Montag, 22. Oktober 2012

"Die mit dem rüden Stil": XXXLutz

Ein Interview mit Dirk Nagel (ver.di)

Infoblog:   Kürzlich startete der XXXLutz-Infoblog. Was war der Anlaß?

Dirk Nagel:   XXXLutz ist nach eigenen Angaben der zweitgrößte Möbelhändler der Welt. Diese Größe zeigt er aber nicht im Umgang mit seinen MitarbeiterInnen. Immer wieder gibt es Missstände, Arbeitsrechtsverstöße und Behinderungen der BR-Arbeit. Daher haben wir den Blog zur Öffentlichkeitsarbeit ins Leben gerufen. Er dient auch als Kommunikationsangebot für KollegInnen aus betriebsratslosen Standorten.


Infoblog:   Hinter XXXLutz steckt ein ganzes Firmenkonglomerat - welche Firmen sind das? Wie viele Beschäftigte arbeiten dort?

Dirk Nagel:   Die deutsche Zentrale ist in Würzburg. Unter der Adresse "Mergentheimerstraße" finden sich hunderte von Gesellschaften. Bisher hat von uns niemand eine genaue Übersicht über die Anzahl der Gesellschaften. Die Struktur ist selbst für XXXLutz unübersichtlich. Wir bekommen schon mal Post zurück : Adressat unbekannt, oder Geschäftsführer der Gesellschaften kommen schon mal durcheinander, wen sie gerade vertreten und mit wem sie einen Arbeitsvertrag haben. Insgesamt hat Lutz zwischen 16.500 und 19.000 Beschäftigten.


Infoblog:   Wie sieht es aus mit den Betriebsratsstrukturen und der gewerkschaftlichen Organisation?

Dirk Nagel:   Die Expansion von XXXLutz erfolgte sehr stark über Aufkäufe mittelständischer Möbelhändler. Mit dem Betriebsübergang mussten auch die vorhandenen Betriebsratsstrukturen übernommen werden. Es gibt nur in diesen Häusern Betriebsratsstrukturen. Leider ist der Organisationsgrad niedrig. Einer der Geschäftsführer, Andreas Müller, hat einmal in einer Betriebsversammlung gesagt: "Wenn die Beschäftigten einen Tarifvertrag wünschen, wären Sie in der Gewerkschaft. Sie sind es aber nicht!" Mit der Aussage liegt gar nicht mal verkehrt.


Infoblog:   Das Management von XXXLutz hat ein sogenanntes "arbeitsrechtliches Kontrollgremium" unter Vorsitz von Bischof Wolfgang Huber, dem ehemaligen EKD-Vorsitzenden, eingerichtet. Wer gehört diesem Gremium an, welche Kompetenzen hat es?

Dirk Nagel:   Die Bildung des Gremiums dient dazu, den von uns ausgeübten Druck zu verringern und die Bildung von Mitbestimmungsstrukturen zu verhindern. Dass ein evangelischer Bischof dort mitmacht, finden wir erschreckend. Neben Bischof Huber sind noch drei Betriebsräte und mit Andreas Müller auch ein Mitglied der Geschäftsführung in diesem Gremium. Formal hat es keine Kompetenzen. In gut einem halben Jahr soll ein Bericht mit Empfehlungen erfolgen.


Infoblog:   Wenn die Kapitalseite in der Defensive ist, gründet man gerne "Runde Tische", um den Unmut der Beschäftigten zu kanalisieren. Hat dieses "Kontrollgremium" eine ähnliche Funktion? Was sagen die Beschäftigten bzw. der Betriebsrat dazu?

Dirk Nagel:    Ich denke, der Unmut der Beschäftigten ist XXXLutz vollkommen egal. Der öffentliche Druck hat zu Bildung dieses Gremiums geführt. Wir halten es für eine "Nebelkerze". Wenn sich XXXLutz verändern will, kann es einfach gesetzeskonforme Arbeitsverträge machen, die Gesetze einhalten, eine Konzernmitbestimmung ermöglichen und Tarifverträge abschließen. Hierzu bedarf es nicht eines bischöflichen Segens.


Infoblog:   Bislang gab es zwei Treffen. Wie ist der aktuelle Stand?

Dirk Nagel:    Es gab schon drei Treffen. Viele Themen werden angesprochen. Vieles geprüft. Konkretes gibt es nicht.


Infoblog:   Bischof Huber wie auch XXXLutz sind Klienten der PR-Agentur "Perfect Games Communications". Eines der Geschäftsfelder ist die "Positionierung von Persönlichkeiten", d.h. die Agentur hilft dem Bischof dabei, seinen Marktwert in der Öffentlichkeit zu steigern. Ist das ganze also letztlich bloß der Propaganda-Coup ihrer gemeinsamen PR-Agentur - zwei Fliegen mit einer Klappe?

Dirk Nagel:    Nun, darüber wird geschwiegen. Spannend ist aber die Frage, welche Beweggründe der ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche hat. Meiner Einschätzung nach ist er von der Agentur nicht gut beraten worden. Mit seinem Einverständnis für dieses Unternehmen tätig zu sein, setzt er seine gesamte Reputation aufs Spiel. Ich sage nur: verkaufsoffene Sonntage bei Lutz und Hubers Position zur Sonntagsarbeit. Hier macht er einen nicht zu schaffenden Spagat.


Infoblog:   Bischof Huber, der sich der "Wertevermittlung in Wirtschaft und Gesellschaft" verschrieben hat, kommt aus Berlin nach München angereist, obwohl er bei sich zuhause selbst genug zu tun hätte: ver.di hat dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) unlängst wegen katastrophaler Zustände ein "Schwarzes Schaf" verliehen.

In München kam der (katholische) Weihbischof Siebler im Falle Siemens-Nokia sofort zur offenen Mitgliederversammlung der IG Metall geeilt - während Kardinal Marx die Hugendubel-Beschäftigten montelang hinhält und dann jedes Gespräch verweigert. Muss diese Doppelzüngigkeit in Zukunft von der Gewerkschaft nicht offensiver thematisiert werden?

Dirk Nagel:    Genau das sollte passieren. Ein Beispiel hatte ich schon genannt: Huber ist gegen Sonntagsarbeit und versucht nun zu erklären, warum die Sonntage bei XXXLutz möglich sind.


Infoblog:   Wir danken Dir für das Gespräch!


http://www.xxxlutz-verdi.blogspot.de/

Dirk Nagel ist Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Handel (FB 12), Bezirk München.

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