Mittwoch, 13. März 2013

Die Bibliothek der verbotenen Bücher (1)

Aus gegebenem Anlaß: Zensuropfer auf www.hugendubel.de

Die am Donnerstag in Leipzig beginnende Buchmesse nimmt die Infoblog-Redaktion zum Anlaß, mal wieder auf einen Skandal hinzuweisen,  den die GL gerne mit dem Mantel des Schweigens zudecken möchte:
die systematische Zensur von Büchern, die nicht ins Konzept einer aufklärungsfeindlichen und reaktionären Ideologie der katholischen Kirche passen. Wir werden in der "Bibliothek der verbotenen Bücher" Titel vorstellen, die Opfer der Zensur geworden sind und auch im Hugendubel-Buch-Blog nicht auftauchen.

Da am gestrigen Dienstag das sogenannte Konklave begann, wo auf gewohnt intransparente Weise der neue Papst ausgeklüngelt wird, stellen wir einige ausgewählte vatikankritische Titel vor, die von der Hugendubel-Homepage verbannt wurden, obwohl sie bei allen Wettbewerbern im Buchhandel ganz normal zu bestellen sind. Und da wir IHM letztlich das ganze zu verdanken haben, beginnen wir mit dem Hauptverantwortlichen, auch wenn er sich kürzlich aus dem Staub gemacht hat:



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Die Inszenierung der päpstlichen Himmelfahrt per Helikopter über die Dächer Roms war - zugegeben - eine perfekte mediale Inszenierung. Der Bayerische Rundfunk als federführende ARD-Anstalt in Rom trug dazu sein Scherflein bei: anstatt wenigstens eine minimale Analyse zu leisten, beweihräucherte Chefredakteur und CSU-Hofschranze Sigmund Gottlieb den angeblich deutschen bzw. bayerischen Papst - und damit sich selbst und seine Anstalt. Die nötige Distanz zum Geschehen bekam man nicht von den Nacherzählern und Image-Verstärkern der TV-Sender geboten, sondern von Zeitungsjournalisten oder Buchautoren, vorzugsweise aus Italien.

Marco Politis Buch über Benedikt XVI. ist ein gutes Beispiel dafür. Politi schrieb jahrzehntelang für die bedeutende linksliberale Zeitung La Repubblica über den Vatikan. Politi, der perfekt deutsch spricht und über exzellente Kontakte im Vatikan verfügt, schrieb zudem für Die Zeit und die FAZ. Ein durch und durch seriöser Autor also. So seriös wie auch sein Buch über Ratzinger als Papst. Politi diagnostiziert eine eklatante Führungsschwäche im Hinblick auf die ganzen Skandale in dessen Amtszeit, aber auch eine erschreckende Visionslosigkeit, was die Zukunft der Kirche angeht.

Dass dieser Titel durch die Kirchenzensur von der Hugendubel-Homepage entfernt wurde, lässt  für die notwendige Modernisierung der Kirche im Geiste von Menschlichkeit, Toleranz und Offenheit, wie es vor langer Zeit einmal mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelungen war, das Schlimmste befürchten. 






Auch das zweite hier vorgestellte Buch stammt von einem italienischen Autor. Gianluigi Nuzzi schreibt für die Zeitung Corriere della Sera und das Magazin Panorama. Bekannt wurde er mit dem Buch Vatikan AG, wo er wirtschaftskriminelle Machenschaften im Dunstkreis der Vatikan-Bank IOR aufdeckte. Sein Informant war der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Renato Dardozzi, der Nuzzi tausende interner Dokumente zuspielte. Während dieser Titel merkwürdigerweise auf der Hugendubel-Onlineseite nur in der italienischen Ausgabe (!) bestellbar ist, wurde der Titel "Seine Heiligkeit" dagegen ein Opfer des Kirchenfilters. In diesem Buch verwertete Nuzzi interne Dokumente, die vom päpstlichen Kammerdiener Gabriele gestohlen waren und ein ziemlich häßliches Bild vom Innenleben des Vatikans zeichneten. Warum das eine Buch verboten und das andere nur auf italienisch lieferbar ist?  Schwer zu sagen, eine innere Logik ist nicht zu erkennen. Vielleicht mangelt es den Zensoren und Zensorinnen einfach an Italienisch-Kenntnissen. Bei Thalia kann man sowohl die deutsche Hardcover- wie auch die Taschenbuchausgabe bestellen.








Wer wissen will, wie es in einem Konklave so zugehen kann, der sollte das Geheime Tagebuch eines anonym gebliebenen Kardinals lesen, der sich trotz Verbotes Notizen über das Konklave von 2005 machte, wo Ratzinger zum Papst gewählt wurde:

http://www.katholisches.info/2011/07/28/das-%E2%80%9Everbotene%E2%80%9C-tagebuch-des-konklave-2005/

In dem spannend zu lesenden Dokument, das einem italienischen Journalisten kurz nach der Wahl Ratzingers zugespielt wurde, kann man die Kämpfe der verschiedenen Machtgruppen innerhalb des Kardinalskollegiums verfolgen. Dem Opus Dei nahestehende Kardinäle verhinderten mit harten Bandagen den zunächst durchaus aussichtsreichen liberalen und reformorientierten Kardinal und Erzbischof von Buenos Aires, Bergoglio,und setzten  Ratzinger durch. Ratzinger selber ist nicht direkt ein Opus Dei-Mann - ein solcher wäre nicht mehrheitsfähig gewesen - aber als konservativer Traditionalist doch auf derselben Seite der innerkirchlichen Barrikade.

Diese traditionalistisch-reaktionäre Tendenz, kombiniert mit machtbewußter Organisationsstärke und finanzstarken Geldgebern im Hintergrund, dürfte auch der Grund für die Erfolgsgeschichte des Opus Dei sein. Kein Wunder, dass der Gründer der weltweit 87.000 Mitglieder zählenden Laienorganisation, Josemaria Escrivá, 2002 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen wurde. Gut möglich, daß dieser Prozess dadurch beschleunigt worden ist, dass das Werk Gottes der Vatikan-Bank IOR mit 250 Millionen Dollar ausgeholfen hat - so seriöse italienische Quellen. In Deutschland ist Kardinal Meisner ist einer der eifrigsten Fürsprecher von Opus Dei. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Hugendubel-Kunden auf die Erkenntnisse des Buches von Peter Hertel verzichten müssen:

Opus Dei und die Macht im Vatikan? Fehlanzeige auf der Hugendubel-Homepage!











5 Kommentare:

  1. Ja, das Mittelalter ist lebendig im Netz, in Rom und bei uns in D.

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  2. Nachdem wir eine Tolino-Schulung bekommen haben ist eins wieder klar: der Kirchenfilter ist auf www.hugendubel.de wieder in vollem Umfang aktiv. Und diesmal wird auch garnichts unternommen, dem entgegenzuwirken.

    E-Books sind bei unserem Tolino-Shop gesperrt, die beim Thalia-Tolino-Shop aber jederzeit zu bekommen sind. Bravo, Hugendubel! Eine Glanzleistung!

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  3. Dass die italienische Ausgabe vom Nuzzi-Buch lieferbar ist, die deutsche aber der Zensur zum Opfer fällt, ist ja total lächerlich. Das ist so peinlich, dumm und unprofessionell wie manch anderes, was derzeit in der Firma so abläuft.

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  4. Zensur ist immer schlimm, aber es ist geradezu lächerlich, wenn Titel der Spiegel-Bestsellerliste nicht online erhältlich sind, weil sie den Moralvorstellungen nicht entsprechen (80 Days, Crossfire und was da noch so allea auf der Welle von Shades of Grey mitschwimmen will).

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