Die betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle ist eine Art „betriebliches Schiedsgericht“, das dazu dient, gescheiterte Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu einer Einigung zu führen. Das Verfahren in der Einigungsstelle ist in § 76 BetrVG geregelt.
Voraussetzungen
Die Einigungsstelle ist immer dann zuständig, wenn es um eine betriebliche Angelegenheit geht, in der der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat. Dann wird sie auf Antrag einer Betriebspartei, also des Betriebsrats oder des Arbeitgebers, tätig (erzwingbares Verfahren, § 76 Abs. 5 BetrVG). Erzwingbar ist das Verfahren deshalb, weil es eine Betriebspartei alleine in Gang setzen kann.
Besetzung der Einigungsstelle
Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Der Vorsitzende ist in 80 % der Fälle ein Arbeitsrichter.
Das Verfahren vor der Einigungsstelle
Teilnehmer sind ausschließlich die vorher bestimmten Beisitzer und der Vorsitzende. Das Verfahren ist nicht öffentlich. Zum Termin erscheinen die Teilnehmer und tragen dem Vorsitzenden ihre jeweiligen Argumente vor. Da eine „Einigung“ erzielt werden soll, ist ein guter Einigungsstellenvorsitzender bestrebt, die Angelegenheit nicht selbst zu entscheiden, sondern die Parteien zu einer Einigung zu bringen.
Dazu macht der Vorsitzende oftmals Vorschläge, die dann bei Sitzungsunterbrechungen in den jeweiligen Lagern diskutiert werden. Auf diese Weise soll eine Annäherung der Parteien erreicht werden.
Ein Einigungsstellenverfahren über komplexe Sachverhalte, kann sich unter Teilnahme von Sachverständigen über Tage hinziehen, bis sämtliche Details geklärt sind. Ein Einigungsstellenverfahren über eine einfache Regelung kann nach einigen Stunden beendet sein. Können sich die Parteien trotz Einflussnahme durch den Vorsitzenden nicht einigen, erfolgt letztlich eine Abstimmung, in der der Vorsitzende mit abstimmt, § 76 Abs. 3 BetrVG. Aufgrund der Besetzung der Einigungsstelle ergibt sich dann eine Mehrheit auf Arbeitgeber- bzw. Betriebsratsseite, deren Vorschlag als beschlossen gilt. Der Vorsitzende hat also letztlich die entscheidende Stimme.
Erzwingbares Einigungsrecht
Die Einigungsstelle ist von Arbeitgeber- oder Betriebsratsseite erzwingbar, wenn sich eine der beiden Seiten den Verhandlungen entzieht, die Verhandlungen zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten erfolglos geführt wurden oder trotz Ausschöpfung aller Verhandlungsmöglichkeiten die zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten nicht beigelegt werden können. Ob die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als gescheitert zu betrachten sind, steht grundsätzlich im Ermessen der beteiligten Betriebsparteien.
Die Einigungsstelle hat eine verbindliche Schlichtungsfunktion und übernimmt im Konfliktfall ersatzweise die Aufgaben der beiden Betriebsparteien gemäß § 74 BetrVG. Die Einigungsstelle ist in ihren Entscheidungen autark. Allerdings ist sie verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die ihr im Gesetz gezogenen Grenzen, die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze oder sonstiges zwingendes Gesetzesrecht zu beachten. Wegen dieser Schlichtungsfunktion, die dem Direktions- und Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers übergeordnet ist, kommt der Einigungsstelle im Rahmen der Betriebsverfassung eine zentrale Bedeutung zu.
Kosten der Einigungsstelle
Die Kosten der Einigungsstelle hat der Arbeitgeber zu tragen.
Anfechtbarkeit
Ein Spruch der Einigungsstelle kann später wieder gerichtlich angefochten werden, anders als die freiwillige Einigung.
Sollen die Regelungen inhaltlich in Frage gestellt werden, muss dies nach § 76 Abs. 5 BetrVG innerhalb von zwei Wochen gerichtlich geltend gemacht werden. Einen Anfechtungsgrund kann der Betriebsrat nur dann geltend machen, wenn er seine Interessen vorher hinreichend transparent gemacht hat. Die Frist beginnt mit der der Zuleitung des Beschlusses an die Betriebspartei.
Geht es um formale Mängel (etwa die Kompetenzüberschreitung der Einigungsstelle oder die falsche Zusammensetzung) gibt es keine Fristen.
Quellen:
verdi.de
boeckler.de
wikipedia.de
Ich hoffe doch, dass die Einigungsstelle zugunsten von uns Mitarbeitern entscheidet. Falls nicht, muss sofort gerichtlich dagegen vorgegangen werden.
AntwortenLöschenKeine Berliner Verhältnisse in Bayern! Und für die Berliner müssten wir auch noch was tun.
Lieber BR, macht eine Unterschriftenliste gegen geplantes flexibles Modell. Und macht deutlich, dass der Schiedsspruch bindend ist oder nur noch bedingt verhandelbar - und das nix im Sand verläuft. Das wäre doch eine gute Idee.
LöschenAus Berliner Sicht kann ich euch Münchnern nur wünschen und die Daumen drücken, dass ihr nicht unser Arbeitszeitmodell bekommt. Aus meiner Sicht bringt es für die Beschäftigten nur Nachteile, und das ist nicht nur meine Meinung, sondern Konsens unter nahezu allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man darüber spricht.
AntwortenLöschenBei Bedarf flexibel waren wir immer schon, aber jetzt gibt es keinerlei Regelmäßigkeit mehr, was freie Tage und freie Wochenenden betrifft. Das beeinträchtigt den Erholungswert der Freizeit, erschwert die Planbarkeit von Verabredungen, Freizeitaktivitäten und Familienleben. Es wird zwar seitens der Verantwortlichen versucht, auf individuelle Wünsche einzugehen, aber natürlich können nicht alle Wünsche berücksichtigt werden. Darunter leiden sowohl die Kolleginnen und Kollegen mit Kindern (Betreuungsorganisation) als auch Kinderlose (Erwartung von noch mehr Flexibilität im Vergleich zu den Eltern). Früher wusste man: Zu bestimmten Zeiten hat man frei. Darauf konnte man sich verlassen und einstellen. Jetzt gibt es die Möglichkeit, Wünsche zu äußern, aber keinerlei Anspruch auf bestimmte freie Tage mehr.
Mit der in Aussicht gestellten besseren Berücksichtigung individueller Schichtwünsche ist es auch nicht so weit her. Häufig spricht der vorgegebene Personalbedarf gegen die Genehmigung von Sonderwünschen (Weihnachten, Ostern, Schulbuchgeschäft, umsatzstarke Samstage, Schulferien, in denen alle Eltern frei haben wollen, bereits feststehende Ausfälle von Kollegen).
In Berlin wurde parallel zur Einführung des flexiblen Arbeitszeitmodells in den letzten Jahren immer mehr Personal abgebaut. Deswegen ist die Planung in der Praxis oft Makulatur, nämlich immer dann, wenn jemand kurzfristig krank wird oder aus sonst einem Grund ausfällt. Die Planungsgrundlage ist so wenig Personal, dass sich jeder Ausfall sofort bemerkbar macht. Immer wieder muss nachgebessert werden (Kollegen werden angesprochen, ob sie die Schicht wechseln können), oder die Besetzungsvorgaben können nicht erfüllt werden (Unterbesetzung).
Von daher stellt sich auch die Frage, ob es wirklich so sehr um die Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen geht, wie gerne behauptet wird. In erster Linie ist das flexible Arbeitszeitmodell wohl eher ein Sparprogramm, das den Personalabbau rechtfertigen und womöglich weiteren Personalabbau ermöglichen soll. Ganz schnell und gegen alle Tatsachenerfahrung sieht es nämlich auf dem Papier so aus, als ob es zu bestimmten Zeiten Überkapazitäten gäbe. Ich finde, das sollte man ehrlich benennen, und nicht das Ganze auch noch als Wohltat für Kunden und Mitarbeiter hinstellen.