Donnerstag, 31. Oktober 2013

Hilf dir selbst ...

Eine andere Art des Exorzismus

Die Undercover-Boss-Satire hier im VER.DI-Blog war eine Glanzleistung – und dem Verfasser sei ganz herzlich dafür gedankt. Mir als Katholiken vom etwas älteren Schlag hat selbstverständlich vor allem die Idee gefallen, am Schluss den Erzengel Michael auftreten zu lassen. Dieser wird dort quasi zum Vollstrecker eines göttlichen Strafgerichts: er löst den Interessenkonflikt zwischen Lohnarbeit und Kapital durch Teufelsaustreibung – und dies ist bestimmt keine schlechte literarische Lösung.


Aber an genau dieser Stelle (so weiß gewiss auch der Autor des Undercover-Boss) scheiden sich die Wege zwischen Literatur und Realität. Wenn es in der wirklichen Welt mit dem Arbeitgeber gar nicht mehr klappt, ist eine andere Art des Exorzismus angesagt: jene profanere, prosaischere, popeligere - und völlig engellose - Variante, bei der schrecklich viele Menschen in schicken Westen und mit bunten Fahnen auf der Straße stehen und einen infernalischen Lärm machen.
Deshalb nun ein wichtiger Hinweis für alle, die sich mit der Unterscheidung noch ein wenig schwer tun: im Zweifelsfall lässt sich die zweite Variante von der ersten auf Anhieb einigermaßen zuverlässig daran unterscheiden: dass erstens während der gesamten Veranstaltung so gut wie nie lateinische Gebete gesprochen werden, dass an ihr zweitens - hoffentlich - deutlich mehr Leute teilnehmen und dass drittens die Teilnehmenden insgesamt sehr viel besser gelaunt wirken.


Im Augenblick mag das nach Zukunftsmusik klingen; aber die Dinge können sich teuflisch schnell ändern. Als Mittel, den Dämon der Tariflosigkeit auszutreiben, hat sich jedoch da Rituale Romanum- das muss nach über 2000 Jahren Kirchengeschichte endlich klar gesagt werden - kein bisschen bewährt. (Vielleicht stoßen archangelische und michaelische Kräfte dabei an ihr Limit, weil deren mögliche Kollision mit episkopalen Interessen in der göttlichen Heilsökonomie nicht vorgesehen ist?)


Eine handfeste VER.DI-Mitgliedschaft sowie eine ordentliche Portion Solidarität und gewerkschaftliches Engagement jedenfalls wird garantiert wesentlich wirksamer, nützlicher und hilfreicher sein. Die Welt ist zuweilen einfacher, als manche sie gern hätten. Da heißt es zusammen für uns alle schlicht und ergreifend: den Hintern hochkriegen! Oder- damit auch hier am Ende die metaphysische und spirituelle Komponente nicht zu kurz kommt:

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!


Jürgen Horn


Hier die Hugendubel Undercover Boss-Serie nochmals zum Nachlesen:

Hugendubel Undercover Boss (1): "Bitte lächeln!"

Hugendubel Undercover Boss (2): "Feuer frei!"

Hugendubel Undercover Boss (3): "In hoc signo vinces!"

Hugendubel Undercover Boss (4): "Apocalypse now"


 

4 Kommentare:

  1. Könntet Ihr bitte erklären, per Artikel oder Kommentar, wie das mit der Tarifbindung ist. Ich kapiere es nicht.
    Ich bin von Ex Habel, ich habe einen uralten tariflichen Vertrag.
    Unsere Filiale betrifft NICHT der bayrische Tarifvertrag.
    Wann ist wer trotzdem tariflich einzustufen, alles außerhalb Bayerns.
    Ich habe das Gefühl das versteht niemand mehr bei uns.

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  2. Das Tarifchaos bei Hugendubel ist zum Teil gewollt, zum Teil rührt es aus den Verschmelzungen zunächst mit Habel, dann mit Weiland.
    Eine richtige Tarifbindung besteht bei Hugendubel nur in Bayern. Hier gelten der Entgelt- und Manteltarifvertrag für den Buchhandel und die Verlage (übirgens einer der letzten reinen Buchhandels-TV in Deutschland). Hugendubel ist Mitglied des bayrischen Arbeitgeberverbandes (wie z.B. auch Weltbild), Herr Nitz kann sich sogar mit dem Amt des Vorsitzenden schmücken.

    Als die ersten Filialen außerhalb Bayerns eröffnet wurden (z.B. Frankfurt 1990) wurden auch dort die bayrischen Tarifverträge angewendet. In den Arbeitsverträgen nahm man auf diese Bezug.
    Erstmals abgewichen wurde von dieser unternehmerischen Praxis bei Eröffnung der Filiale in Leipzig. In den Bundesländern Sachsen und Thüringen wurden und werden Alt-Hugendubel-KollegInnen nach dem dortigen Buchhandels-TV bezahlt (ohne dass Hugendubel Mitglied im dortigen Arbeitgeberverband wäre), meines Wissens wird aber in Teilen der bayrische MTV angewandt (z.B. Arbeitszeit, Urlaubs- u. Weihnachtsgeld).

    Richtig unübersichtlich gestaltete sich die Gehaltslandschaft dann durch die Vereinigung mit Habel. Buch Habel ist meiner Kenntnis nach 2005 aus dem Arbeitgeberverband/den Arbeitgeberverbänden (?) ausgetreten. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte KollegInnen hatten, so mein Kenntnisstand, ebenfalls sog. "Verweisklauseln" in den Arbeitsverträgen, genossen also eine "indirekte Tarifbindung". Spätere Tariferhöhungen wurden gewährt, bis Hugendubel damit aufgehört hat. Deshalb gab es zahlreiche Klagen, die größtenteils dazu geführt haben, dass Hugendubel die aktuellen Tarifgehälter der jeweiligen Bundesländer bezahlen muss. Wer bei vormals Buch Habel später eingestellt wurde, musste sich mit deutlich niedrigeren Gehältern und schlechteren Arbeitsbedingungen abfinden (ob das nach 2005 immer der Fall war, weiß ich allerdings nicht).

    Ähnlich gelagert stellt sich die Situation bei ehemaligen Weiland- KollegInnen dar. Auch dort Austritt aus dem Arbeitgeberverband, Verweisklauseln in den Arbeitsverträgen und Beschäftigte, die deutlich schlechter bezahlt werden. Hinzu kommt als "Schmankerl" die flächendeckende Einführung der 40-Stunden-Woche per einzelvertraglicher Regelung.

    Im Augenblick ist die GL dabei, einzelne Betriebsräte zu Verhandlungen über sog. "Vergütungsordnungen" zu zwingen. Hierzu läuft in Berlin/Potsdam ein Einigungsstellenverfahren. Ziel des Arbeitgebers ist es, damit die Gehälter einzufrieren und abzusenken.

    Zusammen mit ver.di soll deshalb alles versucht werden, auch außerhalb Bayerns eine Tarifbindung zu erkämpfen, um diese Vergütungsordnungen zu verhindern. Dazu hat es in einem ersten Schritt ja schon eine Flugblattaktion gegeben.

    Freiwillig wird sich Hugendubel nie im Leben auf eine Ausweitung der Tarifbindung einlassen. Forderungen nach Gleichbehandlung werden verpuffen, wenn sich die KollegInnen nicht auf die Hinterbeine stellen. genauso wie in Bayern um die Tarifverträge gekämpft wurde und wird, müssen jetzt auch die Nicht-Bayern endlich in die Puschen kommen!!!!

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    1. Vielen lieben Dank! Bei uns gab es leider keine Flugblattaktion und auch sonst nichts.

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  3. Gibt es in eurer Filiale keinen Betriebsrat?

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