Interview mit dem Anwalt Michael Huber
Infoblog: Du bist
Fachanwalt für Arbeitsrecht und berätst
Betriebsräte, u.a. bei Hugendubel und Weltbild. Welches sind die
Haupttätigkeitsfelder Eurer Kanzlei? Was sind persönliche Schwerpunkte in
Deiner Arbeit als Anwalt?
Michael Huber: Unsere Kanzlei ist ausschließlich auf das Arbeitsrecht
spezialisiert. Aus persönlicher und gesellschaftspolitischer Überzeugung
vertreten wir ausschließlich die Interessen der Beschäftigten und ihrer
Gewerkschaften. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt in der Vertretung von
Betriebsräten vor allem auch in schwierigen Phasen der Restrukturierung und
Insolvenz. Das Themengebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes stellt aktuell
einen weiteren thematischen Schwerpunkt meiner Tätigkeit dar.
Infoblog: Eure Kanzlei vertritt nur Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen. Warum?
Michael Huber: Wir sind davon überzeugt, dass die Arbeitnehmerseite eine
starke und „gegnerfreie“ arbeitsrechtliche Beratung und Vertretung benötigt um
die Chance zu haben, ihre Interessen erfolgreich durchsetzen zu können. Das
Arbeitsrecht, insb. das Betriebsverfassungsgesetz, stellt hohe Anforderungen an
Betriebsräte, die dieses Amt schließlich nicht gelernt haben.
Oftmals sehen
sich Interessenvertreter dann mit einer Übermacht an hochqualifizierten
Beratern auf Arbeitgeberseite konfrontiert, deren Argumenten sie meist nur
schwer entgegentreten können. Hier möchten wir für gleiche Voraussetzungen
bieten. Zu diesem Zweck haben wir uns auch mit anderen auf Arbeitnehmerrecht
spezialisierten Kanzleien in der Allianz „Anwälte für Arbeitnehmer“ verbunden.
Die „Think Tanks“, die die Arbeitgeberseite in international tätigen
Beraterfirmen und Großkanzleien nutzt, gibt es jetzt auch für die
Arbeitnehmerseite.
Der Anwalt
als „Chamäleon“, der je nach Interessenlage der Mandantschaft blind die Seiten
wechselt, funktioniert im Arbeitsrecht ohnehin nicht. Denn dieses wird, wie
auch das Bundesverfassungsreicht einmal festgestellt hat, von einem
grundlegenden Interessenkonflikt beherrscht. Der Betriebsrat ist einseitiger
Vertreter der Interessen der Belegschaft. Das wird durch das
Betriebsverfassungsgesetz nur insoweit modifiziert, dass anstelle möglicher
Konfrontation die Pflicht zur beiderseitigen Kooperation tritt.
Dennoch bleibt
der Betriebsrat Vertreter der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber. Er ist zu
vertrauensvoller Zusammenarbeit verpflichtet, darf dabei aber die Interessen
der Belegschaft nicht zurückstellen. Mitbestimmungsrechte führen immer zu einer
Beschränkung der Unternehmensfreiheit, die jedoch vom Gesetzgeber gewollt und,
wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1985 entschieden hat, von Verfassungs
wegen nicht zu beanstanden ist
Als anwaltlicher Vertreter und Berater von Betriebsräten
habe ich oft nicht nur eine reine Dienstleisterfunktion, sondern vertrete
Arbeitnehmerinteressen und rechtspolitische Positionen unternehmens- und
branchenübergreifend, z. B. in Einigungsstellen oder vor den Arbeitsgerichten.
Hier sind Konsequenz und Glaubwürdigkeit unerlässlich.
Infoblog: Dein Kanzleikollege Rüdiger Helm war
kämpferischer Betriebsratsvorsitzender bei einer Steakhouse-Kette bevor er mit einem
Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung
Jura studierte und Fachanwalt für
Arbeitsrecht wurde. Gab es bei Dir ein ähnliches Schlüsselerlebnis?
Michael Huber: Ein großes Interesse für Geschichte und politische Zusammenhänge
waren für mich der Grund Jura zu studieren. Denn hier finden sich die
„Spielregeln“ des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ein hochambitionierter
Geschichtslehrer hat mich in meiner frühen Schulzeit bereits für das
Arbeitsrecht interessiert, indem er mir die Geschichte der Industrialisierung
näher gebracht hat. Insbesondere das grausame Schicksal der schlesischen
Weberinnen hat sich mir damals eingeprägt. Schon damals hat sich in mir ein
Gerechtigkeitsempfinden, viele würden das wohl als „soziale Ader“ bezeichnen,
herausgebildet. Seit damals bin ich überzeugt, dass man unsere Gesellschaftsordnung
nicht allein den wirtschaftlich Stärkeren überlassen darf. Ich denke, dass man
das als „Initialzündung“ sehen kann.
Kontakte zum gewerkschaftlichen Umfeld während meines
Studiums haben den Wunsch, hier etwas erreichen zu wollen, in mir verstärkt.
Die Arbeitnehmervertretung war daher eine bewusste Entscheidung.
Sollten
Menschrechte im Betrieb nicht selbstverständlich sein?
Michael Huber: Sicher und das Recht sieht das natürlich grundsätzlich
auch vor. Dennoch gibt es viele Beispiele, in denen grundgesetzlich garantierte
Rechte, die im Alltag selbstverständlich sind, im Arbeitsleben zurückgedrängt
oder missachtet werden. Man denke hier nur an den immer größer werdenden
Niedriglohnsektor, an die wachsende Anzahl prekärer Beschäftigungsformen, wie
Befristungen und Leiharbeit. Ein befristet Beschäftigter, der wirtschaftlich
auf einen Anschlussvertrag angewiesen ist, oder ein Leiharbeitnehmer, der auf
eine Übernahme hofft, wird seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber in der Regel
nicht geltend machen; hierzu gehören auch Grundrechte, wie das Recht auf freie
Meinungsäußerung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn es um die
Arbeitsbedingungen geht.
Infoblog: Eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall über die juristische Bekämpfung
von Betriebsräten und Gewerkschaften
zeigt, daß Union Busting durch
Arbeitgeber-Anwälte immer professionellere Formen annimmt. Ist Dir das in Deiner beruflichen
Praxis schon begegnet?
Michael Huber: Selbstverständlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen
Anwälte Arbeitgeber mit dem Ziel beraten, Gewerkschaften zu schwächen.
Ausgründungen von Betrieben auf neue Gesellschaften haben in der Regel die
Schwächung von Arbeitnehmerrechten, zum Beispiel durch Tarifflucht und
Zerschlagung von Betriebsratsstrukturen, zum Ziel. Das deutsche
Gesellschaftsrecht eröffnet den Unternehmern viele Schlupflöcher. Die
Entwicklung, die Ihr beschreibt, und deren Entgegenwirken ist also Teil unserer
täglichen Arbeit. Aber: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Es sind die
Unternehmer, nicht deren Anwälte, die man zum Umdenken zwingen muss. Das kann
nur funktionieren, wenn sich Belegschaften, wie es das Gesetz im Übrigen auch vorsieht,
als Selbstverständlichkeit Betriebsräte wählen und mit Ihren Gewerkschaften für gemeinsame
Interessen eng zusammenstehen und kämpfen. In meiner Tätigkeit gibt es hierfür
zahlreiche Beispiele.
Infoblog: Arbeitgeberverbände finanzieren z.B. an
der Ludwig-Maximilian-Universität ein
„Zentrum für Arbeitsbeziehungen und
Arbeitsrecht“ (ZAAR), das
Arbeitgeberpositionen im Arbeitsrecht durchsetzen möchte, z.B.
ein stärker vertragsrechtliches Denken. Das private Vertragsrecht sagt, Verträge sind ein
hohes Gut, sie werden unter freien und
gleichen Partnern geschlossen.
Diese Freiheit und
Gleichheit gibt es aber für einen
lohnabhängig Beschäftigten nicht. Der ist nämlich auf den Job angewiesen, er ist im Zweifelsfall
deswegen auch dazu bereit, Bedingungen
zu akzeptieren, die er nicht möchte. Institutionen wie
die Gewerkschaften setzen dieser Asymmetrie kollektive Verträge entgegen.
Wie beurteilst Du
diese Versuche einer Ent-Kollektivierung
bzw. Individualisierung durch die
Kapitalseite?
Michael Huber: Dem muss entschieden entgegengewirkt werden, das kann
nicht funktionieren. Denn das geltende Recht geht von einer klaren
Kompetenzverteilung bei der Interessenvertretung der Arbeitnehmer aus. Was
Inhalt eines Tarifvertrags ist kann grundsätzlich nicht Inhalt einer Betriebsvereinbarung
sein und umgekehrt. Das Mittel des Streiks ist einem Betriebsrat verwehrt.
Daher kann Interessenvertretung nur dann erfolgreich sein, wenn, wie es im
Übrigen das Betriebsverfassungsgesetz auch vorsieht, Beschäftigte und ihre
Gewerkschaften mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten. Nur so konnte z. B. bei
Weltbild durch Tarifvertrag eine Sozialplandotierung erreicht werden, die weit
über das hinausgeht, was das Gesetz im Falle einer „nur“ durch den Betriebsrat
abgeschlossenen Vereinbarung erlaubt.
Infoblog: Zum Schluß bitte noch einen goldenen
Ratschlag für ArbeitnehmerInnen?
Michael Huber: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon
verloren. (Brecht).
Infoblog: Lieber Michael, wir danken Dir herzlich für das Gespräch!
Herzlichen Dank aus Augsburg! Herr Huber war ein wichtiger Baustein, um die rausgeworfenen Kolleginnen und Kollegen in ihrer harten Lage zu stützen, aber auch die im Betrieb Verbleibenden vor weiteren Härten durch die Geschäftsführung zu schützen!
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