Montag, 5. August 2013

Weiland: Kurze Geschichte eines Niedergangs

Es war einmal ein mittelständisches Buchhandelsunternehmen mit über 30 Filialen. Das hieß Weiland. Es wurde 1848 gegründet und beglückte Bücherfreunde über viele Jahre mit einem ausgewählten Buchsortiment, vielen sehr motivierten und engagierten Buchhändlerinnen und Buchhändlern an ausgewählten Standorten, hauptsächlich im Norden unseres Landes.

Im Guten Glauben, im besten Sinne für sich und seine Beschäftigten zu handeln und für ein Fortbestehen dieses Familienunternehmens zu sorgen, beschloss Herr Henning Hamkens, einstmaliger Inhaber Weilands und Nachfahre der Weiland-Familie, sein Unternehmen an die DBH zu verkaufen. Seine Bedingung an die DBH und sein Versprechen an die MitarbeiterInnen war, dass alles so bleiben sollte, wie es seiner Firmenpsychologie und der Art dieses Unternehmen zu führen, entsprach. Weiland sollte weiterhin Weiland heißen, alle KollegInnen ihren Arbeitsplatz behalten, Herr Hamkens weiterhin Geschäftsführer sein usw. Traumarbeitsbedingungen gab es allerdings unter Herrn Hamkens Führung auch schon nicht mehr. Vor einigen Jahren führte er die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich ein, trat aus dem Arbeitgeberverband aus und zahlte seit dem nur noch an den Tarif angelehnt, seit dem gab es für die Weiland-Beschäftigten nur noch marginale Gehaltserhöhungen.



Nach und nach bekamen die MitarbeiterInnen den neuen Wind aus München zu spüren. Die Veränderungen begannen zunächst langsam, aber Schritt für Schritt wurden sie ein wenig mehr.

Zunächst wurde das Weiland-Zentrallager abgeschafft, fast zeitgleich bekamen die großen Filialen Mengen an Stapeltiteln von München zentral aufs Auge gedrückt.

Regalmeterweise wurden Bücher durch DVDs ersetzt. Im Nonbook-Sortiment erfreuten Kerzenleuchter, Kehrbesen, Raumsprays und Keramikhasen und vieles mehr das Auge.

Dann platze vor ziemlich genau einem Jahr die Bombe: den Weiland-FilialleiterInnen und Betriebsräten wurde offenbart, dass „Multichannel“ nun das neue Zauberwort sei, dicht gefolgt von „Integration“, weshalb Weiland leider in Hugendubel umbenannt werden müsse.

Mit Multichannel-„Schulungen“ sollten alle WeiländerInnen auf den neuen Kurs gebracht werden. Damit war eine Verschmelzung von Weiland und Hugendubel nicht nur eingeleitet, sondern bereits in vollem Gange.

Zeitgleich wurde mitgeteilt, dass die Zentralen Dienste in Lübeck aufgelöst werden müssten. Das betraf sowohl die langjährigen MitarbeiterInnen der Buchhaltung, als auch die KollegInnen der Marketingabteilung. Mit der Nachricht, die Wieland-Bestellanstalt WBA (die Logistikzentrale in Hamburg) schließen zu wollen, wartete man vorsichtshalber noch ein wenig. Im Herbst letzten Jahres wurde dann auch deren Schließung bekannt gegeben, ebenso wie en passant „ein paar“ Filialschließungen angekündigt wurden: Neubrandenburg, Guben, Heide und Husum. Die WBA, Husum, Neubrandenburg und Guben haben inzwischen ihre Pforten für immer schließen müssen. Dank der Betriebsräte vor Ort konnten für die betroffenen KollegInnen in der Lübecker Zentrale, der WBA und der Filiale Husum in einem Sozialplan Abfindungen erreicht werden und ein Teil der Kolleginnen und Kollegen in neue Jobs gebracht werden.

Es ist vollbracht: seit Ende letzten Jahres heißen alle ehemaligen Weiland-Filialen Hugendubel, wurden aus „WeiländerInnen“ Hugendubel-MitarbeiterInnen.

Nicht erst seit gestern befindet sich der Buchhandel in einer schwierigen Lage, gibt es doch den großen Internetkonkurrenten namens Amazon, der uns gewaltig das Wasser abgräbt und der gesamten Branche hohe Umsatzrückgänge beschert. Die Folgen dieser Entwicklung werden alle „Ex-WeiländerInnen“ in diesem Jahr besonders zu spüren bekommen. Allein für die Filialen im Norden ist geplant, eine große Anzahl von Vollzeitstellen abzubauen.

Aber die Belegschaft ist nicht machtlos: bei diesen Entwicklungen ist es umso wichtiger, zusammenzuhalten und schnell überall Betriebsräte zu wählen! Dadurch wird die Geschäftsleitung erst gezwungen, frühzeitig über ihre Pläne zu informieren und überhaupt zu verhandeln. Es ist noch nicht zu spät! Jetzt seid Ihr am Zug! Helft uns, euch zu helfen. 


Dieser Artikel erschien in BRennpunkt (Ausgabe 1), der Zeitung des Konzernbetriebsrates.
Wir werden die Artikel des Heftes hier nach und nach online stellen, um mit Euch über die Artikel und die Inhalte zu diskutieren. 

8 Kommentare:

  1. Hier jetzt bitte Vorschläge posten, was besser hätte gemacht werden können, um das alles zu verhindern. Aber bitte realistische. Wir leben schließlich nicht in einer perfekten Welt.

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  2. Noch mehr Weihnachtsmöpse, Kerzenleuchter, Kehrbesen, Raumsprays und Keramikhasen.

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  3. An den zu hohen Gehältern bei Weiland kann es nicht gelegen haben, bei vergleichsweise Niedriglöhnen und nach einem Jahrzehnt praktisch ohne Lohnerhöhung.

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    1. Im Buchhandel gibt es gar keine "zu hohen Gehälter". Auch wenn man einen Tarifvertrag hat, kommt man nur schwer über die Runden.

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  4. Es ist gut, dass der Artikel in der ersten BRennpunkt-Ausgabe erschienen ist, benennt er doch einige wichtige Punkte und stellt die Entwicklung bei Ex-Weiland einer grösseren Belegschafts-Öffentlichkeit vor. Ich möchte dennoch an einigen Punkten meine Kritik formulieren.

    Obwohl zurecht auf die Tarifflucht hingewiesen wird, schimmert zwischen den Zeilen so etwas wie die Nostalgie nach der guten, alten Weiland-Epoche und einer vermeintlich sozialen-patriarchialen Unternehmensführung durch Hamkens durch a la Wir-sind-eine-Weiland-Familie, Wir-sitzen-alle-im-selben-Boot etc.
    Im Gegensatz dazu das böse Hugendubel-Konzept mit Multi Channel, Zentralisierung und Rationalisierung. Mal abgesehgen,davon, dass diese Sozialpartnerschaftsideologie früher auch bei Hugendubel sehr stark verbreitet gewesen ist, erscheint mir so eine Einstellung nach dem, was in den letzten Jahren alles im Konzern passiert ist, doch etwas blauäugig.
    Es gibt keinen Grund, jemandem, der aus dem Tarifvertrag abhaut und die Gehälter seiner Belegschaft für ein Jahrzehnt einfriert, auch nur eine einzige Träne nachzuweinen.

    Was Weiland erwartet, konnte man schon vorher bei Habel sehen: Kahlschlag beim Personal, Verlagerung von Buchhaltung, Marketing und Logistik nach München bzw. gleich nach Augsburg. Vor diesem Hintergrund ist es um so irritierender, dass etliche Filialen immer noch keinen Betriebsrat haben, dass es keine JAV gibt, dass keinerlei Widerstand der Beschäftigten zu erkennen ist. 50 Vollzeitstellen werden vernichtet und es gibt keinerlei Reaktion, nicht einmal eine symbolische. Denn so wichtig ein Betriebsrat auch ist, kurz vor Filialschließung kann er letzlich nur noch die Abwicklung organisieren.

    Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt, nämlich der nicht oder kaum vorhandenen gewerkschaftlichen Organisierung. Gegen Tarifflucht gibt es ein Mittel: Arbeitskampf. Wie man so etwas macht, demonstrieren die kämpferischen Belegschaften von Dehner und der C.H.Beck-Druckerei. Dafür muss man sich aber von der Stellvertreter-Politk verabschieden und selber aktiv werden. Auch ein Tarifvertrag zur Sicherung von Standort und Beschäftigung, wie ihn die Weltbild-Beschäftigten erfolgreich erkämpft haben, wäre eine Perspektive gewesen.

    Aber für all das - und damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt - muss jeder Kollege, jede Kollegin etwas aktiv tun. Von nichts kommt nichts. Besondere Verantwortung kommt dabei den BetriebsrätInnen zu, positiv wie negativ.
    Und es ist auch nach der Rolle des GBR zu fragen: Insolvenzverwaltung oder Koordination der Gegenwehr?

    Der Satz von Brecht ist damit leider schon wieder bittere Wahrheit geworden: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

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  5. Es stimmt schon, daß die Weiland-Welt unter Henning Hamkens auch nicht heil war. Aber wir wurden immerhin als Buchhändler wahrgenommen, angesehen und geachtet, und konnten auch noch als solche arbeiten und entscheiden. Aber unter HD mißtraut man unseren buchhändlerischen und geistigen Fähigkeiten, sodaß sie uns zu "REGALSCHLAMPEN" degradiert und entrechtet haben.

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    1. ...ich kann mich diesem kurzen Artikel nur anschließen.
      (ein ehemaliger Mitarbeiter)

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  6. Erst jetzt, fast ein Jahr nach Veröffentlichung, habe ich den Beitrag entdeckt. Als Weiland-Kundin muß ich sagen, daß ich den Hugendubel nach der Umfirmierung vielleicht noch ein-, zweimal besucht habe. Man merkt als bücherkaufende Kundin sehr genau die Umorientierung - das ist nicht mehr meine Buchhandlung, sondern ein Gemischtwarenhandel. Fragt man nach fremdsprachigen Büchern, bekommt man das Hörbuch-Regal gezeigt ... ja, da waren sie früher mal, die englischen Taschenbücher ... Sehr schade! Ich wünsche den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, daß sie möglichst einen Arbeitsplatz finden, wo sie nicht nur Regalschlampen sein müssen, sondern noch BuchhändlerInnen sein dürfen!

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