Montag, 2. November 2015

Alles zum Thema Arbeitszeugnisse (Teil 1 von 3)


7,3 bis 8,9 Millionen Menschen wechseln pro Jahr ihren Arbeitsplatz, fast 3 Millionen Menschen sind arbeitslos. Für sie spielen Arbeitszeugnisse eine entscheidende Rolle. Gute Zeugnisse können den Zugang zu einem neuen Arbeitsplatz eröffnen, schlechte können ihn versperren. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben also nicht nur einen Anspruch darauf, dass ihre Leistungen und Fertigkeiten, ihre verrichteten Tätigkeiten und ihr Engagement wahrheitsgemäß und sachkundig dokumentiert werden. Sie haben auch ein echtes Interesse daran.

Deshalb wird der Hugendubel-Verdi-Infoblog heute, am kommenden Donnerstag und Donnerstag nächste Woche in drei Teilen die wichtigsten Fragen zum Thema Arbeitszeugnisse beantworten.

Übrigbensver.di-Mitglieder haben außerdem die Möglichkeit, die Arbeitszeugnisberatung von ver.di zu kontaktieren. Die Fachleute von ver.di nehmen das Arbeitszeugnis unter die Lupe und helfen Ihnen dabei, Fehler oder unfaire Bewertungen schnell zu erkennen und zu korrigieren. 
Und auch wenn es der Chef gut mit einem meint, können ihm unglückliche Formulierungen unterlaufen sein, die unbeabsichtigte Signale enthalten. Die ver.di Arbeitszeugnisberatung hilft, diese Tücken zu erkennen und Fehler zu vermeiden.


WER HAT ANSPRUCH AUF EIN ZEUGNIS?

Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen
Rechtsanspruch auf die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses.
Dazu zählen auch:

- befristet beschäftigte Arbeitnehmer/-innen
- Auszubildende
- studentische Hilfskräfte
- Praktikanten/Praktikantinnen, Volontäre/Volontärinnen, Werkstudenten/Werkstudentinnen
- zur Aushilfe beschäftigte Schüler/-innen, Studenten/Studentinnen
- Leiharbeitnehmer/-innen
- arbeitnehmerähnliche Personen
- freie Mitarbeiter/-innen
- Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, soweit sie nicht verbeamtet sind

Für alle diese Gruppierungen gilt ein einheitliches Zeugnisrecht. Die Rechtsgrundlagen dazu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 630), in der Gewerbeordnung (§ 109) und für Auszubildende – im Berufsbildungsgesetz (§ 8).
Auch wer nach Ablauf der Probezeit nicht übernommen wird, hat Anspruch auf ein Zeugnis. Wie lange das Arbeitsverhältnis gedauert hat, spielt dabei keine Rolle. Bereits nach wenigen Tagen ist zumindest ein einfaches Zeugnis auszustellen.


WER STELLT DAS ZEUGNIS AUS?

Zeugnisse sind immer vom Arbeitgeber auszustellen; diese Aufgabe nehmen üblicherweise Führungskräfte und/oder Personalverantwortliche wahr. In arbeitsteiligen Organisationen wie größeren Betrieben und Unternehmen kann der Arbeitgeber das Zeugnis auch durch Prokuristen/Prokuristinnen, Generalbevollmächtigte, Handlungsbevollmächtigte oder weitere Betriebsangehörige ausstellen lassen. Dabei werden üblicherweise die Personalakte sowie – falls vorhanden – die Stellenbeschreibung zur Zeugniserstellung herangezogen.

Es muss immer eine ranghöhere Person das Zeugnis ausstellen und auch unterschreiben. Dass die Geschäftsführung selbst unterschreibt, ist durchaus üblich, aber keineswegs Pflicht. Unterzeichnungsberechtigt sind bei Kleinbetrieben deren Inhaber/-innen und bei juristischen Personen alle Personen, deren Berechtigung sich aus dem Vereins-, Handels- oder Genossenschaftsregister ergibt. In größeren Unternehmen unterschreiben idealerweise die Personalleiter/-innen, in kleineren Unternehmen die Betriebsleiter/innen oder auch Meister/innen. Aus dem Zeugnis sollte die Vertretungsbefugnis hervorgehen.

Arbeitszeugnisse tragen für gewöhnlich zwei Unterschriften, in Kleinbetrieben sowie im öffentlichen Dienst meist nur eine. Trägt das Arbeitszeugnis die Unterschrift der Personalleitung, so kann hier die Kenntnis der gängigen Zeugnissprache vorausgesetzt werden.
Ein Zeugnis, das nicht vom Arbeitgeber oder von einer in Personalangelegenheiten vertretungsberechtigten Person, die in der betrieblichen Hierarchie über dem oder der Beschäftigten steht, unterzeichnet wurde, bietet Anlass zu einer abwertenden Interpretation. Wird ein Zeugnis mit dem Kürzel „i. A.“ unterschrieben, kann auch dies einen abwertenden Eindruck vermitteln.
Ein Rechtsanwalt oder eine andere betriebsfremde Person darf das Zeugnis nicht stellvertretend ausstellen und unterschreiben. Anders verhält es sich, wenn sich das Unternehmen in der Insolvenz befindet und der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer weiterbeschäftigt hat. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter zur Erfüllung des Zeugnisanspruchs verpflichtet, soweit er sich die notwendigen Informationen beschaffen kann.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass eine von ihnen gewünschte Person aus dem Unternehmen oder sogar der Arbeitgeber persönlich ihr Zeugnis unterschreibt.


ZEUGNIS SELBST SCHREIBEN?

Häufig werden Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer aufgefordert, das Zeugnis selbst zu formulieren. Arbeitgeber entziehen sich damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur
Zeugnisausstellung aber nur vermeintlich, da sie für den Inhalt verantwortlich bleiben und im Zweifel dafür haften müssen.

Einen Anspruch auf Selbstformulierung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht. Für sie kann das Selbstschreiben dann zum Problem werden, wenn sie die gängigen
Zeugnisstandards nicht kennen. So können sich vermeintlich gute Formulierungen bei späteren Interpretationen durch Dritte als schlecht oder abwertend herausstellen. Deshalb ist es unbedingt sinnvoll, sich beim Selbstschreiben mit dem Arbeitgeber abzustimmen oder Rücksprache mit einem Experten oder einer Expertin zu halten.


DER VERZICHT AUF DAS ZEUGNIS

Zeugnisvorschriften sind zwingendes Recht. Ein Verzicht auf das Arbeitszeugnis ist während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses unwirksam und allenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ausdrückliche Erklärung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers möglich.
Dies gilt auch für so genannte Ausgleichsquittungen („...damit sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt...“), die etwa beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder arbeitsgerichtlichen Vergleiches unterschrieben werden. Diese Klausel ist bei Arbeitszeugnissen unwirksam, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Verzicht immer ausdrücklich erklären müssen.
Zeugnisse dürfen auch nicht zurückbehalten werden, damit so Druck auf die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen ausgeübt wird – etwa damit sie zur Rückgabe von Arbeitsmitteln bewegt werden. Dieses Verhalten kann Schadenersatzforderungen gegen den Arbeitgeber begründen.


ZEITPUNKT DER ZEUGNISERTEILUNG 

Der Anspruch auf die Ausstellung eines Zeugnisses ist dann fällig, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Daher ist darauf zu achten, dass das Zeugnis das Datum des Endes des Arbeitsverhältnisses trägt. Ein späteres Ausstellungsdatum könnten potenzielle Arbeitgeber als Hinweis auf Zeugnisstreitigkeiten verstehen.

Ein Arbeitsverhältnis endet normalerweise mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonates (je nach Dauer der Beschäftigung, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelung). Das Datum auf dem Zeugnis ist dementsprechend anzupassen. Entspricht das Ausstellungsdatum nicht dem Termin einer fristgemäßen Kündigung, so lässt dies den Rückschluss zu, das Arbeitsverhältnis sei fristlos beendet worden.

Bei ordentlicher Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses kann die oder der aus dem Betrieb Ausscheidende mit Beginn der Kündigungsfrist ein Zwischenzeugnis verlangen, um sich damit neu zu bewerben. Vor dem Auslaufen von befristeten Arbeitsverhältnissen sollten Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer ebenfalls frühzeitig ein Zwischenzeugnis verlangen.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist immer ein endgültiges Zeugnis auszustellen. Wurde das Zeugnis nachträglich berichtigt, ist es auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum
zurückzudatieren, sofern die verspätete Ausstellung nicht von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer zu vertreten ist. Wurde das Zeugnis erst einige Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingefordert, erhält es das jeweils aktuelle Ausstellungsdatum.


WIE SOLL EIN ARBEITSZEUGNIS FORMAL AUSSEHEN?

Arbeitszeugnisse müssen nicht nur inhaltlich, sondern auch in formaler Hinsicht einwandfrei sein. Ist dies nicht der Fall, könnte der Eindruck entstehen, die Verfasserin oder der Verfasser distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut ihrer beziehungsweise seiner Erklärungen. Entscheidend ist immer der Gesamteindruck.

Ein Zeugnis ist auf dem für die Geschäftskorrespondenz üblichen Firmenbriefpapier zu verfassen. Es muss mit einem ordnungsgemäßen Briefkopf ausgestattet sein, aus dem der
Name und die Anschrift des Ausstellers oder der Ausstellerin sowie das Ausstellungsdatum ersichtlich sind. Zeugnisse sind mit einem dokumentenechten Stift zu unterschreiben. Es
empfiehlt sich die maschinenschriftliche Wiederholung des Namens des oder der Unterzeichnenden einschließlich Titel und Funktion.

Zeugnisse sind maschinenschriftlich, also mit Computer oder Schreibmaschine anzufertigen. Handschriftliche Zeugnisse sind heute nicht mehr üblich. Das Zeugnis ist in deutscher Sprache abzufassen, auch wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus dem Ausland stammt.

Das Zeugnis muss sauber und ordentlich aussehen und absolut fehlerfrei sein (Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion). Es darf keine Verbesserungen, Radierungen, Streichungen, Flecken oder Knitter enthalten. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes lässt es zu, ein Zeugnis für den Versand zu knicken. Es darf aber nicht nachträglich verbessert oder geändert werden. Bei Schreibfehlern haben
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Ausstellung eines neuen, fehlerfreien Zeugnisses unter gleichem Datum. Ist am Zeugnis zum Beispiel nach einem
Gespräch mit dem Arbeitgeber inhaltlich etwas zu ändern, so ist ebenfalls das ursprüngliche Ausstellungsdatum zu verwenden.

Zu einem ordnungsgemäßen Zeugnis gehört eine Überschrift wie: Zeugnis, Zwischenzeugnis, Ausbildungszeugnis, Praktikantenzeugnis. Dabei ist die zu beurteilende Person genau zu bezeichnen. Die Arbeitnehmerin ist mit „Frau“, der Arbeit-
nehmer mit „Herr“ zu titulieren. Anzugeben sind Vor- und Familienname (bei verheirateten oder geschiedenen Frauen und Männern auch der Geburtsname) sowie das Geburtsdatum. Der Geburtsort steht heute nur noch selten in Zeugnissen. Zeugnisse sind keine Briefe. Die Anschrift der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers hat im Zeugnis
nichts zu suchen, außer dies ist ausdrücklich verlangt. 

Geheimzeichen, die versteckte Aussagen oder Bewertungen beinhalten, dürfen im Zeugnis nicht vorkommen. Das gilt sowohl für positive als auch für negative Aussagen. Unterstreichungen und andere Hervorhebungen sind ebenfalls unzulässig.

Geheimzeichen können sein:

- sinnlose oder willkürliche Punkte oder Striche, zum Beispiel bei der Unterschrift

- Hervorhebungen (Kursiv- oder Fettdruck, Sätze oder Wörter in Anführungszeichen)

- Ausrufungs- oder Fragezeichen

Das Zeugnis sollte im Umfang zwei DIN-A4-Seiten nicht überschreiten und muss am Schluss unterschrieben sein. Ein Zeugnis, das in stilistischer, formaler und inhaltlicher Hinsicht einwandfrei ist, hinterlässt einen positiven Eindruck. Es spiegelt zugleich die Ausdrucksfähigkeit, die Struktur- und Prozesskenntnis, die Urteilskraft und die Differenzierungsfähigkeit der Führungskraft, die das Zeugnis erstellt hat, wider und ist damit auch für den Arbeitgeber ein Aushängeschild – quasi die Visitenkarte seines Unternehmens

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