Am Freitag den 10.01.2014, hat die Geschäftsführung die Verlagsgruppe
Weltbild GmbH beim Amtsgericht Augsburg einen Insolvenzantrag gestellt.
Damit müssen die 2.300 Beschäftigten in Augsburg und möglicherweise
alle 6.800 Mitarbeiter von WELTBILD um ihren Arbeitsplatz und ihre
Zukunft bangen.
Der Weltbild-Betriebsrat verlangt seit Wochen Gespräche mit der Geschäftsführung
zur gemeinsamen Umsetzung des von den
Unternehmensberatungsgesellschaften KPMG und Andersch erarbeiteten
Sanierungskonzeptes. Die Gewerkschaft ver.di hat der Geschäftsführung
Verhandlungen zum Abschluss eines Sanierungstarifvertrags angeboten, um
so einen Sanierungsbeitrag der Beschäftigten verbindlich
festzuschreiben.
Klaus Warbruck berät den Betriebsrat als Sachverständiger. Wir (Weltbild-ver.di-Blog) haben ihn befragt, wie
er die Situation bei WELTBILD jetzt einschätzt und bewertet.
Du warst als Sachverständiger an allen Gesprächen beteiligt. Welchen
Eindruck und welche erste Bewertung hast Du zum jetzigen Zeitpunkt?
Die Antragstellung kam am Freitag insofern überraschend, als die
Geschäftsführung in allen Gesprächen betont hat, dass die weitere
Finanzierung von WELTBILD mit allen Beteiligten abgestimmt und gesichert
ist. Das war offensichtlich eine Fehleinschätzung. Wir haben in unseren
Gesprächen auch von Seiten der Interessenvertretung auf die Risiken
hingewiesen und unsere Verhandlungsbereitschaft für einen
Sanierungsbeitrag der Beschäftigten signalisiert.
Was war der genaue Anlass für die Geschäftsleitung den Insolvenzantrag zu stellen?
Dieser Schritt war notwendig, da sich in der Gesellschafterversammlung
am Donnerstag den 09.01.2014 bei den katholischen Bischöfen als
Anteilseigner von WELTBILD keine Mehrheit für die Annahme des
vorliegenden Sanierungsplans gefunden hat. Die Bischöfe verweigern die
weitere finanzielle Unterstützung der Gruppe. Damit war die positive
Fortführungsprognose der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte
hinfällig und der Gang zum Insolvenzgericht unumgänglich. Dieser Vorgang
ist umso bedauerlicher, als der Aufsichtsrat der Weltbild GmbH und die
finanzierenden Banken dem Sanierungskonzept zugestimmt haben.
Was sind die Eckpunkte des Plans?
WELTBILD hat nach den hohen Verlusten aus dem letzten Geschäftsjahr
einen Finanzierungsbedarf, der durch Banken und die Anteilseigner
abgedeckt werden muss. Zugesagt hatten die Anteilseigner ca. 65 Mio.
Euro. Dieser Betrag könnte durch die aktuell schwierige Geschäftslage
auf 130 Mio. Euro in den nächsten drei Jahren steigen. Ob das wirklich
der Fall gewesen wäre, bleibt offen. Aber ohne eine Absicherung dieser
Position könnte in der Zukunft eine Zahlungsunfähigkeit drohen. Deshalb
musste die Geschäftsleitung unverzüglich einen Insolvenzantrag stellen,
wenn sie nicht selbst in Haftungsrisiken kommen wollten. Das wissen
natürlich auch die Anteilseigner. Durch die Rücknahme der
Finanzierungszusage ist der Sanierungsplan gescheitert.
Der Plan selbst ist in fünf Projektthemen aufgeteilt, die die
Lieferfähigkeit, den Markenauftritt, das Sortiment, den
Werbemitteleinsatz und die Verstärkung der Internetpräsenz sowie die
Hinwendung zum e-book beinhaltet hätten. Zu jedem dieser Oberbegriffe
arbeiten auf allen Führungsebenen von WELTBILD Projektteams, die ihre
Teilthemen zwischenzeitlich bis zur Entscheidungsreife vorbereitet
haben. Zusätzlich hat ver.di einen Sanierungstarifvertrag in Aussicht
gestellt, der es WELTBILD ermöglicht hätte, zeitnah in erheblichem
Umfang Personalkosten zu sparen.
Wird sich die Insolvenz auf die gesamte Verlagsgruppe ausweiten?
Den Antrag hat die Verlagsgruppe Weltbild GmbH gestellt. Davon sind
zunächst nur die Mitarbeiter in Augsburg betroffen. Meiner Ansicht nach
wird es aber dabei nicht bleiben. Die GmbH ist als
Konzernmuttergesellschaft finanziell und organisatorisch so eng mit den
Tochtergesellschaften verwoben, dass bei einigen oder allen
Tochtergesellschaften eine Anschlussinsolvenz zu erwarten ist. Dazu wird
der Insolvenzverwalter sicher zeitnah eine Stellungnahme abgeben.
Ver.di und der Konzernbetriebsrat von WELTBILD sollten sich jedenfalls
auf dieses Risiko vorbereiten.
Hätte es aus Deiner Sicht Alternativen zum Insolvenzantrag gegeben?
Durch den plötzlichen Rückzug der Finanzierungszusagen in letzter Minute
haben die kirchlichen Gesellschafter WELTBILD in eine Regel-Insolvenz
gezwungen. Das ist die schlechteste aller denkbaren Lösungen in dieser
Situation. Wer seinem Unternehmen eine faire Chance geben will, wählt
ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Am besten als sogenanntes
Schutzschirmverfahren gemäß ESUG, dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung
der Sanierung von Unternehmen“. Wie der Name schon sagt, steht hier die
Sanierung – also Entschuldung bei gleichzeitigem Fortbestand – im
Mittelpunkt. Dieses Recht ist seit März 2012 ausdrücklich in die
Insolvenzordnung aufgenommen worden. Der neu eingefügte §270b der
Insolvenzordnung erlaubt ein Verfahren, dass die finanzielle Sanierung
des Unternehmens unterstützt, den zeitlichen Rahmen für die Sanierung
streckt und den Erhalt der Arbeitsplätze und die Fortführung des
Unternehmens in den Mittelpunkt rückt.
Dass nicht dieses Schutzschirmverfahren durchgeführt wird, sondern
stattdessen eine klassische Insolvenz, das ist der eigentliche
betriebspolitische Skandal. Jetzt stolpert WELTBILD kopflos und ohne
ausreichend Zeit für die Umsetzung eines Sanierungsplans in Richtung
Abgrund.
Was veranlasst die Bischöfe Deiner Meinung nach zu ihrem Verhalten?
Darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist, dass die Diözesen
unbedingt als Anteilseigner ausscheiden wollen. Koste es was es wolle.
Nach dem Konflikt in Limburg soll eine erneute öffentliche Debatte über
den Umgang der Kirche mit Geld vermieden werden. Lieber ein Ende mit
Schrecken als ein langandauernde öffentlicher Diskurs über die
wirtschaftliche Kompetenz und soziale Verantwortung der Kirche. Dabei
spielen betriebswirtschaftliche Vernunft und rationale Problemlösung nur
eine untergeordnete Rolle.
Aber die Kirche spart doch sicher Geld durch ihre Entscheidung?
Das halte ich für höchst fraglich. Mit der Insolvenz verlieren auch die
kirchlichen Banken ihre Ansprüche gegen WELTBILD. Was die einen
Katholiken sparen, müssen die anderen Katholiken bezahlen. Somit
verlieren mit dieser Entscheidung alle: Die Gesellschafter und die
MitarbeiterInnen. Über so viel betriebswirtschaftlichen Unverstand kann
ich nur den Kopf schütteln.
Wie geht es weiter? Was kann man noch tun?
Zunächst hat jetzt mal der Insolvenzverwalter das Sagen. Und es müssen
viele dringende Fragen geklärt werden. Wir werden aber in der
Sanierungsfrage nicht klein beigeben. Der Erhalt der WELTBILD-Gruppe und
die Rettung möglichst vieler der bedrohten Arbeitsplätze stehen
alternativlos im Fokus der weiteren Verhandlungen. Dazu werden wir auf
jeden denkbaren Bündnispartner auch in der Politik zugehen und gemeinsam
nach Lösungen suchen. Auf keinen Fall werden wir die katholische Kirche
aus ihrer Verantwortung für WELTBILD entlassen.
Was wird am Ende rauskommen?
Das ist schwer zu sagen. Bei einem Schutzschirmverfahren und einem
Sanierungstarifvertrag hätte es materielle Einbußen gegeben. Aber wir
hätten dafür im Gegenzug Kündigungsschutz verlangt. Wir werden das
gleiche Angebot jetzt an den Insolvenzverwalter richten.
An dieser Stelle zu versprechen, dass alles doch noch gut wird, wäre
unseriös. Aber wir werden alles dafür tun, dass die materiellen und
sozialen Folgen der Insolvenz für die Beschäftigten begrenzt und
abgemildert werden. Letztlich sind wir dabei aber auch vom Einsatz der
WELTBILD-Belegschaft abhängig. Wenn sich die KollegInnen nicht
organisieren und die Aktionen von Gewerkschaft und Betriebsrat aktiv
mittragen, sind die Gremium machtlos. Das weiß die Gegenseite, und das
sollte auch jedem einzelnen in der Belegschaft klar sein.
Quelle:
www.weltbild-verdi.blogspot.de
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