Dienstag, 23. Juni 2015

Wer kämpft, kann gewinnen

Hugendubel-Beschäftigte in Viernheim erstreiten tarifliche Gehaltserhöhungen

Seit 2011 liefen Verfahren von Beschäftigten der Hugendubel-Filiale (vor­mals Buch Habel) im Viern­heimer Rhein-Neckar-Zentrum zur Durchsetzung der tarif­lichen Gehaltserhöhungen trotz des Austritts des Unternehmens aus dem hessi­schen Han­delsverband zum 31. Dezember 2006. Am 13. Mai dieses Jahres urteilte das Bundesar­beits­gericht (BAG) im Sinne einiger Klägerin­nen (Aktenzeichen: 4 AZR 243/14 und 4 AZR 246/14). In deren Arbeitsverträgen aus den 90er Jahren fand sich die Regelung: „Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, findet der Mantel- und Gehaltstarifvertrag Hess. Einzelhandel in der zuletzt gültigen Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung.“

Ein erster Streit unter Juristen war zu der Frage entstanden, ob dieser Verweis auf die „zuletzt“ gültigen Tarifverträge statisch (also in der zum Datum des Arbeits­ver­tragsab­schlusses gültigen Fassung) oder dynamisch (auch für alle nach Ar­beits­vertragsab­schluss in ihrer jeweils gültigen Fassung geltenden Tarifverträge) auszulegen sei. Das BAG stellte unmissverständlich fest, dass es diese Vereinbarung im Arbeitsvertrag „grundsätzlich als dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge des Hessischen Einzelhandels verstanden“ wissen will, wie die von ver.di beauftragte Rechtsvertretung der Kolleginnen, das Gewerkschaftliche Cen­trum für Revision und Europäisches Recht des DGB-Rechtsschutzes, mitteilte.


Die zweite Hürde war die so genannte „Schuldrechtsreform“ von 2001, welche die Unternehmen ab dem 1. Januar 2002 der Verantwortung enthob, sich an solche wie die genannten dyna­mischen arbeitsver­trag­lichen Vereinbarungen gebunden zu fühlen, wenn sie vor diesem Datum abge­schlos­­sen wurden. Zwei der fünf Viern­hei­mer Buchhändlerinnen erhielten allerdings noch nach diesem Stichtag einen oder meh­rere „Nachträge zum Arbeitsvertrag“, in denen es jeweils hieß: „Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort.“ Das Landesarbeits­gericht Frankfurt wies die Klagen allesamt ab, weil es die späteren Änderungsverträge nicht als Neuverträge anerkannte. Dem­ge­genüber wertete das BAG jeden Nachtrag seit 2002 jeweils als Neuvertrag mit den Beschäftigten, so dass die dynamische Verweisklausel auch heute noch gel­te. ver.di machte deshalb jetzt für jede Kol­legin für die Jahre 2012 bis 2015 Nachforderungen von Gehalt sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jeweils mehr als 6.000 Euro geltend. 


Weitere Informationen:
ver.di-Bezirk Südhessen
FB 12
Horst Gobrecht
horst.gobrecht@verdi.de

4 Kommentare:

  1. Respekt und Anerkennung! Euer Beispiel zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen.

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  2. Was wäre ohne Gewerkschaft gewesen? Nix.
    Wer kann sich einen Anwalt leisten der mit einem kleinen Angestellten durch die Instanzen zieht?

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  3. Liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir aus Bayern herzliche Gratulation zu Eurem Erfolg!
    Tarifverträge und Tarifleistungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden.
    Wir hier in Bayern haben was den MTV angeht, noch eine Gnadenfrist bis zum 31. März 2016.
    Ab dann muss jedem Beschäftigten klar sein, dass Engagement gefragt ist. Und das ganze am besten bundesweit, damit endlich diese unsäglichen Vergütungsordnungen durch richtige Tarifverträge ersetzt werden.

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  4. Sehr richtig! Es ist ohnehin eine Schande, dass Tarifverträge nicht eine Selbstverständlichkeit sind!
    In anderen Branchen schaffen die Arbeitnehmer es ja auch, sich zu organisieren und sich zusammen für ihre Interessen einzusetzen. Und ausgerechnet Leute wie wir, die tagtäglich mit Büchern zu tun haben, sollen zu blöd dazu sein?

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