Amazon geht nach Polen - Tarifkampf geht weiter - Interview mit Amazon-Kollege
Gestern wurde bekannt, daß Amazon fünf neue Logistikzentren in Polen und Tschechien aufbauen will, berichtet die polnische Wirtschaftszeitung Puls Biznesu unter Berufung auf Insider-Informationen. An drei Standorten in Polen sollen demnach insgesamt 6000 Arbeitsplätze entstehen. Zwei weitere Zentren sind laut Bericht in der Tschechischen Republik geplant. Eine offizielle Ankündigung der Expansionspläne seitens Amazon gab es noch nicht, der US-Konzern bestreitet derzeit die Pläne für Standortschließungen in Deutschland.
Das verschärft den ohnehin harten Tarifkampf bei Amazon. Denn die Streiks und Proteste bei dem Online-Versandhändler gehen weiter. Mehr als 90000 weltweit, rund 9000 Beschäftigte in Deutschland - der US-amerikanische Online-Versandhändler Amazon ist in knapp 20 Jahren zu einem Global Player gewachsen. Zu einem Riesen, der im Jahr 2012 einen Umsatz von gut 60 Milliarden Dollar gemacht hat. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete das eine Steigerung um 27 Prozent. Und der Konzern wächst weiter. In Brieselang bei Berlin soll im Dezember 2013 das achte Versandzentrum in Deutschland eröffnet werden.
Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Markt für den Versandhändler. Und in seinem Expansionsstreben lässt sich der Gründer und Chef des Unternehmens, Jeffrey P. Bezos, auch nicht durch die zunehmenden Proteste und Streiks seiner Beschäftigten hierzulande aufhalten. Zuletzt streikten Mitte September erneut hunderte Amazon-Mitarbeiter/innen an den Standorten Bad Hersfeld und Leipzig. Und auch in den Versandzentren in Graben, Koblenz, Pforzheim, Werne und Rheinberg formiert sich der Protest nach erfolgreichen Betriebsratswahlen. Die Beschäftigten fordern einen Tarifvertrag in Anlehnung an den Flächentarifvertrag im Einzelhandel, weil der auch für Versandhändler gilt.
Die eigentliche Logistik leistet der Paketdienst DHL
Bezos hingegen besteht darauf, ein Logistikunternehmen zu betreiben. Das lässt er inzwischen auch überall aufdrucken. Stand früher auf kleinen Präsenten, die die Beschäftigten zu Weihnachten erhielten, einfach "Amazon", ist dort heute überall "Amazon Logistik" zu lesen. Doch tatsächlich ist Bezos ein klassischer Versandhändler. Er kauft Waren ein und verkauft sie weiter. Lediglich die Bestellwege haben sich geändert. Bestellte man früher bei Otto, Quelle oder Neckermann ausschließlich per Post oder Telefon, geschieht dies heutzutage überwiegend online. Die eigentliche Logistik, also den Transport der Waren zu den Kunden, übernimmt bei Amazon der deutsche Paketdienst DHL, der an jedem Amazon-Versandzentrum eine Flotte von Lastwagen stationiert.
"Arbeite hart, hab Spaß, schreib Geschichte", ist einer von Bezos Motivationssprüchen für seine Beschäftigten. Die Amazon-Beschäftigten in Deutschland wollen tatsächlich Geschichte schreiben, sie wollen ihrem Chef den Tarifvertrag abringen. Damit alles, was sie bisher schon erreicht haben - wie Lohnerhöhungen, Weihnachtsgeld, längere Pausen, Klimaanlagen - gesichert ist und ausgebaut werden kann.
"Da bekommt man Gänsehaut"
Interview mit Marco Alschner, 31, der seit 2007 bei Amazon in Leipzig arbeitet
Frage: Hunderte Amazon-Beschäftigte in Bad Hersfeld und in Leipzig streiken und demonstrieren zum ersten Mal gemeinsam. Ist das selbstverständlich?
Marco: Darauf haben wir vier Jahre hingearbeitet. 2009 ist ver.di zum ersten Mal hierhergekommen. ver.di hat uns geschult, und das ist jetzt das Ergebnis. Da bekommt man eine richtige Gänsehaut.
Frage: Vier Jahre bis zu den ersten Streiks, warum streikt Ihr erst jetzt?
Marco: Der Anfang war total blöd: mit vier Leuten hier draußen stehen und Flyer verteilen. Ich war damals noch nicht fest angestellt, aber das Risiko, entlassen zu werden, bin ich trotzdem eingegangen. Als wir dann irgendwann 20 Leute waren, war das schon ein ganz anderes Gefühl. Aber erst jetzt sind wir rund 650 ver.di-Mitglieder hier in Leipzig und streikfähig.
Frage: Einiges habt Ihr schon erreicht. Was fehlt noch?
Marco: Ja, wir haben zwei Lohnerhöhungen erhalten, bekommen jetzt 30 statt 25 Minuten Pause bezahlt, die Klimaanlage funktioniert endlich, und wir erhalten zum ersten Mal Weihnachtsgeld. Doch es geht uns nicht ums Geld allein, da sind wir schon fast am Tarif im Einzelhandel dran. Aber alles kann uns jederzeit wieder genommen werden. Deshalb wollen wir einen Tarifvertrag, in dem wir das Erreichte sichern können.
Toller Artikel!
AntwortenLöschenSchau doch auch mal auf meinem Blog vorbei :)