Donnerstag, 20. Dezember 2012

„Erfolgsmodell A“ - oder: AmazonDirtyTricks, Multichannel und die Zukunft des stationären Buchhandels


Amazon startet durch – ständig im Bestreben, seine Marktführerschaft weltweit mehr und mehr auszubauen und immer stärker abzusichern. Die Methoden, derer sich der US-Konzern hierbei bedient, geraten zunehmend in die Kritik.


"Spielerisch" geht es hier weniger zu ... !

Höchst alarmierend ist zugleich, dass Amazon offensichtlich als nachahmenswertes Vorbild fungiert für die mittlerweile ähnlich aggressive Mulitchannel-Strategie der Großfilialisten (bei deren "Verabschiedung" vom bisherigen Filialbuchhandel) : 
„Brave-New-ECommerce-World“ – auch bei Weltbild/Hugendubel !?

Die Branchenmedien berichten derzeit mehrmals wöchentlich über neue skandalöse Aktivitäten und Strategien der international und monopolistisch agierenden Online-Krake : 

über Amazon als Verleger – und als Store-Betreiber; 
über die erfolgreiche Amazon-Kundenbindung via Kindle-Geräte; 
über Amazons Steuerflucht (Firmensitz Luxemburg) – 

und über noch sehr zaghaft aufkeimendes  Verbraucherbewusstsein bzgl der Negativliste des explodierenden Onlinehandels (bedenkliche Arbeitsbedingungen; Umweltbelastung; Verödung der Innenstädte durch "Ladensterben") - 

sowie über zukunftsweisende Gegenstrategien (beispielsweise die von den Ravensburger Buchhändlern Riethmüller begründete „buylocal“-Initiative). 



Auch außerhalb der Branchenpresse greifen die Medien in ihrer aktuellen „Buchhandels-Debatte“ verstärkt die Amazon-Thematik auf – so beispielsweise die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT, die Frankfurter Rundschau, die Presse (Wien) und der Tagesspiegel (Berlin) – oder auch die ARD (ndr) und Deutschlandradio Kultur.


Eine Meldung der Presseagentur dapd sorgt für alarmierende Einblicke in die Arbeitsbedingungen der Amazon-Beschäftigten in den riesigen Versandlagerhallen - an vielen laufend neu eröffneten Standorten innerhalb Deutschlands.
Die Redaktion des Weltbild-Verdi-Infoblogs berichtet detailliert über die Zustände insbesondere in zwei Amazon-Betrieben; und sie vermeldet Erfolge beim Widerstand der Kolleg/innen gegen eine ausgesprochen arbeitnehmerfeindliche Firmenpolitik - Erfolge insbesondere beim (gewerkschaftlich begleiteten) Aufbau von Betriebsratsstrukturen …

Wir danken unseren Augsburger Blog-Kolleg/innen für ihre detailreiche Zusammenstellung – und präsentieren hier das Ergebnis ihrer Recherchen.

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Wie werden die Amazon-Mitarbeiter/innen behandelt?
Aus den Standorten Graben (bei Augsburg) und Bad Hersfeld 



Auf Initiative von ver.di haben
im November 2012 die Beschäftigten von Amazon in Graben/Augsburg zur baldigen Durchführung von Betriebsratswahlen einen Wahlvorstand bestimmt:
Ein großer Erfolg für die Kolleg/innen bei Amazon - und für ihre Gewerkschaft ver.di !

Ein Rückblick:
Seit dem 1. September 2011 liefert Amazon aus dem neuen Logistikzentrum in Graben (Landkreis Augsburg).

Rasant war die Bauzeit, rasant war die Steigerung der Mitarbeiterzahlen; es gab große Erwartungen an den neuen Arbeitgeber in der Region (Auf dem Lechfeld entstehen 1000 neue Arbeitsplätze (24.3.2011).
1000 langfristige und 2000 Saisonarbeitsplätze sollten entstehen (Amazon verschickt erstes Päckchen vom Lechfeld aus (2.9.2011).

Bereits nach 3 Monaten wurden die ersten Probleme und Vorwürfe publik:
Amazon lässt sich einen Großteil der Arbeitnehmer/innen von der Agentur für Arbeit in Augsburg vermitteln. Dabei werden 800 (der zunächst 1900 vermittelten) Personen vom Arbeitsamt gefördert, d.h. die ersten ein bis zwei Wochen muss Amazon keinen Lohn zahlen: Die neuen Mitarbeiter/innen erhalten stattdessen Arbeitslosengeld.

Eine an sich ja ganz sinnvolle Maßnahme – aber nur dann, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer/innen andernfalls nicht eingestellt hätte !

Die sehr hohe Zahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen hingegen macht deutlich: 
Amazon hätte wohl die allermeisten von ihnen auch ohne Zuschuss vom Arbeitsamt engagiert !

Übrigens versuchte Amazon später in NRW ein weiteres Mal, diese Arbeitsamts-Förderung für eine vergleichbare Personengruppe zu ergattern: So kann man sich das Weihnachtsgeschäft fremd finanzieren lassen ! (Vorwürfe gegen Amazon - und was dran ist (26.11.2011)).

In Graben/Augsburg sind es sehr bald 1300 von schließlich 2250 Beschäftigten, für die die Allgemeinheit die ersten 1-2 Wochen bei Amazon die Gehälter bezahlt – im Gegensatz zur Konkurrenz, die ihre Mitarbeiter/innen von Anfang an selbst entlohnen muss.

Die notwendige Einarbeitungszeit der Mitarbeiter/innen wird als sehr kurz eingeschätzt. In jedem Fall muss ein Unternehmen seine neuen Arbeitnehmer/innen auf eigene Kosten einarbeiten; dies darf nicht von der Arbeitsagentur (und damit von der Allgemeinheit) finanziert werden.  (Arbeitsagentur zahlt für Amazon-Aushilfen (28.11.2011)).

Kurze Zeit später gab es die ersten Beschwerden über systematischen Verzug bei den Lohnzahlungen für Saisonkräfte.
Wer seinen Lohn punktgenau am Letzten des Monats oder sogar erst später bekommt, erfährt, wie die Unternehmen um jeden Cent Zinsgewinn geizen, während die Arbeitnehmer/innen mit einem ganzen Monat erbrachter Arbeit in Vorleistung gehen müssen (Amazon in Graben: Mitarbeiter warten auf ihr Gehalt (18.12.2011)

Zwar gelangen Amazon auch positive Presse-Schlagzeilen : Mehr Menschen als erwartet hätten Arbeit gefunden.

Doch Thomas Gürlebeck von ver.di-Augsburg kritisierte, dass bei Amazon nur die Wenigsten der von der Arbeitsagentur geförderten Langzeitarbeitslosen auch in reguläre Beschäftigungsverhältnisse übernommen wurden.

Auch seien die Arbeitsbedingungen in vielen Punkten stark korrektur- und verbesserungswürdig: Deshalb sollte möglichst noch 2012 mit hoher Dringlichkeit die Voraussetzungen zu Gründung eines Betriebsrats geschaffen werden (Amazon wächst schneller als erwartet (13.1.2012)

Zudem häuften sich Berichte über eine menschenunwürdige Behandlung der Amazon-Mitarbeiter/innen in Graben/Augsburg:

Offensichtlich sind
die Beschäftigten massivem Leistungsdruck ausgesetzt. So z.B. erhalten Mitarbeiter/innen stündlich Nachrichten auf ihre tragbaren Computer, die ihr Arbeitstempo steigern sollen. Vom Amazon-Standort Bad Hersfeld wird berichtet, dass Kolleg/innen mehrfach täglich mitgeteilt wird, ihre Arbeitsleistung läge unterhalb des Abteilungsdurchschnitts.
Ein Durchschnittswert jedoch definiert sich ja gerade dadurch, dass immer ein Teil über – und ein anderer Teil unterhalb dieses errechneten Durchschnitts liegt !

Hinzu kommen weitere "Amazon-Methoden", wie sie aus Graben berichtet werden:

Für Gespräche mit Kolleg/innen gibt es die "gelbe Karte"; nach 2-3 Ermahnungen folgt die "rote Karte" - verbunden mit der Drohung, den Vorgang in die Personalakte aufzunehmen.

Wer „zu viel“ Flüssigkeit zu sich nimmt und deshalb zur Toilette geht, wird gerügt ! Fast täglich muss der Notarzt zu Kolleg/innen gerufen werden, die die den Belastungen nicht standhalten und „umkippen“ ! Manche Mitarbeiter/innen müssen pro Arbeitstag 30-40 km zu Fuß zurück legen; dies entspricht einer täglichen Marathonleistung!

Zudem werden die Kolleg/innen unter Generalverdacht des Diebstahls gestellt: Auf ihren täglichen Wegen ins Lager und in die Pausenzeit werden sie gezwungen, Metalldetektoren zu passieren! Außerdem entstehen hierbei lange Warteschlangen, so dass von der 35-minütigen Pausenzeit alleine 15 Minuten Wartezeit vor den Kontrollschleusen "draufgehen".

"Es traut sich doch keiner was zu sagen. Hier hat jeder Angst um seinen Arbeitsplatz."
(so ein Mitarbeiter).

"Amazon nutzt alle legalen Mittel aus - bis zum äußersten Rand"
(Erwin Helmer, Leiter der Betriebsseelsorge).
(Druck und Überwachung: Mitarbeiter kritisieren Arbeitsbedingungen (12.7.2012)).


Der  Amazon-Verdi-Blog  www.amazon-verdi.de  enthüllt weitere Missstände  - 
so berichten Kolleg/innen vom Amazon-Standort Bad Hersfeld:

Amazon zahlt nicht nach Tarif. Somit erhalten Amazon-Beschäftigte geringeren Lohn, weniger Urlaub, kein Urlaub- und Weihnachtsgeld, weniger Zuschläge und keine vermögensbildenden Leistungen.

Ab 2006 warteten die Kolleg/innen mehre Jahre lang auf eine Lohnerhöhung.
Die mittlerweile (2011) offensichtlich erfolgte geringe Gehaltsanhebung bescherte den Kollegen einen Reallohnverlust seit 2006 von immer noch 4 bis 7 Prozent.

2100 der 3700 Kollegen in Bad Hersfeld haben befristete Verträge.
 

Die Personalfluktuation ist enorm – und Amazon sucht in einem immer größeren geographischen Radius nach immer neuen Arbeitskräften, die noch nicht für das Unternehmen gearbeitet haben...

Nachzulesen im Amazon-Verdi-Blog:
Hintergründe
Ziele
Sehr eindrucksvoll der Vergleich Tariflohn und Amazon-Lohn (pdf-Datei).


Das Fazit:

Bei Amazon (und nicht nur dort!) sind aktive Betriebsräte - wie auch eine starke gewerkschaftliche Organisation -
dringend von Nöten !

Und außerhalb des A-Konzerns muss sehr genau beobachtet werden, inwieweit die Konkurrenten (vor allem auch Weltbild/Hugendubel) Amazon-Methoden adaptieren !

Wehrt euch - (nur) gemeinsam sind wir stark !
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7 Kommentare:

  1. Das sind ja super Zukunfts-Aussichten, mit den entsprechenden Arbeitsbedingungen. Noch aber haben wir bei Hugendubel und Weltbild einen normalen Filialbetrieb!!!

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    1. Richtig!! Hugendubel und auch Weltbild sind doch nicht vergleichbar mit diesem globalen Internethändler. Wir betreiben zuerst einmal regionalen Standortbuchhandel und der Onlineshop existiert zusätzlich. Es ist klar, daß das Internetgeschäft schnell wächst, aber davon, wie Amazon aufgestellt ist und sich verhält, sind wir meilenweit entfert!!

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  2. naja, normaler filialbetrieb geht anders...3 buchhändler an der kasse und keiner da, der sich die beschwerden über fehlende beratung anhört wärend der ladendieb die hörbücher ausräumt...ware, die nicht verräumt wird weil sich das personal um die kunden kümmert und an der kasse aushilft...
    hugendubel ist ein paradies für diebstahl (vllt sollte ich meinen beruf wechseln)

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  3. Also erstmal wird ein Marathon immer noch am Stück gelaufen (!) Und nicht häppchenweise gegangen. Wenn schon Vergleiche, dann doch bitte richtig.

    Und wenn man das so liest, gerade mit dem Trinken und zur Toilette gehen, bzw eben nicht, kann man nur sagen, DAS zumindest ist ja wohl bei HUG noch nicht so.
    Falls wieder jemand von menschenunwürdigen Bedingungen schreibt, die bei HUG herrschen, sollte er sich nochmals diesen Artikel hier zu amazon durchlesen.

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  4. Hauptsache ein bißchen heiße Luft abgegeben und sich über Kinkerlitzchen mokieren !
    Außerdem steht im Originalartikel unter
    http://www.weltbild-verdi.blogspot.de/2012/12/amazon-in-graben-wie-werden-die.html
    "30-40 km am Tag müssen manche Mitarbeiter laufen, das ist immerhin Marathondistanz, und das jeden Tag."
    und daran gibt es nichts zu kritisieren, 40 km sind eben fast Marathondistanz.
    mfG und fröhliche Weihnachten

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  5. wer hat schon zeit etwas zu trinken wenn er an der kasse steht oder kunden bedient...so viele von uns gehen dehydriert nach hause...
    und wenn man nur zu zweit ist wird selbst der klogang heikel...

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  6. @Anonym 21.35 Uhr

    Bevor Du wieder so einen klugsch... und korinthenka... Kommentar schreibst, lies vorher lieber mal die Kommentare der Kolleginnen von Amazon auf www-amazon-verdi.de durch, z.B.:

    "Was hier in Leipzig jede Nacht abgeht ist wirklich nicht mehr normal. Ausnahmeszustand. Ich war schon auf einigen chaotischen Baustellen mit wirklich straffen Bauleitern, aber das toppt alles. Packer pennen unter ihren Tischen, 60jährige Picker sollen bis 30 km laufen, die Pausenzeiten sind nen Witz, 10 min-Regelung abgeschafft (alle Bahnfahrer wissen was das bedeutet), Leute die arbeiten wollen machen sich gegenseitig kaputt (wollen ja übernommen werden, haha), die die nicht wollen gehen den ganzen Tag spazieren ( momentan schmeißen die eh keinen raus), Manager und Leads völlig überfordert. Vielleicht rollen morgen wieder 150 Polen an oder es gibt nen lustiges Konzert. Könnte hier noch einige Beispiele schreiben. Irrenhaus."

    http://www.amazon-verdi.de/2012/12/13/sondierungsgesprach-mit-amazon-in-leipzig/#comments

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