Erfahrungen in Berlin mit dem neuen Arbeitszeitmodell
Gestern kommentierte ein Berliner Kollege/Kollegin die bisher gemachten Erfahrungen mit dem AZ-Modell.
Da wir dieses Statement für sehr aufschlussreich halten und es an etwas entlegener Stelle erschienen ist, bringen wir es heute nochmals. Die dort geäusserten Überlegungen bieten eine Menge Diskussionsstoff.
"Aus Berliner Sicht kann ich euch Münchnern nur wünschen und die Daumen drücken, dass ihr nicht unser Arbeitszeitmodell bekommt. Aus meiner Sicht bringt es für die Beschäftigten nur Nachteile, und das ist nicht nur meine Meinung, sondern Konsens unter nahezu allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man darüber spricht. Bei Bedarf flexibel waren wir immer schon, aber jetzt gibt es keinerlei Regelmäßigkeit mehr, was freie Tage und freie Wochenenden betrifft. Das beeinträchtigt den Erholungswert der Freizeit, erschwert die Planbarkeit von Verabredungen, Freizeitaktivitäten und Familienleben. Es wird zwar seitens der Verantwortlichen versucht, auf individuelle Wünsche einzugehen, aber natürlich können nicht alle Wünsche berücksichtigt werden. Darunter leiden sowohl die Kolleginnen und Kollegen mit Kindern (Betreuungsorganisation) als auch Kinderlose (Erwartung von noch mehr Flexibilität im Vergleich zu den Eltern). Früher wusste man: Zu bestimmten Zeiten hat man frei. Darauf konnte man sich verlassen und einstellen. Jetzt gibt es die Möglichkeit, Wünsche zu äußern, aber keinerlei Anspruch auf bestimmte freie Tage mehr.
Mit der in Aussicht gestellten besseren Berücksichtigung individueller Schichtwünsche ist es auch nicht so weit her. Häufig spricht der vorgegebene Personalbedarf gegen die Genehmigung von Sonderwünschen (Weihnachten, Ostern, Schulbuchgeschäft, umsatzstarke Samstage, Schulferien, in denen alle Eltern frei haben wollen, bereits feststehende Ausfälle von Kollegen).
In Berlin wurde parallel zur Einführung des flexiblen Arbeitszeitmodells in den letzten Jahren immer mehr Personal abgebaut. Deswegen ist die Planung in der Praxis oft Makulatur, nämlich immer dann, wenn jemand kurzfristig krank wird oder aus sonst einem Grund ausfällt. Die Planungsgrundlage ist so wenig Personal, dass sich jeder Ausfall sofort bemerkbar macht. Immer wieder muss nachgebessert werden (Kollegen werden angesprochen, ob sie die Schicht wechseln können), oder die Besetzungsvorgaben können nicht erfüllt werden (Unterbesetzung).
Von daher stellt sich auch die Frage, ob es wirklich so sehr um die Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen geht, wie gerne behauptet wird. In erster Linie ist das flexible Arbeitszeitmodell wohl eher ein Sparprogramm, das den Personalabbau rechtfertigen und womöglich weiteren Personalabbau ermöglichen soll. Ganz schnell und gegen alle Tatsachenerfahrung sieht es nämlich auf dem Papier so aus, als ob es zu bestimmten Zeiten Überkapazitäten gäbe. Ich finde, das sollte man ehrlich benennen, und nicht das Ganze auch noch als Wohltat für Kunden und Mitarbeiter hinstellen."
Anmerkung der Redaktion: Wir sind an Euren Erfahrungen mit Arbeitszeitmodellen interessiert. Schreibt uns an hugendubel.verdi@yahoo.de Alle E-Mails werden streng vertraulich behandelt, die Berichte werden anonym veröffentlicht. Wir informieren Euch - Ihr informiert uns.
Danke für diesen Kommentar. Er spricht mir aus der Seele und man merkt genau, der Kollege spricht aus Erfahrung!
AntwortenLöschenHände weg vom Berliner Modell und Hände weg vom gewünschten Modell der GL!
Jetzt müssen wir unserer Forderung nach einer weiterhin verlässlich geregelten Arbeitszeit endlich Nachdruck verleihen: Unterschriftenliste, Warnstreik usw.
AntwortenLöschenWer organisiert das? Wann?
Ich bin dabei - macht aktiv was gegen das Berliner Modell!
LöschenLieber BR, kann man da was organisieren? Ich glaube, viele Kollegen in München haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt und denken es bleibt, wie es ist...
Ich will das Berliner Modell nicht und tue alles, um es zu verhindern!
Ich will verlässliche Arbeitszeiten wie bisher - das ist nicht zuviel verlangt!!!!
Jetzt muß Druck in die Sache. Wenn es vor April keine Aktionen gibt, dann könnt ihr euch drauf verlassen, daß ich keinen einzigen der amtierenden Betriebsräte wiederwähle.
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