Das Leben sei hart, denken manche
Leute, man bekomme nichts geschenkt. Aber weit gefehlt! Schon Winston Churchill
vermochte unserem Wirtschaftssystem einen Hauch von Mitmenschlichkeit
abzugewinnen, als er schrieb: „Tatsächlich sind die Wohltaten unbegrenzt, die
sich Menschen durch die höchste Anspannung ihres Fleißes und ihres Könnens
gegenseitig zu erweisen vermögen.“ Recht hat er. Doch das Wörtchen
„gegenseitig“ verrät den Konservativen, dessen Bild der menschlichen
Gesellschaft immer noch im Bann schnöder Reziprozität und Tauschgerechtigkeit
steht.
Anders als wir heute ist dieser
Mann in seinem Denken über das Do-ut-des der Römischen Antike kein bisschen
hinausgekommen. Wer indes wachen Auges durchs kontemporäre Leben geht, der
weiß: Altruismus hat Konjunktur – man könnte von einer regelrechten Altru-Mode
sprechen. Du wirst bedient, ob du willst oder nicht. Im Evangelium heißt es ja schon: „Bittet, so
wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch
aufgetan.“
Aber verglichen mit dem, was jetzt läuft, war das eiskalter
Sozialdarwinismus. Denn der Deus-nobis der Dienstleistungsgesellschaft erst hat
mit der lästigen Bitterei und Sucherei und Klopferei endlich Schluss gemacht.
Was so ein zeitgemäßer Kunde ist, für den wäre allein die Äußerung seiner
Wünsche eine unzumutbare Hürde. Sie müssen ihm erfüllt werden, noch ehe ihm
aufgeht, dass er sie haben könnte.
So machte ich mich unlängst auf
den Weg zur nächsten Sparkassenfiliale, um mit der EC-Karte am Bankomaten Geld
abzuheben.
Bereits die Straße dorthin war mit Werbeplakaten diverser Firmen
gesäumt, die alle für einen tun, was man von ihnen nicht im Traum verlangen
würde. Doch dann folgte jener unbeschreiblich anrührende Moment, der mich ein-
für allemal mit der Menschheit versöhnte: statt der gewohnten Prozedur, die
mich in den stolzen Besitz eines Fünfzig-Euro-Scheins bringen sollte, erwartete
mich ein Schild mit der Aufschrift: „Wir bauen für Sie um“ – und fassungslos ob
solcher Wohltat stand ich da und murmelte etwas vor mich hin wie: „Meinetwegen
hätte es das nicht gebraucht.“ – So funktioniert halt Werbung: du regst dich
über diese blöden Sprüche auf, aber kriegst sie nicht mehr aus dem Kopf.
Ähnlich wird es derzeit wohl auch
den Besuchern der Hugendubel-Filiale am Stachus in München gehen. Das Konzept,
das dort gerade ausprobiert wird, trägt den Namen „Buchshop der Zukunft“ – und
wird ohne jeden Zweifel vieles zu bieten haben, was die Leute aus
Buchhandlungen so bisher nicht kannten. Doch sie werden dort leider auch auf
weniger Personal treffen. Wer sich davon unbegeistert zeigt, dem wird man
vermutlich sagen: „Wir haben für Sie ausgewählt.“ Das klingt ja schließlich
auch wesentlich serviceorientierter als: „Wir haben exklusiv für Sie die
Infopunkte eingedampft und Arbeitsplätze eingestampft. Und als persönliche
Super-gratis-Premium-Bonusleistung werden wir für Sie demnächst noch die
Tarifverträge unserer Beschäftigten zur Unterwelt senden.
Zwar könnte der oder dem einen
oder anderen trotzdem die alte Parabel vom Eichbaum einfallen, der von der
Wildsau, die seine abgeworfenen Eicheln futtert, Dank erwartet, stattdessen
jedoch mit der peinlichen Frage konfrontiert wird, ob er sie denn ihretwegen
habe fallen lassen. – Aber wer will schon ein Schwein sein?
Ist dem tatsächlich so? Haben Sie auch Zahlen dazu? Ich war bereits mehrfach im Stachus und hatte nicht das Gefühl, dass dort weniger Personal als in anderen Läden (zumindest in München) ist. Für genaue Zahlen wäre ich daher dankbar.
AntwortenLöschenDie genauen Zahlen? Die bekommen Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß. Aber es arbeiten in der Tat weniger Kolleginnen als vorher dort, weil man ja auch - wie Nitz auf der damaligen verranstaltung verkündet hat, man wg. des "polarisierenden Konzepts" einen Umsatzrückgang einkalkuliert hat.
LöschenWichtigerwäre die Beantwortung der Frsge, warum der neue Stachus bei unseren Kunden so schlecht ankommt?
LöschenDie Kunden sind einfach nicht fähig und willig einzusehen, dass dieses Konzept genial und das einzig Richtige für den Buchhandel ist. Siehst Du nicht die Karawanen von Mayer-Thalia, die gen München ziehen, um sich dort die Zukunft anzusehen? Ich auch nicht! Klassischer Entwurf aus dem Elefenbeinturm. Wird einstauben und vergessen werden, während die Kunden woanders hingehen.
LöschenEs arbeiten definitiv weniger Angestellte am Stachus.
LöschenDer Arbeitgeber wäre für eine Veröffentlichung seiner Zahlen vermutlich nicht ganz so dankbar. Aber es stimmt, dass in allen Läden (und nicht nur in München, sondern überall) die Peronaldecke inzwischen so ausgedünnt ist, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen nicht mehr wissen, wie sie damit noch klarkommen sollen.
LöschenWenn vor Weihnachten am Stachus tatsächlich genug Personal war, dann deswegen, weil man dieselben Kolleginnen und Kollegen, die man dort zuerst nicht haben wollte, während des Weihnachtsgeschäft vorübergehend aus ihren Filialen abgezogen hat, in denen sie dann gefehlt haben. Und das, obwohl dort zum Teil viel mehr Umsatz gemacht wurde. Weihnachtsaushilfen gab es auch zu wenig, weil sich für unsere seit Jahren nicht erhöhte TG I die meisten inzwischen nicht mal mehr den Wecker stellen. Diese ganze Personal(spar)politik ist ein einziger Saustall, und wir dürfen es ausbaden.
AntwortenLöschen