Christlicher Politiker fällt Kirchenfilter zum Opfer
Letzte Woche berichteten SPIEGEL, Stern, Süddeutsche, Berliner Zeitung, Augsburger Allgemeine, Neues Deutschland und der Bayerische Rundfunk mal wieder über Zensur durch den "Kirchenfilter".
Anlaß war die Auslistung schwuler Bücher des kanadischen Verlages Icon Empire Press, der recht harmlose Titel vertreibt, die verglichen mit Shades of Grey weder explizit "erotisch" und schon gar nicht pornographisch sind. Schwul-lesbische Aktivisten hatten auf diesen Skandal hingewiesen. Auf der Facebook-Seite von Weltbild tobt mittlerweile eine heftige Diskusssion. Viele User sind empört und kündigen einen Kauf-Boykott an.
Der Kirchenfilter schlägt aber nicht nur bei Weltbild zu, sondern auch auf der Hugendubel-Homepage.
Auch dort sind die "Schwulen Liebesgeschichten" von Robert Joseph Greene nicht in der deutschen Print-Ausgabe, sondern nur als E-Book in spanischer (!) Sprache erhältlich. Komplett aussortiert hat Weltbild / Hugendubel die Bücher von Icon noch nicht. Derzeit zeigt der Online-Shop noch 14 Ergebnisse auf.
Ist digital weniger gefährlich?
Für regelmäßige Leserinnen und Leser dieses Infoblogs sind das keine Neuigkeiten. Kirchenkritische, linke oder schwul-lesbische Titel werden vom Kirchenfilter systematisch ausgegrenzt. Unter der Rubrik "Zensur" finden sich seit 2010 mittlerweile 24 Artikel. Von der Hugendubel-GL hört man dazu bestenfalls Ausflüchte.
Neu ist aber, daß auch ein konservativer und katholischer Autor wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Dr. Michael Mayer Opfer des Kirchenfilters geworden ist. Was - um Gottes Willen - hat der Mann verbrochen?
Hat er - wie einige haupt- und nebenamtliche Funktionäre der katholischen Kirche - Kinder mißbraucht?
Nein.
Hat er - wie der katholische bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer - seine Ehefrau betrogen und mit seiner Geliebten ein uneheliches Kind gezeugt?
Nein.
Hat er seine Ehefrau/Geschwister/Kinder in seinem Abgeordneten-Büro illegal beschäftigt?
Nein.
Hat er sich - wie zu Guttenberg oder die Stoiber-Tochter Veronika Saß - auf betrügerische Weise seinen Doktortitel erschlichen oder gibt es Zweifel an seiner wissenschaftlichen Qualifikation?
Nein.
Mayer wurde als Sohn eines Landwirtsehepaars geboren. Nach Besuch der Hauptschule machte er zunächst eine Ausbildung zum Landwirt. Auf dem Zweiten Bildungsweg absolvierte Mayer das Abitur. Einem Studium der Agrarwirtschaft in Weihenstephan, Bonn und Paris folgte 1969 die Promotion . Zwischen 1966 und 1971 war Mayer Wissenschaftlicher Assistent an der Technische Universität München in Freising-Weihenstephan, unter anderem als Experte für den Europäischen Entwicklungsfonds an der Elfenbeinküste. 1971 folgte eine Referendarzeit in München und Fürth mit Staatsexamen für den höheren landwirtschaftlichen Dienst einschließlich Lehramt. Anschließend war er als Landwirtschaftsrat an der Landesanstalt für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur tätig. 1973 wurde er Landtagsreferent im Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Als Bundestagsabgeordneter war er zudem im Aufsichtsrat folgender Max-Planck-Institute: Astrophysik und extraterrestrische Physik in Garching, Quantenoptik in Garching (unter Leitung von Nobelpreisträger Theodor W. Hänsch) und Biochemie und Neurobiologie in Martinsried. 2002 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. (Wikipedia).
Gibt es Zweifel am katholischen Glauben von Dr. Mayer?
Nein. Dr.Mayer ist seit 1962 Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.D.St.V. Agilolfia Freising.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag unternahm er eine Fußwallfahrt von seinem Heimatort Siegertsbrunn bei München nach Assisi in Italien.
Was um Gottes Willen hat also dieser fast idealtypische katholische und konservative Politiker Dr. Martin Mayer verbrochen, daß er zum Opfer des Kirchenfilters geworden ist?
Dr. Martin Mayer hatte es gewagt, ein Buch mit dem Titel "Brief an meinen Bischof" zu schreiben.
(ISBN 3-8482-5132-9, Book on Demand oder E-Book, lieferbar über Amazon, Thalia etc.).
Darin beschäftigt er sich laut Klappentext unter anderem mit folgenden Themen:
"In seiner langjährigen Tätigkeit als Mitglied des Deutschen Bundestags hat Martin Mayer viel mit Vertretern der Kirchen gesprochen und zusammengearbeitet. Dabei ist ihm insbesondere beim Streit um die Gesetzgebung zur Patientenverfügung der Glaube an die Redlichkeit mancher Theologen und Bischöfe abhandengekommen.Dies war für ihn Anlass, über das Verhältnis von Bischöfen und Politik nachzudenken und christlichen Glaubensinhalten und Gottesbildern nachzuspüren.Letztlich gelangt Martin Mayer zu der Überzeugung, dass die Krise der Kirchen wesentlich mit einem veralteten monarchischen Gottesbild zusammenhängt. Es wäre Aufgabe der Bischöfe mit den Gläubigen zu reden, um die Lehren und das Handeln der Kirchen mit dem heutigen Weltbild in Einklang zu bringen."
Reicht das aus, um dem Kirchenfilter zum Opfer zu fallen?
Ist Weltbild und damit auch Hugendubel in der Hand von fundamentalistischen rechtskatholischen Fanatikern?
Unglaublich.
AntwortenLöschenNa dann kann sich Amazon über neue Kunden freuen !
AntwortenLöschenIm STERN-Artikel-heißt es:
AntwortenLöschen"Dennoch bekam Christofle, dessen Bücher nach eigener Angabe bislang problemlos bei Weltbild über die Theke gingen, Anfang der Woche eine E-Mail von der deutschen Buchhandelskette, nachdem er sein erstes deutsches Buch nach Augsburg geschickt hatte. In der knappen Nachricht überbrachte ihm der Weltbild-Konzern seine Reaktion. "Ich habe es mit unserer Spezialabteilung gecheckt", heißt es in der Mail, die stern.de vorliegt. Weltbild fühle sich "eher traditionellen Werten verpflichtet". Daher habe der Konzern beschlossen, alle Bücher des Verlegers aus dem Programm zu werfen."
Weltbild hat eine eigene "SPEZIAL-Abteilung" für Zensur. Im 21. Jahrhundert?
Das nennt man wohl eine konsequente Strategie zur erfolgreichen Kunden-Minimierung:
AntwortenLöschen- Kunden, die mit der Kirche nichts am Hut haben
- schwul-lesbische Kunden
- Kunden aus dem linken Spektrum
- Kunden, die gern erotische Literaur lesen
und jetzt auch noch katholisch-konservative Kunden, die nicht mit allem einverstanden sind, was die autoritären Bischöfe und Kardinaläe so befehlen.
Weiter so!
Saudommes Läddegschwätz
LöschenHa no, de Stil kritisiera ond vor dr Realität d' Auga verschließa, sell isch jo 's Problem... ;-)
Löschen´s hoischt "Läddagschwätz", ned " Läddegschwätz", Du Granadadibbl.
LöschenSicher, es ist peinlich, es ist reaktionär, und vielleicht auch geschäftsschädigend. Aber letztlich die persönliche Entscheidung eines jeden Unternehmers. Ich teile die Moralvorstellungen des Weltbild-Konzerns wahrlich nicht. Ich habe eigene Moralvorstellungen - und würde deshalb, wenn ich Eigentümer einer Buchhandlung wäre, beispielsweise die Bücher von Thilo Sarrazin nicht im Sortiment haben. Da muss man nicht nicht jedes mal laut ZENSUR plärren.
AntwortenLöschenGenau ! Auf keinen Fall 'Plärren' ! Immer schön ruhig bleiben ... das wird schon wieder ...
LöschenIch könnte kotzen.
Respekt vor allen, die heute noch eigene Moralvorstellungen haben! Die meisten Politiker haben offensichtlich keine mehr.
LöschenAber nutzen Sie wirklich im täglichen Leben das Wort "reaktionär". Meine Güte, der Buchhandel ist tatsächlich das letzte Reservat der politisch vollkommen perspektivlosen Linken.
Die Süddeutsche berichtete vor ca 2 Wochen darüber. Egal ob es sich hier um vorauseilenden Gehorsam der Weltbild-"Spezialabteilung" (was für ein Wort!)oder um eine Anweisung von Generalvikar Beer handelt: wenn Konservative wie Dr. Martin Mayer Opfer des Kirchenfilters werden, ist ein neuer Tiefpunkt erreicht worden.
AntwortenLöschenEs wird hier öfter das Argument gebracht, daß die Eigentümer entscheiden können, was sie anbieten. Ich denke, man muß hier zwischen Weltbild und Hugendubel unterscheiden. Hugendubel befindet sich nur zur Hälfte im Besitz der katholischen Kirche und ist bis heute vom Selbstverständnis her eine Universalbuchhandlung. Laut Statement von dr. Hugendubel verkauft unsere Firma nur zwei Sachen n i c h t: Nazi- und Pädophilen-Literatur.
Alles andere wird offiziell verkauft. Wenn also Hugendubel zu einer konservativ-katholischen Familienbuchhandlung umgebaut werden soll, dann fände ich eine offene und ehrliche Ansage dazu angebracht. Ansonsten verkauft man Mitarbeiter und Kollegen für dumm.
Technisch scheint ein unterschiedliches Online-Angebot von Weltbild und Hugendubel ja kein Problem zu sein, da auf www.buecher.de (eine Kooperation von weltbild mit Bertelsmann und Springer) der "Brief an meinen Bischof" gelistet ist. Aber Springer und Bertelsmann lassen sich eben von einem Halff auch nicht auf der Nase herumtanzen.
Eine Korrektur zu meinem vorherigen Kommentar:
AntwortenLöschenwww.buecher.de ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Axel Springer AG, der Holtzbrinck Networks GmbH und der Verlagsgruppe Weltbild GmbH mit Sitz in Augsburg.
Das Online-Angebot von Weltbild/Hugendubel ist homophob, anti-aufklärerisch und rechtskatholisch, also im Wortsinne "reaktionär". Schade, dass man mittlerweile diesen Begriff für eine Buchhandlung verwenden muss, die früher mal liberal und weltoffen gewesen ist. Und das Schlimmste für mich ist, dass man zu feige ist, wenigstens dazu zu stehen.
AntwortenLöschenWie soll man es denn anders nennen, wenn kirchenkritische, linke oder erotische Litratur aus dem Sortiment geworfen werden, wenn nicht:
AntwortenLöschenZ E N S U R
Auch wenn Ihr Euch um das Wort herumdrucksen wollt.
Das erinnert mich irgendwie an das Türsteher-Unwesen in Münchner Diskotheken.
LöschenWas soll aber die ganze Pseudo-Exklusivität - im Sinne welcher Selbstgefälligkeit auch immer - wenn die Gäste den Tanzschuppen links liegen lassen?
Ham wir vielleicht ne Finanzkrise? Hat wer gesagt, wir hätten ne Kirchenkrise, ne Buchhandelsbranchenkrise?
Was ist eure Antwort darauf, was erzählt ihr dem Kunden (Übersetzung für die da oben: Wie verarscht ihr den Kunden OHNE daß er's mitkriegt)?
Die Zensur tickt (nicht richtig) und die Zeit läuft gegen uns.
Leute laßt euch mal was neues einfallen.