Petition für die Leiharbeiter
Amazon beutet seine Beschäftigten aus, unterdrückt die Bildung von Betriebsräten, karrt Leiharbeiter aus ganz Europa herbei, pfercht sie in Wohn-Ghettos zusammen und läßt sie von Neonazi-Security bewachen.
Ist das die Form der Arbeit am Beginn des 21. Jahrhunderts?
2500 Beschäftigte vom Amazon-Logistikzentrum Graben bei Augsburg haben am Donnerstag darauf die richtige Antwort gegeben: Sie wählten einen Betriebsrat. Doch ist Amazon in Deutschland ein Einzelfall?
Amazon als Gewerkschaftsfeind
Was in der Presse nicht stand: die Vorbereitungen zur Betriebsratswahl in Augsburg liefen unter teilweise konspirativen Bedingungen ab. Beschäftigte und Gewerkschaft organisierten die Wahl im Vorfeld unter strikter Geheimhaltung. Warum? Ist die Wahl eines Betriebsrats nicht ein Grundrecht und fällt nicht gewerkschaftliche Organisierung unter die von der Verfassung garantierte Koalitionsfreiheit?
Im Prinzip ja - aber dieses Recht muß auch durchgesetzt werden. Amazon ist nicht das erste Unternehmen, wo das Management aktive Kolleginnen feuert, wo "Führungskräfte" arbeitgeberfreundliche Listen aufstellen oder GewerkschaftssekretärInnen am Besuch der Betriebsversammlung gehindert werden. Media Markt ist für diese Art von Union Busting ein unrühmliches Beispiel. Denn eines steht fest: ohne die organisatorische Unterstützung durch unsere Gewerkschaft würde es bei Amazon bis heute nirgends einen Betriebsrat geben. Insofern haben Thomas Gürlebeck von ver.di Augsburg, aber auch die GewerkschaftsekretärInnen von Bad Hersfeld, Leipzig und Koblenz einen guten Job gemacht.
Und bei Hugendubel? Derlei Vorkommnisse sind bisher nicht passiert und werden dank engagierter BetriebsrätInnen wohl auch nicht vorfallen. Allerdings sollte auch folgendes nicht verschwiegen werden:
- GL-Mitglied Nitz fiel auf Betriebsversammlungen durch aggressiv-gewerkschaftsfeindliche Sprüche auf
- die Regionalleiterin von München marschierte während des letzten Warnstreiks zur Einschüchterung am Stachus auf (nicht zu vergessen: Personal-Leiter Drouet war früher für Metro, den Mutterkonzern von Media Markt tätig)
- bei der letzten Betriebsversammlung war eine Mitarbeiterin der Personalabteilung anwesend und schrieb alles mit - Methoden, über die normalerweise Guido Knopp im Zusammenhang mit der DDR berichtet.
- und ein GL-Spitzel berichtete über kritische Äußerungen einer Mitarbeiterin auf der Betriebsversammlung
Fazit: die GL sollte endlich mal das Betriebsverfassungsgesetz lesen, wo unter "vertrauensvoller Zusammenarbeit" nicht allein das Abnicken längerer Arbeitszeiten an Silvester verstanden wird, sondern auch Respekt gegenüber BetriebsrätInnen und gewerkschaftlich organisierten KollegInnen gefordert wird.
Amazon zahlt keine Tariflöhne
Die Beschäftigten von Amazon in Leipzig haben eine Kommission gebildet, um endlich eine Bezahlung nach Tarif zu erreichen. Auch das ist in Deutschland mittlerweile keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Arbeitgeberverbände des Einzelhandels in Deutschland (HDE) haben kürzlich in einer konzertierten Aktion alle Tarifverträge mit unserer Gewerkschaft gekündigt. Das Ziel ist klar: Nach Einschätzung von Hubert Thiermeyer, ver.di-Verhandlungsführer in Bayern, geht es den tonangebenden Unternehmen um die "Abwertung von Tätigkeiten und um die Absenkung der Einstiegsgehälter." In der tarifpolitischen Zentrale des HDE habe sich die Fraktion der Dumpinglöhner durchgesetzt. Auch unsere Reaktion darauf muß klar sein: "Widerstand ist Pflicht!", sagt Silke Zimmer vom ver.di-Landesbezirk NRW.
Und bei Hugendubel? Noch haben wir einen Tarifvertrag. Aber die Tarifverträge im Einzelhandel stecken natürlich indirekt auch für uns den Gesamtrahmen ab. Nitz hat sowohl auf der Betriebsrätekonferenz im September 2012 wie auch auf der Betriebsversammlung in München im Oktober 2012 mit der Kündigung des Tarifvertrags gedroht. Also auch hier scheint es langfristig keinen grundsätzlichen Unterschied zu Amazon zu geben.
Fazit: Eine traurige Perspektive für ein Unternehmen, in dem es früher einmal eine Wertschätzung für die Beschäftigten gegeben hat und das mittlerweile zur Hälfte der katholischen Kirche gehört - auch wenn sie davon nichts wissen will und sich von ihrer sozialen Verantwortung drückt.
Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen von Amazon: Petition unterschreiben!
Heiner Reimann, Gewerkschaftssekretär vom ver-di-Landesbezirk Hessen und die KollegInnen vom gewerkschaftlichen Infoblog www.amazon-verdi.de haben jetzt eine Unterschriftenaktion für die Amazon-Leiharbeiter gestartet:
Die Redaktion des Hugendubel-Infoblogs bittet alle Leserinnen und Leser:
Unterstützt die Petition!
NEIN, Amazon ist kein Einzefall.
AntwortenLöschenIch arbeite nun seit dreineinhalb Jahren bei der von Hugendubel beauftragten Firma Weser Vertrieb Service. Ich komme 6 mal in der Woche zu euch um die Bücherlieferungen auszupacken und möchte euch hiermit über die Arbeitsverhältnisse bei Weser Vetrieb Service informieren.
Was die Abeitszeiten angeht, weiß ich zwar, dass ich um 7:00 Uhr anfangen muss, jedoch weiß ich nie bis wann ich arbeiten soll. Sehr oft werden wir nach 90 Minuten (!!!) nach Hause geschickt - und natürlich werden auch nur diese 90 Minuten bezahlt. Ich weiß also nie wieviel ich am Ende des Monats verdient haben werde.
Wir werden ständig kontrolliert und aufgefordert schneller zu arbeiten, damit wir noch weniger Zeit für die Arbeit brauchen und die Firma weniger zahlen muss. §12 des Teilzeit-und Befristungsgesetzes (TzBfG) legt jedoch eindeutig fest: "Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht fesgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens DREI aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen".
Weil wir im Januar und Februar so wenig verdient haben, hat Weser Vertrieb Service mich und andere Kollegen ebenfalls einfach von der Krankenkasse abgemeldet ohne uns darüber zu informieren.
Ich habe mehrmals mit dem Personalchef von Weser Vetrieb Service gesprochen, ihn über die Arbeitsbedingungen informiert und ihm die Arbeitgesetze gezeigt. Sein Kommentar dazu war ich sollte doch dann einfach kündigen.
Diese Situation muss sich ändern, dafür möchte ich zu rechtlichen Mitteln greifen.
Erster Schritt: Gewerkschaftmitgleid werden.
AntwortenLöschenZweiter Schritt: BR-Wahl organisieren (Gewerkschaften helfen dabei)
Wieso stecken die Tarifverträge für uns nur indirekt den Rahmen ab?
AntwortenLöschenDie Verhältnisse bei Weltbildplus/Jokers sind ebenfalls himmelschreiend; auch hier gilt: sich gewerkschaftlich organisieren, BR-Wahl durchführen (ich weiß, es ist nicht einfach - aber der einzige Weg).
AntwortenLöschenDer katholische Betriebsseelsorger Erwin Helmer hat in Augsburg vor dem Amazon-Eingang Flugblätter verteilt, die zur Betriebsratswahl aufgerufen haben. dafür verdient er respekt und Anerkennung.
LöschenEs bleibt aber die Frage, warum er dies nicht auch vor Weltbildplus/Jokers-Läden tut? Dort gibt es das gleiche Problem und die Kirche ist dort Miteigentümerin.
Weihbischof Siebler geht in München zur offenen IG Metall-mitgliederversammlung, m dort die von Entlassung bedrohten Beschäftigten von Siemsn/Nokia zu unterstützen. Warum war er nicht bei unserer Demonstration für einen Sozialtariffvertrag vor dem Erzbischöflichen Palais?
Weiß eigentlich jemand, wie der für München zuständige katholische Betriebsseelsorger heißt? Was macht der eigentlich den ganzen Tag?
So gut ich die Aktion von Helmer finde - für mich bleibt sie solange unglaubwürdig wie sich die Kirche nicht in ihren eigenen Unternehmen glaubwürdig sozial verhält.
Doch, es ist einfach einen BR zu wählen. Schulung machen, Vordrucke ausfüllen, Wahlurne basteln:fertig!! Es lohnt sich.
Löschen@Anonym 14:30 Uhr
AntwortenLöschenFür den Buchhandel in Bayern und in einigen anderen Bundesländern gilt der Tarifvertrag für den Buchhandel, nicht (wie bei Thalia) der Tarifvertrag für den Einzelhandel. Wenn allerdings der Einzelhandels-Arbeitgeberverband alle Tarifverträge mit der Gewerkschaft kündigt, dann hat das tarifpolitisch auch Auswirkunegn auf den Buchhandel, weil hier eine Grundtendenz forciert wird. Insofern wird hier indirekt ein politischer Rahmen abgesteckt.
@14:57
AntwortenLöschenAh ok, vielen Dank!
Guter Kommentar in der Süddeutschen:
AntwortenLöschenhttp://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsbedingungen-bei-amazon-ausbeutung-als-teil-des-geschaeftserfolgs-1.1603584
Danke für den Hinweis! Dort steht u.a.:
AntwortenLöschen"Bei dem US-Konzern ist das Ausbeuten von Menschen allerdings Teil des Geschäftserfolgs. Die Mitarbeiter zahlen den Preis für die Niedrigpreise und den Service, den die Amazon-Kunden so schätzen: Der Versandhändler ist nicht für Tariflöhne bekannt. In einigen Logistikzentren gibt es keinen Betriebsrat. Das Unternehmen behandelt Beschäftigte wie potenzielle Diebe, die es - wie Gäste am Flughafen - täglich kontrolliert. Es hat mit Hilfen der Arbeitsagenturen Arbeitslose mehrmals hintereinander auf Probe und ohne Bezahlung beschäftigt, ohne dass sie - anders als versprochen - eine feste Anstellung bekommen hätten. Hinter Amazon verbirgt sich ein Arbeitgeber, der gut in frühkapitalistische Zeiten gepasst hätte.
(...)
Die Kunden des Online-Händlers können mit einem Klick im Internet abstimmen. Tausende tun es bereits und sagen vorerst: Nein, danke. So ein wohldosierter Käuferstreik hilft beim Nachdenken. Die Chefs können ihre Mitarbeiter ja anständig behandeln und ordentlich bezahlen."
Diesen Kommentar sollte auch das Management von Hugendubel/DBH/Weltbild lesen, damit endlich die ständige Abwertung der Belegschaft als Kostenfaktoren auf zwei Beinen aufhört.
Alles sehr richtig, ist auch gut wenn der Konsument durch ein aufgedecktes Skandälchen mal kurz innehält, nachdenkt und seine Entrüstung artikuliert. Haben wir Buchhändler ein Recht auf den erhobenen Zeigefinger? Verzichten wir selbst konsequent aufs schnäppchengeile Mausklick-Shopping bei Zalando, Gratisklamotte.de und Billigaspirin.com? Den Arbeitnehmern dort wirds nicht besser gehen als bei Amazon, miese Behandlung ist kein Branchenspezifikum. Aber ökonomische Krisen und "Skandale" bieten immer die Chance, seine eigene Konsum- und Erwartungshaltung zu überprüfen: was sind mir gewisse Erzeugnisse und Dienstleistungen wert, wieviel mehr bezahle ich bereitwillig für die Garantie, das das alles sozial gerecht produziert/bereitgestellt wird...
LöschenIhr habt aber schon mitbekommen, dass die Security nun gefeuert wurde?
AntwortenLöschenJa, auf massiven öffentlichen Druck hin. Freiwillig hätte Amazon keinen Finger krumm gemacht. Und das wichtigste steht noch aus: was ist mit einem Tarifvertrag für die Beschäftigten?
AntwortenLöschenDer Druck, auf den Amazon jetzt reagiert hat, kam von außen: ARD-Bericht, Online-Petition, Presse. Jetzt muß aber von den Beschäftigten (auch bei den LeiharbeiterInnen) bei Amazon der nächste Schritt kommen: aktive gewerkschaftliche Organisation. Sonst bleibt das ganze nur ein Strohfeuer und hat keine Nachhaltigkeit
AntwortenLöschenIch halte es für dringend geboten, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch der Betriebsrat den Schilderungen des Mitarbeiters von Weser Service Kurier nachgeht. Oder ist hier auch erst darauf zu warten, dass die Presse diesen Vorwürfen die nötige Aufmerksamkeit verschafft? Dieser Mitarbeiter verdient Dank und Unterstützung für seinen Mut.
AntwortenLöschenFinde ich auch! Und habt ihr schon mal nachgefragt, wieviel Stunden eine Vollzeitputzfrau bei Hugendubel arbeitet? Und wie die von ihren Firmen behandelt werden?
LöschenInzwischen schaut sich auch das Bundeskartellamt die Praktiken von Amazon näher an, z B. die Forderung nach Preisparität, d.h. jeder Händler auf dem Amazon-Marketplace muß sich verpflichten, sein Produkt woanders nicht billiger zu verkaufen.
AntwortenLöschenhttp://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/wettbewerb-zwischen-marktplaetzen-bundeskartellamt-nimmt-amazon-ins-visier-12087577.html
Ich finde, Hugendubel sollte die Gunst der Stunde nutzen und Imagewerbung für sich betreiben: gut ausgebildete Buchhändler in den Filialen, Bezahlung nach Tarif, gutes Arbeitszeitmodell, Zahlen von Steuern in Deutschland etc.
AntwortenLöschenAber nein: es wird Amazon nachgeeifert: schlechte Arbeitszeitmodelle soll es geben (Ade planbares Arbeits-und Privatleben) und man kann sich von Seiten der GL durchaus vorstellen, aus dem Tarif auszusteigen etc