Illustration: Nele Brönner |
Im zweiten Teil unserer Reihe zum Thema Arbeitsdruck und Burnout berichtet Michaela Böhm von "verdi publik" unter anderem von Nadine Jakob, Redakteurin bei einer Lokalzeitung, die Alarmzeichen ihres Körpers über Jahre nicht registrierte. Bis nichts mehr ging.
Die Journalistin macht ihre Arbeit gern, denkt sich Kolumnen aus und neue Serien, ist abends oft unterwegs, wie das so üblich ist im Lokaljournalismus. 60 Stunden pro Woche, das kommt häufig vor. Jung, engagiert, ehrgeizig, der Traum jeden Chefs. Unter vier Augen erklärt ihr der eines Tages, dass es nichts wird mit der zugesicherten Gehaltserhöhung. Ihre Arbeit lasse zu wünschen übrig. Sie ist wie vor den Kopf geschlagen. Prompt schläft sie schlecht, liegt grübelnd wach und ist morgens wie gerädert. Vier Monate später wird sie in eine andere Redaktion versetzt. Mit der Begründung, sie könne sich dort neu bewähren. Nach sechs Jahren Redakteursarbeit eine neue Probezeit? "Mir ist himmelangst geworden: War das der erste Schritt zur Kündigung?"
Was passiert hier? Im Gegensatz zu den alteingesessenen Redakteuren erhält die junge Kollegin kein Tarifgehalt, der Verlag hat sich aus der Tarifbindung gestohlen. Sie empfindet die unterschiedliche Bezahlung als ungerecht und ihre Leistung nicht adäquat honoriert. Statt Anerkennung gibt es die als Strafe empfundene Versetzung.
Ein klassischer Fall von beruflicher Gratifikationskrise. Dieses Modell hat der Medizinsoziologe Johannes Siegrist von der Universität Düsseldorf entwickelt und in vielen Studien bestätigt. Vereinfacht gesagt stimmt das Verhältnis von Geben und Nehmen nicht. "Wer sich jahrelang verausgabt, aber nicht die erhoffte Belohnung erhält, hat ein doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken", so Siegrist. Belohnung kann eine ordentliche Bezahlung sein, ein Aufstieg, eine Festanstellung oder die Sicherheit, den Arbeitsplatz zu behalten, aber auch Wertschätzung und Anerkennung. Fehlt nur einer dieser Bausteine, steigt das Risiko für eine Depression.
Nadine Jakob geht es schlecht. "Hat der Wecker geklingelt, hab ich geheult, wenn ich an die Arbeit dachte." Sie hat Magen- und Kopfschmerzen, ist dünnhäutig und aggressiv. Sie macht Fehler im Job, selbst leichte Texte gehen ihr schwer von der Hand, sie zieht sich immer mehr zurück, beantwortet keine E-Mails und keine Anrufe mehr von Freunden, und zweifelt, ob Journalismus überhaupt der richtige Beruf ist für sie. Einkaufen, kochen, Tisch decken - das geht oft über ihre Kräfte. Sie ist am Ende, müde, erschöpft, ohne Energie. Als eine Freundin sie fragt, wie es ihr geht, und sie in Tränen ausbricht und nicht mehr aufhören kann zu weinen, weiß sie, dass etwas mit ihr nicht stimmt.
Was passiert hier? Im Gegensatz zu den alteingesessenen Redakteuren erhält die junge Kollegin kein Tarifgehalt, der Verlag hat sich aus der Tarifbindung gestohlen. Sie empfindet die unterschiedliche Bezahlung als ungerecht und ihre Leistung nicht adäquat honoriert. Statt Anerkennung gibt es die als Strafe empfundene Versetzung.
Ein klassischer Fall von beruflicher Gratifikationskrise. Dieses Modell hat der Medizinsoziologe Johannes Siegrist von der Universität Düsseldorf entwickelt und in vielen Studien bestätigt. Vereinfacht gesagt stimmt das Verhältnis von Geben und Nehmen nicht. "Wer sich jahrelang verausgabt, aber nicht die erhoffte Belohnung erhält, hat ein doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken", so Siegrist. Belohnung kann eine ordentliche Bezahlung sein, ein Aufstieg, eine Festanstellung oder die Sicherheit, den Arbeitsplatz zu behalten, aber auch Wertschätzung und Anerkennung. Fehlt nur einer dieser Bausteine, steigt das Risiko für eine Depression.
Nadine Jakob geht es schlecht. "Hat der Wecker geklingelt, hab ich geheult, wenn ich an die Arbeit dachte." Sie hat Magen- und Kopfschmerzen, ist dünnhäutig und aggressiv. Sie macht Fehler im Job, selbst leichte Texte gehen ihr schwer von der Hand, sie zieht sich immer mehr zurück, beantwortet keine E-Mails und keine Anrufe mehr von Freunden, und zweifelt, ob Journalismus überhaupt der richtige Beruf ist für sie. Einkaufen, kochen, Tisch decken - das geht oft über ihre Kräfte. Sie ist am Ende, müde, erschöpft, ohne Energie. Als eine Freundin sie fragt, wie es ihr geht, und sie in Tränen ausbricht und nicht mehr aufhören kann zu weinen, weiß sie, dass etwas mit ihr nicht stimmt.
Illustration: Nele Brönner |
Und sie ahnt nicht, dass es ein Jahr dauern wird, bis sie wieder arbeiten kann. Der Hausarzt schreibt sie krank, der Psychiater diagnostiziert einen chronischen Erschöpfungszustand. Nadine Jakob ist 34 Jahre und hat eine Depression als Reaktion auf die Belastung im Job.
Von Burnout sprechen Psychiater ungern. "Burnout sagt jemand, der das Wort Depression vermeiden möchte", erklärt Professor Thomas Reker, Chefarzt der Psychiatrie in der LWL-Klinik Münster, in einem Hörfunkinterview. Tatsächlich ist es so, dass Burnout - zu spät erkannt - zu einer depressiven Erkrankung führen kann. Und die psychosomatischen Kliniken behandeln Ausgebrannte wie jeden anderen Depressiven.
Nadine Jakob beginnt eine Verhaltenstherapie, ist sechs Wochen lang in einer psychosomatischen Klinik, kündigt den alten Job, bewirbt sich auf eine neue Stelle und zieht in eine andere Stadt. Heute geht es ihr gut: Sie hat normale Arbeitszeiten und bekommt Tarifgehalt, genießt die Wertschätzung in der Redaktion, schaltet ihr Handy auch mal ab und gönnt sich Ruhephasen.
Die Journalistin wurde krank, fiel aus, brauchte Monate, um wieder Fuß zu fassen. So geht es auch vielen anderen, Leiharbeitern und Schichtarbeitern, Betriebsräten, Sekretärinnen, Erzieherinnen. Von ihnen ist in den Medien selten die Rede. Dort geht es vielmehr um die Prominenten.
Den Starkoch Tom Mälzer hat es erwischt, den Skispringer Sven Hannawald, den Rapper Eminem, den Fußballtrainer Ralf Rangnick - sie alle waren am Ende ihrer Kräfte. Burnout wirkt wie eine Promi-Krankheit, wie das i-Tüpfelchen der Jetlag-Karrieristen. So ist es nicht. "Aber ich bin für jeden Prominenten dankbar, der den Mut hat, sich zu outen", sagt Gesundheitswissenschaftler Bernhard Badura. Noch immer sind seelische Störungen ein Tabu. Nach harter Arbeit körperlich kaputt zu sein, werde akzeptiert. Nicht aber geistige und seelische Erschöpfung.
Den letzten Teil der Reihe lest Ihr nächste Woche im Hugendubel Verdi Infoblog.
Ich habe auch Burn-out gehabt (ohne den Begriff oder die Symptome damals wirklich zu kennen), gemerkt hab ich das selbst am Ende eines Urlaubs im Jahr 2008, ich wollte und konnte nicht zurückfliegen. Also klar war das da schön und Urlaub ist klasse aber das war anders, bei dem Gedanken an das was mich dann ab Fliegerlandung erwartete bekam ich auch bei 30° Schüttelfrost. Natürlich bin ich dann doch in den Flieger gestiegen und einige Tage später war ich auch wieder "auf Arbeit". Am darauffolgenden Sonntag hab ich mich hingesetzt und meine Kündigung geschrieben. Einige Tage später bin ich zu meinem Hausarzt, der Erschöpfungssyndrom diagnostizierte (und das nicht mal 10 Tage nach einem tollen Urlaub). Fast die gesamte Zeit bis zu meinem letzten Arbeitstag war ich krankgeschrieben. Gemacht habe ich in dieser Zeit so gut wie nichts (also natürlich essen, Körperpflege usw schon, aber kaum Spaziergänge, Einkaufen nur in einem kleinen Laden um die Ecke, lesen konnte ich garnicht). Der totale Zusammenbruch kam dann am ersten Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, morgens bin ich zwar wie befreit aufgestanden und hatte mehr als tausend Pläne im Kopf aber dann heulte ich nur noch vor mich hin. Es war ein totales Chaos, befreit von der Last und gleichzeitig mit einer neuen Belastung - wo kommt der neue Job her. Mein Arzt war mir damals eine große Hilfe, Medikamente hat er garnicht verschrieben, sondern mir einfach die Augen geöffnet, daß es über den normalen Alltag hinaus etwas anderes noch gibt und hat mich an meine Träume und Wünsche von vor vielen Jahren erinnert, an die vielen Sachen, die bei einem Arbeitsalltag einfach nicht machbar sind. Zum Glück war ich in dieser Zeit durch eine kleine Erbschaft finanziell unabhänig. Zwei Jahre habe ich dann langsam und geordnet mich um die Sachen gekümmert, die mir immer wichtig waren, die ich aber immer aufgeschoben habe. Viele Kontakte habe ich neu geknüpft aber auch ganz viel Balast (Menschen und Sachen) aufgegeben. Am Ende des Jahres 2010 habe ich dann eine wirklich prima Arbeitsstelle gefunden, die zu mir heute passt. Wert lege ich dabei nicht mehr auf eine Vollzeitstelle, habe den Blick auch nicht mehr Richtung möglicher Karriere das Umfeld stimmt und die Bezahlung ist regelmässig, fertig. Mehr will und kann Arbeit nicht leisten. Wichtig sind mir heute Dinge wie ein Spaziergang durch den Park bei eisiger Kälte, das zweite Frühstück mit lieben Menschen, der kleine Plausch im Treppenhaus und viele andere Kleinigkeiten die ich empfangen und teilen kann. Aus vollem Herzen kann ich mich über scheinbare Nebensächlickeiten freuen und das möchte ich niemals mehr loslassen !
AntwortenLöschenHallo Ex-Burnout ! Einen ganz lieben Gruß sende ich Dir unbekannter weise ;) ! Ein beeindruckender Bericht, der Mut macht. Prima das es Dir wieder so gut geht !
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