Dienstag, 21. Januar 2014

Interview: Der Wirtschaftssachverständige Klaus Warbruck zur WELTBILD-Insolvenz

Am Freitag den 10.01.2014, hat die Geschäftsführung die Verlagsgruppe Weltbild GmbH beim Amtsgericht Augsburg einen Insolvenzantrag gestellt. Damit müssen die 2.300 Beschäftigten in Augsburg und möglicherweise alle 6.800 Mitarbeiter von WELTBILD um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft bangen. 

Der Weltbild-Betriebsrat verlangt seit Wochen Gespräche mit der Geschäftsführung zur gemeinsamen Umsetzung des von den Unternehmensberatungsgesellschaften KPMG und Andersch erarbeiteten Sanierungskonzeptes. Die Gewerkschaft ver.di hat der Geschäftsführung Verhandlungen zum Abschluss eines Sanierungstarifvertrags angeboten, um so einen Sanierungsbeitrag der Beschäftigten verbindlich festzuschreiben.

Klaus Warbruck berät den Betriebsrat als Sachverständiger. Wir (Weltbild-ver.di-Blog) haben ihn befragt, wie er die Situation bei WELTBILD jetzt einschätzt und bewertet.


Du warst als Sachverständiger an allen Gesprächen beteiligt. Welchen Eindruck und welche erste Bewertung hast Du zum jetzigen Zeitpunkt?

Die Antragstellung kam am Freitag insofern überraschend, als die Geschäftsführung in allen Gesprächen betont hat, dass die weitere Finanzierung von WELTBILD mit allen Beteiligten abgestimmt und gesichert ist. Das war offensichtlich eine Fehleinschätzung. Wir haben in unseren Gesprächen auch von Seiten der Interessenvertretung auf die Risiken hingewiesen und unsere Verhandlungsbereitschaft für einen Sanierungsbeitrag der Beschäftigten signalisiert.

Was war der genaue Anlass für die Geschäftsleitung den Insolvenzantrag zu stellen?

Dieser Schritt war notwendig, da sich in der Gesellschafterversammlung am Donnerstag den 09.01.2014 bei den katholischen Bischöfen als Anteilseigner von WELTBILD keine Mehrheit für die Annahme des vorliegenden Sanierungsplans gefunden hat. Die Bischöfe verweigern die weitere finanzielle Unterstützung der Gruppe. Damit war die positive Fortführungsprognose der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hinfällig und der Gang zum Insolvenzgericht unumgänglich. Dieser Vorgang ist umso bedauerlicher, als der Aufsichtsrat der Weltbild GmbH und die finanzierenden Banken dem Sanierungskonzept zugestimmt haben.

Was sind die Eckpunkte des Plans?

WELTBILD hat nach den hohen Verlusten aus dem letzten Geschäftsjahr einen Finanzierungsbedarf, der durch Banken und die Anteilseigner abgedeckt werden muss. Zugesagt hatten die Anteilseigner ca. 65 Mio. Euro. Dieser Betrag könnte durch die aktuell schwierige Geschäftslage auf 130 Mio. Euro in den nächsten drei Jahren steigen. Ob das wirklich der Fall gewesen wäre, bleibt offen. Aber ohne eine Absicherung dieser Position könnte in der Zukunft eine Zahlungsunfähigkeit drohen. Deshalb musste die Geschäftsleitung unverzüglich einen Insolvenzantrag stellen, wenn sie nicht selbst in Haftungsrisiken kommen wollten. Das wissen natürlich auch die Anteilseigner. Durch die Rücknahme der Finanzierungszusage ist der Sanierungsplan gescheitert.

Der Plan selbst ist in fünf Projektthemen aufgeteilt, die die Lieferfähigkeit, den Markenauftritt, das Sortiment, den Werbemitteleinsatz und die Verstärkung der Internetpräsenz sowie die Hinwendung zum e-book beinhaltet hätten. Zu jedem dieser Oberbegriffe arbeiten auf allen Führungsebenen von WELTBILD Projektteams, die ihre Teilthemen zwischenzeitlich bis zur Entscheidungsreife vorbereitet haben. Zusätzlich hat ver.di einen Sanierungstarifvertrag in Aussicht gestellt, der es WELTBILD ermöglicht hätte, zeitnah in erheblichem Umfang Personalkosten zu sparen.

Wird sich die Insolvenz auf die gesamte Verlagsgruppe ausweiten?

Den Antrag hat die Verlagsgruppe Weltbild GmbH gestellt. Davon sind zunächst nur die Mitarbeiter in Augsburg betroffen. Meiner Ansicht nach wird es aber dabei nicht bleiben. Die GmbH ist als Konzernmuttergesellschaft finanziell und organisatorisch so eng mit den Tochtergesellschaften verwoben, dass bei einigen oder allen Tochtergesellschaften eine Anschlussinsolvenz zu erwarten ist. Dazu wird der Insolvenzverwalter sicher zeitnah eine Stellungnahme abgeben. Ver.di und der Konzernbetriebsrat von WELTBILD sollten sich jedenfalls auf dieses Risiko vorbereiten.

Hätte es aus Deiner Sicht Alternativen zum Insolvenzantrag gegeben?

Durch den plötzlichen Rückzug der Finanzierungszusagen in letzter Minute haben die kirchlichen Gesellschafter WELTBILD in eine Regel-Insolvenz gezwungen. Das ist die schlechteste aller denkbaren Lösungen in dieser Situation. Wer seinem Unternehmen eine faire Chance geben will, wählt ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Am besten als  sogenanntes Schutzschirmverfahren gemäß ESUG, dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“. Wie der Name schon sagt, steht hier die Sanierung – also Entschuldung bei gleichzeitigem Fortbestand – im Mittelpunkt. Dieses Recht ist seit März 2012 ausdrücklich in die Insolvenzordnung aufgenommen worden. Der neu eingefügte §270b der Insolvenzordnung erlaubt ein Verfahren, dass die finanzielle Sanierung des Unternehmens unterstützt, den zeitlichen Rahmen für die Sanierung streckt und den Erhalt der Arbeitsplätze und die Fortführung des Unternehmens in den Mittelpunkt rückt.

Dass nicht dieses Schutzschirmverfahren durchgeführt wird, sondern stattdessen eine klassische Insolvenz, das ist der eigentliche betriebspolitische Skandal. Jetzt stolpert WELTBILD kopflos und ohne ausreichend Zeit für die Umsetzung eines Sanierungsplans in Richtung Abgrund.

Was veranlasst die Bischöfe Deiner Meinung nach zu ihrem Verhalten?

Darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist, dass die Diözesen unbedingt als Anteilseigner ausscheiden wollen. Koste es was es wolle. Nach dem Konflikt in Limburg soll eine erneute  öffentliche Debatte über den Umgang der Kirche mit Geld vermieden werden. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein langandauernde öffentlicher Diskurs über die wirtschaftliche Kompetenz und soziale Verantwortung der Kirche. Dabei spielen betriebswirtschaftliche Vernunft und rationale Problemlösung nur eine untergeordnete Rolle.

Aber die Kirche spart doch sicher Geld durch ihre Entscheidung?

Das halte ich für höchst fraglich. Mit der Insolvenz verlieren auch die kirchlichen Banken ihre Ansprüche gegen WELTBILD. Was die einen Katholiken sparen, müssen die anderen Katholiken bezahlen. Somit verlieren mit dieser Entscheidung alle: Die Gesellschafter und die MitarbeiterInnen. Über so viel betriebswirtschaftlichen Unverstand kann ich nur den Kopf schütteln.

Wie geht es weiter? Was kann man noch tun?

Zunächst hat jetzt mal der Insolvenzverwalter das Sagen. Und es müssen viele dringende Fragen geklärt werden. Wir werden aber in der Sanierungsfrage nicht klein beigeben. Der Erhalt der WELTBILD-Gruppe und die Rettung möglichst vieler der bedrohten Arbeitsplätze stehen alternativlos im Fokus der weiteren Verhandlungen. Dazu werden wir auf jeden denkbaren Bündnispartner auch in der Politik zugehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Auf keinen Fall werden wir die katholische Kirche aus ihrer Verantwortung für WELTBILD entlassen.

Was wird am Ende rauskommen?

Das ist schwer zu sagen. Bei einem Schutzschirmverfahren und einem Sanierungstarifvertrag hätte es materielle Einbußen gegeben. Aber wir hätten dafür im Gegenzug Kündigungsschutz verlangt. Wir werden das gleiche Angebot jetzt an den Insolvenzverwalter richten.

An dieser Stelle zu versprechen, dass alles doch noch gut wird, wäre unseriös. Aber wir werden alles dafür tun, dass die materiellen und sozialen Folgen der Insolvenz für die Beschäftigten begrenzt und abgemildert werden. Letztlich sind wir dabei aber auch vom Einsatz der WELTBILD-Belegschaft abhängig. Wenn sich die KollegInnen nicht organisieren und die Aktionen von Gewerkschaft und Betriebsrat aktiv mittragen, sind die Gremium machtlos. Das weiß die Gegenseite, und das sollte auch jedem einzelnen in der Belegschaft klar sein.


Quelle:
www.weltbild-verdi.blogspot.de


 

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