Einrichtung eines Expertenteams, dass die Verhandlungskommission bei der Erarbeitung eines qualifizierten Fortführungskonzeptes für das CCC unterstützen soll.

Meine Aufgabe ist die Sammlung der unterschiedlichen Vorschläge und Anregungen und die Überleitung der Arbeitsergebnisse aus der Mitarbeiterbeteiligung in die Verhandlungsführung.


Kannst du ein bisschen was über dich persönlich erzählen?

Jahrgang 1959. Arbeiterkind aus Duisburg-Walsum, dem die Chance gegeben wurde, Abitur zu machen und zu studieren. Sozialwissenschaften und Betriebswirtschaft. Parallel zum Studium mehrjährige BR-Tätigkeit. Nach dem Studium Assistent im Bildungszentrum Springe des DGB Bildungswerk e.V.. Seither – fast 25 Jahre – gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Genauso lange umfangreiche Beratungstätigkeit/Schulungen für verschiedenste BR-Gremien. Seit 2008 Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der swb AG Bremen. Wohnort: Buchholz in der Nordheide.


Was willst du zusammen mit dem Betriebsrat und der ver.di für die Beschäftigten bei WELTBILD erreichen?

Der Konflikt zwischen Geschäftsführung und Anteilseignern auf der einen und dem BR und ver.di auf der anderen Seite findet auf verschiedenen Handlungsebenen statt. Entsprechend unterschiedlich sind unsere Ziele.

Kurzfristig geht es um die Verhinderung der Fremdvergabe weiterer Leistungen aus der Kundenbetreuung an Dritte und um die Absicherung der 150 Arbeitsplätze im CCC. Hierzu brauchen wir einen Interessenausleich, der die zukünftige Aufteilung der Kundenbetreuung zwischen Eigenleistung und Fremdvergabe regelt und außerdem betriebsbedingte Kündigungen ausschließen soll. Dafür treten wir in den jetzt begonnenen Verhandlungen an.

Das geplante Outsourcing des CCC ist aber nur ein Teil des Kostensenkungspakets der Geschäftsführung. Wir brauchen eine Rahmenvereinbarung die gewährleistet, dass auch alle weiteren Maßnahmen und Teilprojekte vom abzuschließenden Interessenausgleich und Sozialplan erfasst werden. Und das mindestens für die nächsten zwei bis drei Jahre.

Wir sind auf der Arbeitnehmerseite übereinstimmend der Meinung, dass die bloße Abfederung möglicher Nachteile und – soweit das überhaupt durchsetzbar ist – die Verhinderung von Kündigungen insgesamt zu kurz greift.

Weltbild steht in einer existentiellen Krise, die einen grundlegenden Umbau der Unternehmensorganisation und eine strategische Neuausrichtung notwendig macht. Dieser Umbau geht nach unserem Verständnis nur mit den Mitarbeitern und nicht gegen sie. Wir streben einen konstruktiven Dialog mit der Geschäftsführung und den Anteilseignern an, um diesen – notwendigen und unabdingbaren – Umbau gemeinsam zu gestalten. Dafür müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden.


Wie bewertest du die Pläne der Geschäftsführung?

Die Pläne der Geschäftsführung – soweit man zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt von einem Plan reden kann – werden von Aktionismus bestimmt. Den Anteilseignern und der Öffentlichkeit soll Handlungsstärke und Führungswillen demonstriert werden. Die Fremdvergabe des CCC leistet keinen Beitrag zur Sanierung. Dem rechnerischen Einsparvolumen von vielleicht 2 Mio. Euro stehen Sozialplan- und Restrukturierungskosten gegenüber, so dass die Maßnahme frühestens in zwei Jahren einen wirtschaftlichen Effekt hätte.

Auch weitere darüber hinausgehende Kostensenkungsprogramme werden keine Lösung bringen. Schon gar nicht kurzfristig.

Weltbild erlebt eine Umsatzkrise, die sich bei kaum veränderbaren Fixkosten (Gebäude, technische Anlagen, Softwareinvestitionen, Verwaltungsoverhead,…) zu einer existenzbedrohenden Ertrags- und Liquiditätskrise ausgewachsen hat. Der Ausweg liegt in der Stabilisierung bestehender und der Erschließung neuer Geschäftsfelder. Die bestehenden Fixkosten müssen besser ausgelastet und die damit die Produktivität erhöht werden. Nur so lassen sich positive Deckungsbeiträge (sogenannte Skalenerträge) erschließen, die Weltbild nachhaltig wieder rentabel machen können.

Jede Personalmaßnahme wird sich an der Frage messen lassen müssen, wie sich diese Maßnahme auf die Fähigkeit der Weltbildgruppe zur Realisierung von Marktchancen auswirken wird. In dieser Hinsicht ist die Fremdvergabe der Kundenbetreuung an unternehmensfremde Dritte möglicherweise ein fataler Fehler.


Die Verhandlungen stehen ganz am Anfang – wie wird es weitergehen?

Der weitere Gang der Verhandlungen hängt von der Bereitschaft der Geschäftsführung zu einer ergebnisoffenen und konstruktiven Beratung der jeweiligen Themen ab.

Unsere Erwartungen und Ziele habe ich ja schon beschrieben. Wir haben uns bisher nicht auf eine Verfahrensregelung verständigen können. Das heißt aber nicht, dass das nicht noch möglich wäre. Wir sind jedenfalls für zielführende Absprachen über das weitere Verfahren zu haben.

Sollte die Geschäftsführung bei ihrer bisherigen Gangart bleiben, werden die Verhandlungen schwierig.


Was empfiehlst du den MitarbeiterInnen im Bereich CCC?

Dass es in der Organisation des CCC Defizite gibt, wissen alle Beteiligten.

Der Betriebsrat hat sich die Einbeziehung der Beschäftigten in eine systematische Analyse und Bewertung der Schwachstellen auf die Fahne geschrieben. Ziel ist die Beseitigung von Ineffizienzen und die gemeinsame Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen.

Außerdem soll gemeinsam mit den Beschäftigten ausgelotet werden, mit welchen Maßnahmen das CCC einen Beitrag zur besseren Kundenbindung und zur Verbesserung der Wettbewerbssituation von Weltbild leisten kann. Wir nennen das: „Optimierung im Bestand“.

Ziel ist der Erhalt des CCC als wesentlichem Bestandteil einer eigenständigen Kundenbetreuung durch Weltbild. Hierzu möchte ich alle Mitarbeiter herzlich einladen.



Quelle: www.weltbild-verdi.de



1 Kommentar:

  1. Am kommenden Freitag gibt es um eine Solidaritätsaktion vor dem Arbeitsgericht in Augsburg (9.00 Uhr), dort findet in Sachen CCC eine gerichtliche Auseinadersetzung zwischen BR und GL statt.
    Wer in Augsburg wohnt und Zeit hat, bitte hingehen!

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