Montag, 8. Juni 2015

Warum vertreten Sie nur ArbeitnehmerInnen, Herr Huber?


Interview mit dem Anwalt Michael Huber

Infoblog:   Du bist Fachanwalt für Arbeitsrecht und berätst  Betriebsräte, u.a. bei Hugendubel und Weltbild. Welches sind die Haupttätigkeitsfelder Eurer Kanzlei? Was sind persönliche Schwerpunkte in Deiner Arbeit als  Anwalt?

Michael Huber: Unsere Kanzlei ist ausschließlich auf das Arbeitsrecht spezialisiert. Aus persönlicher und gesellschaftspolitischer Überzeugung vertreten wir ausschließlich die Interessen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt in der Vertretung von Betriebsräten vor allem auch in schwierigen Phasen der Restrukturierung und Insolvenz. Das Themengebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes stellt aktuell einen weiteren thematischen Schwerpunkt meiner Tätigkeit dar.

Infoblog:  Eure Kanzlei vertritt nur Arbeitnehmer und  Arbeitnehmerinnen. Warum?


Michael Huber: Wir sind davon überzeugt, dass die Arbeitnehmerseite eine starke und „gegnerfreie“ arbeitsrechtliche Beratung und Vertretung benötigt um die Chance zu haben, ihre Interessen erfolgreich durchsetzen zu können. Das Arbeitsrecht, insb. das Betriebsverfassungsgesetz, stellt hohe Anforderungen an Betriebsräte, die dieses Amt schließlich nicht gelernt haben.
Oftmals sehen sich Interessenvertreter dann mit einer Übermacht an hochqualifizierten Beratern auf Arbeitgeberseite konfrontiert, deren Argumenten sie meist nur schwer entgegentreten können. Hier möchten wir für gleiche Voraussetzungen bieten. Zu diesem Zweck haben wir uns auch mit anderen auf Arbeitnehmerrecht spezialisierten Kanzleien in der Allianz „Anwälte für Arbeitnehmer“ verbunden. Die „Think Tanks“, die die Arbeitgeberseite in international tätigen Beraterfirmen und Großkanzleien nutzt, gibt es jetzt auch für die Arbeitnehmerseite.

 Der Anwalt als „Chamäleon“, der je nach Interessenlage der Mandantschaft blind die Seiten wechselt, funktioniert im Arbeitsrecht ohnehin nicht. Denn dieses wird, wie auch das Bundesverfassungsreicht einmal festgestellt hat, von einem grundlegenden Interessenkonflikt beherrscht. Der Betriebsrat ist einseitiger Vertreter der Interessen der Belegschaft. Das wird durch das Betriebsverfassungsgesetz nur insoweit modifiziert, dass anstelle möglicher Konfrontation die Pflicht zur beiderseitigen Kooperation tritt.
Dennoch bleibt der Betriebsrat Vertreter der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber. Er ist zu vertrauensvoller Zusammenarbeit verpflichtet, darf dabei aber die Interessen der Belegschaft nicht zurückstellen. Mitbestimmungsrechte führen immer zu einer Beschränkung der Unternehmensfreiheit, die jedoch vom Gesetzgeber gewollt und, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1985 entschieden hat, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist

 Als anwaltlicher Vertreter und Berater von Betriebsräten habe ich oft nicht nur eine reine Dienstleisterfunktion, sondern vertrete Arbeitnehmerinteressen und rechtspolitische Positionen unternehmens- und branchenübergreifend, z. B. in Einigungsstellen oder vor den Arbeitsgerichten. Hier sind Konsequenz und Glaubwürdigkeit unerlässlich.

 Infoblog:   Dein Kanzleikollege Rüdiger Helm  war  kämpferischer Betriebsratsvorsitzender bei einer  Steakhouse-Kette bevor er mit einem Stipendium der  Hans-Böckler-Stiftung Jura studierte und Fachanwalt für  Arbeitsrecht wurde. Gab es bei Dir ein ähnliches  Schlüsselerlebnis?

 Michael Huber:   Ein großes Interesse für Geschichte und politische Zusammenhänge waren für mich der Grund Jura zu studieren. Denn hier finden sich die „Spielregeln“ des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ein hochambitionierter Geschichtslehrer hat mich in meiner frühen Schulzeit bereits für das Arbeitsrecht interessiert, indem er mir die Geschichte der Industrialisierung näher gebracht hat. Insbesondere das grausame Schicksal der schlesischen Weberinnen hat sich mir damals eingeprägt. Schon damals hat sich in mir ein Gerechtigkeitsempfinden, viele würden das wohl als „soziale Ader“ bezeichnen, herausgebildet. Seit damals bin ich überzeugt, dass man unsere Gesellschaftsordnung nicht allein den wirtschaftlich Stärkeren überlassen darf. Ich denke, dass man das als „Initialzündung“ sehen kann.

 Kontakte zum gewerkschaftlichen Umfeld während meines Studiums haben den Wunsch, hier etwas erreichen zu wollen, in mir verstärkt. Die Arbeitnehmervertretung war daher eine bewusste Entscheidung.

  Infoblog:  Die Homepage Eurer Kanzlei heißt www.menschenrechte-im-betrieb.de

 Sollten Menschrechte im Betrieb nicht selbstverständlich sein?

 Michael Huber:  Sicher und das Recht sieht das natürlich grundsätzlich auch vor. Dennoch gibt es viele Beispiele, in denen grundgesetzlich garantierte Rechte, die im Alltag selbstverständlich sind, im Arbeitsleben zurückgedrängt oder missachtet werden. Man denke hier nur an den immer größer werdenden Niedriglohnsektor, an die wachsende Anzahl prekärer Beschäftigungsformen, wie Befristungen und Leiharbeit. Ein befristet Beschäftigter, der wirtschaftlich auf einen Anschlussvertrag angewiesen ist, oder ein Leiharbeitnehmer, der auf eine Übernahme hofft, wird seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber in der Regel nicht geltend machen; hierzu gehören auch Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht.

 Infoblog:   Eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung  der IG Metall über die juristische Bekämpfung von  Betriebsräten und Gewerkschaften zeigt, daß Union Busting  durch Arbeitgeber-Anwälte immer professionellere Formen annimmt. Ist Dir das in Deiner beruflichen Praxis schon  begegnet?

 Michael Huber:   Selbstverständlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen Anwälte Arbeitgeber mit dem Ziel beraten, Gewerkschaften zu schwächen. Ausgründungen von Betrieben auf neue Gesellschaften haben in der Regel die Schwächung von Arbeitnehmerrechten, zum Beispiel durch Tarifflucht und Zerschlagung von Betriebsratsstrukturen, zum Ziel. Das deutsche Gesellschaftsrecht eröffnet den Unternehmern viele Schlupflöcher. Die Entwicklung, die Ihr beschreibt, und deren Entgegenwirken ist also Teil unserer täglichen Arbeit. Aber: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Es sind die Unternehmer, nicht deren Anwälte, die man zum Umdenken zwingen muss. Das kann nur funktionieren, wenn sich Belegschaften, wie es das Gesetz im Übrigen auch vorsieht, als Selbstverständlichkeit Betriebsräte wählen und  mit Ihren Gewerkschaften für gemeinsame Interessen eng zusammenstehen und kämpfen. In meiner Tätigkeit gibt es hierfür zahlreiche Beispiele.

 Infoblog:   Arbeitgeberverbände finanzieren z.B. an der  Ludwig-Maximilian-Universität ein „Zentrum für  Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht“ (ZAAR), das  Arbeitgeberpositionen im Arbeitsrecht durchsetzen möchte,  z.B.  ein stärker vertragsrechtliches Denken. Das  private Vertragsrecht sagt, Verträge sind ein hohes Gut,  sie werden unter freien und gleichen Partnern geschlossen.
Diese Freiheit und Gleichheit gibt es aber für einen  lohnabhängig Beschäftigten nicht. Der ist nämlich auf den  Job angewiesen, er ist im Zweifelsfall deswegen auch dazu  bereit, Bedingungen zu akzeptieren, die er nicht möchte.  Institutionen wie die Gewerkschaften setzen dieser Asymmetrie  kollektive Verträge entgegen.
Wie beurteilst Du diese Versuche einer  Ent-Kollektivierung bzw. Individualisierung durch die  Kapitalseite?

Michael Huber:  Dem muss entschieden entgegengewirkt werden, das kann nicht funktionieren. Denn das geltende Recht geht von einer klaren Kompetenzverteilung bei der Interessenvertretung der Arbeitnehmer aus. Was Inhalt eines Tarifvertrags ist kann grundsätzlich nicht Inhalt einer Betriebsvereinbarung sein und umgekehrt. Das Mittel des Streiks ist einem Betriebsrat verwehrt.
Daher kann Interessenvertretung nur dann erfolgreich sein, wenn, wie es im Übrigen das Betriebsverfassungsgesetz auch vorsieht, Beschäftigte und ihre Gewerkschaften mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten. Nur so konnte z. B. bei Weltbild durch Tarifvertrag eine Sozialplandotierung erreicht werden, die weit über das hinausgeht, was das Gesetz im Falle einer „nur“ durch den Betriebsrat abgeschlossenen Vereinbarung erlaubt.

 Infoblog:   Zum Schluß bitte noch einen goldenen Ratschlag  für ArbeitnehmerInnen?

 Michael Huber:   Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. (Brecht).

Infoblog:   Lieber Michael, wir danken Dir herzlich für das Gespräch!

 

 

 

 

               

1 Kommentar:

  1. Herzlichen Dank aus Augsburg! Herr Huber war ein wichtiger Baustein, um die rausgeworfenen Kolleginnen und Kollegen in ihrer harten Lage zu stützen, aber auch die im Betrieb Verbleibenden vor weiteren Härten durch die Geschäftsführung zu schützen!

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