Montag, 4. Februar 2013

Pressemitteilung vs. Wahrheit

Was mit der Filiale am Potsdamer Platz und den Kollegen dort WIRKLICH passiert...

Unter der Überschrift "Berliner Buchhandel: Hugendubel bleibt ein Jahr länger am Potsdamer Platz" berichtete der Tagesspiegel vergangenen Mittwoch über die Lage der Filiale in den Arcaden in Berlin. Ein Bericht, der einiger Richtigstellungen bedarf.

Wie die meisten von uns wissen, sollte die Filiale am Potsdamer Platz im März 2013 schließen. Wie bei so vielen anderen Hugendubel-Filialen war aus Sicht der Geschäftsleitung eine rentable Weiterführung dieser Filiale nicht möglich. Trotz der harten Arbeit der KollegInnen vor Ort waren die Umsatzzahlen anscheinend zu schlecht, die Miete zu hoch, der Laden zu groß und dann gibts ja auch noch den Strukturwandel im Buchhandel usw...

Wie der Tagesspiegel nun berichtet, haben sich die Damen und Herren der Verwaltung der Potsdamer Platz Arcaden mit Hugendubel an einen Tisch gesetzt und versucht, die Weiterführung der Filiale zu ermöglichen. Die Konditionen wurden verbessert, so dass Hugendubel nun ein weiteres Jahr in den Arcaden weilt. Anfang nächsten Jahres sei dann aber definitiv Schluß.
Der Tagesspiegel schreibt: "Ein Hugendubel-Sprecher bestätigte dies - und bestritt zugleich die in einem gewerkschaftsnahen Internet-Blog veröffentlichte Darstellung, in der Filiale würden nur noch Aushilfskräfte beschäftigt. „'Das Gerücht stimmt nicht, so etwas ist im Buchhandel gar nicht machbar', mit Aushilfen sei keine ausreichende Kundenberatung möglich."

Nun, der Tagesspiegel veröffentlicht diese Stellungnahme, unterschlägt dabei einige Tatsachen und ohne nachzufragen oder nachzuhaken (zum Beispiel bei uns), wird so nur die halbe Wahrheit erzählt. Wir haben dazu nun einige ergänzende Informationen:



Die Filiale am Potsdamer Platz wird erst im nächsten Jahr geschlossen. Das ist richtig.
Was der Tagesspiegel nicht berichtet: etlichen KollegInnen in Berlin wurde trotzdem zum 31.3. DIESEN Jahres gekündigt. In zwei Monaten stehen diese Mitarbeiter nun also auf der Straße, obwohl die Filiale noch ein weiteres Jahr geöffnet hat.

Was außerdem vollkommen der Stellungnahme der GL im Tagesspiegel widerspricht: die Information, dass dort dann für das weitere Jahr nur noch Aushilfen arbeiten sollen, war nicht falsch. Sie war korrekt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Information hier im Blog.

Wie wir erfahren haben, war der Plan der Hugendubel-Obersten nämlich durchaus, das weitere Jahr am Potsdamer Platz nur noch mit Aushilfen zu bestreiten.

Als der Berliner Betriebsrat von den Plänen der GL erfuhr, die erfahrenen Kollegen am Potsdamer Platz gegen Aushilfen zu ersetzten, war eines klar: sollte die Geschäftsleitung diese Pläne tatsächlich verwirklichen wollen, klagt der Berliner Betriebsrat und geht vor Gericht. Was wären das denn für Methoden? KollegInnen, die jahrelange für ihre Filiale geschuftet haben noch ein Jahr lang durch "kostengünstigere" Arbeitskräfte zu ersetzen?

Erst nachdem die Geschäftsleitung von der geplanten Klage des Betriebsrats erfuhr, wurden die Pläne verworfen und neue Pläne geschmiedet. Diese sind jedoch nicht besser.

Aktueller Stand ist nun: die Kündigungen sind ausgesprochen und werden nicht zurückgenommen. Die KollegInnen verlieren also definitiv ihren Job.
Die Filiale wird nun aber nicht mit neuangestellen Aushilfen weiterbetrieben, sondern mit MitarbeiterInnen aus den anderen Berliner Filialen.
Das muß man sich mal vorstellen: die nach der großen Kündigungswelle eh schon nur knapp besetzten Filialen in Berlin müssen nun auch noch KollegInnen abtreten, die am Potsdamer Platz leihweise aushelfen.

Und im Tagesspiegel liest sich das dann so: „'Das Gerücht [mit den Aushilfen, Anmerk. d. Redaktion] stimmt nicht, so etwas ist im Buchhandel gar nicht machbar', mit Aushilfen sei keine ausreichende Kundenberatung möglich."

Die Geschäftsleitung unterschlägt also der Presse, dass gekündigt wird, dass Planungen liefen, mit Aushilfen zu arbeiten, dass andere Kollegen nun einspringen müssen mit dem schönen Satz, dass man selbstverständlich auch weiterhin eine ausreichende Kundenberatung wünscht und deswegen an den bösen Gerüchten nichts dran ist?
Wie lange die Nasen wohl wurden, nachdem diese geschönte Pressemitteilung verfasst war?





So nicht, "liebe" Geschäftsleitung! Ihr mögt die Presse belügen können, Eure eigenen Mitarbeiter jedoch nicht. 


Link zum Artikel des Tagesspiegels, mit der Möglichkeit zu kommentieren:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-buchhandel-hugendubel-bleibt-ein-jahr-laenger-am-potsdamer-platz/7711376.html

1 Kommentar:

  1. Auch von meiner Stelle einige ergänzende Informationen, soweit mir bekannt:
    Im Zuge der Schließung der Filiale am Potsdamer Platz (die im letzten Jahr eigentlich defintiv feststand) wurde KollegInnen in Berlin gekündigt. Die sog. "Sozialauswahl", die bei betriebsbedingten Kündigungen durchgeführt werden muss, erstreckte sich auf den gesamten Betrieb Berlin/Potsdam. D.h. meiner Kenntnis nach betrafen die Kündigungen v.a. KollegInnen, die nicht in der Filiale arbeiten. Die KollegInnen vom Potsdamer Platz sollten dann auf die übrigen verbleibenden Filialen verteilt werden.
    Dann folgte das wohl auch für unseren Arbeitgeber überraschende Angebot der Centerleitung, länger in den Räumen zu bleiben. Vermutlich befürchtete man dort einen längeren Leerstand.
    Plötzlich gab es also für die Filiale eine einjährige Gnadenfrist, leider aber nicht für die gekündigten KollegInnen. Nach deutschem Arbeitsrecht lag zum Zeitpunkt der Kündigungen ein Grund für diese vor, eben besagte Filialschließung. Dass dieser mittlerweile entfallen ist, macht die Kündigungen leider nicht obsolet. Das widerspricht sicherlich unserem Gerechtigkeitsempfinden, scheint rechtlich aber in Ordnung und kaum angreifbar zu sein.
    Am Potsdamer Platz sollte es also weitergehen. Unsere GF überlegte nun mit welchem Personal. Und da kam man auf die Idee, befristet Aushilfen einzustellen, entweder um sie direkt in dieser Filiale einzusetzen oder, wenn ein Teil der alten Belegschaft dort bleibt, in den anderen Filialen Berlin/Potsdam.
    Das Problem dabei: diese neuen KollegInnen sollten entgegen der langjährigen Praxis nicht mehr nach dem bayrischen Tarifvertrag entlohnt werden, sondern nach dem niedriger dotierten TV für Sachsen/Thüringen. Das hat der Berliner Betriebsrat klar und eindeutig abgelehnt.
    Momentaner Stand: die neuen Aushilfen wird es vorläufig nicht geben, es wird mit dem reduzierten Personalbestand weitergearbeitet.

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