Dienstag, 23. Dezember 2014

„Gemeinsam, im Gleichgewicht vorwärts schreiten!“

"Unser Dorf im Senegal":  Interview mit Fritz Schmalzbauer



Infoblog-Redaktion:  Fritz, Du bist in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig. Was verschlägt eigentlich Dich und die anderen beteiligten Gewerkschafter/innen in ein abgelegenes Dorf im Senegal?
Fritz:  Ganz einfach: Der Dorfsprecher Demba Ba (spielt nicht Fußball) arbeitet in der bayrischen Justizverwaltung und ist Verdi-Mitglied, ebenso wie seine Personalratskolleginnen (im Beruf Bewährungshelferinnen). 2010 fand die erste „Expedition“ statt. Ausgerüstet mit Medikamenten und Schulmaterial kamen die Verdileute bis Sinthiou Mbal im nördlichen, besonders armen Senegal (Region Matam) an. Fünf weitere Besuche, darunter die Teilnahme am Weltsozialforum (Senegal 2012) folgten.

Mit welchem Projekt habt ihr angefangen?
Fritz:  Zunächst ein „Gartenprojekt“. Man stelle sich zwei Fußballfelder große umzäunte Anpflanzungen vor. Tja, der Maschendrahtzaun: Bei unserer Ankunft lag er noch unbeachtet in einer Ecke. Dann „entdeckten“ wir ein Nachbardorf mit einem großen, von den Franzosen unterstützten Gemüsegarten. Warum es in „unserem Dorf“ nichts Vergleichbares gibt? Die Frauen deuteten auf die wenigen Männer (der größte Teil verdient Geld in der Emigration), denn die müssten erst einmal die beiden Gelände einzäunen. Beim nächsten Besuch standen die Zäune, in einem Frühbeet wurden Pflanzen herangezogen… Kommentar: „Unser Garten wir noch schöner“. Wir beschlossen, einen Fonds einzurichten, aus dem Saatgut, Gartengeräte, Material für die Zäune und Seile und Rollen für die Tiefbrunnen gekauft werden konnten (Zunächst 500€).

 

Wasser spielt eine wichtige Rolle, oder?
Fritz: Genau, nämlich Gießwasser: Aus 20 Metern Tiefe, mit Seilen von den Frauen zweimal am Tag hochgezogen… Mühselig und – vor allem für Schwangere und Ältere – gesundheitsgefährdend. Was liegt näher, als nächstens eine Schwemmpumpe mit Solarenergie zu installieren.


Was verändert sich bei der Ernährung?
Fritz: Der Speiseplan wird reichhaltiger: Das Volk der Peulh ist traditionell ein Hirtenvolk. Gemüse reichert die bescheidene Küche an. Verkaufte Überschüsse machen die Frauen von den Männern unabhängiger. Dazu braucht es Zusatzkenntnisse: Wie und was anpflanzen (traditionell in der Regenzeit Mais), Gemüse, Gewürze. Wir unterstützen ein Ausbildungsprojekt durch einen Agrarökonomen.

Stichwort Bildung: auch hier habt ihr einiges bewegt?
Fritz:   Das Dorf hat auf Initiative aus München (schon vor uns) eine mehr als dürftige Grundschule. Aber immerhin. Die Barriere zwischen der Volkssprache Pulaar und der Amtssprache Französisch wird für die Jungen und deren Familien herabgesetzt – Voraussetzung, um sich weiter entwickeln zu können. Was fehlt, ist ein „Collège“, eine Mittelschule. Die Kinder müssen stundenlang bei großer Hitze und Staub (manchmal über 40 Grad) lange Wege zurücklegen. Auf eine gemeinsame Initiative hin wurde ein Grundstück reserviert. Was noch fehlt, ist die Schule. Auch die wird einiges kosten. Steht sie, stellt der Staat die Lehreinnen. Wissen ist der Schlüssel: Nur wer mehr weiß, wird sich gegen (verbotene) Geschlechtsverstümmelung zur Wehr setzen, wird auf Gesundheitsgefahren gezielt reagieren können und sein Schicksal in der Gemeinschaft meistern können.


Euer Projekt heißt "Bamtaare". Was hat das Wort für eine Bedeutung?
Fritz:  "Solidarität" heißt in der Peulh-Sprache "Bamtaare". „Gemeinsam, im Gleichgewicht vorwärts schreiten“. Für die Verdi-Leute vom 2010 gegründeten Verein heißt das: Von „unserem Dorf“ lernen, gemeinsame Projekte unterstützen. Wir kämpfen gegen den Neokolonialismus von Hilfsprojekten mit politischer und ökonomischer Absicht. Dabei hilft uns eine Entwicklungsspezialistin vor Ort. Monatlich berichtet sie über den Fortlauf, aber auch über die Hürden, nachzulesen entweder in www.bamtaare-senegal.de oder auf Facebook bamtaare-senegal2010. Wir ersetzen die Auslagen.
Lieber Fritz, vielen Dank für das Gespräch!  Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg.


Wer das Projekt unterstützen will, kann dies hier tun:

Spenden (gemeinnützig): BAMTAARE - SENEGAL 2010 e. V.
IBAN DE29 7015 0000 1001 4227 97           Konto 100 14 22 797
BIC-/SWIFT SSKMDEMMXXX                       BLZ 70150000 (Stadtsparkasse München)
Projektverantwortlich: Fritz Schmalzbauer




Die Infoblog-Redaktion wünscht
allen Kolleginnen und Kollegen
erholsame Feiertage und
ein solidarisches und kämpferisches
Neues Jahr 2015!













1 Kommentar:

  1. Herzlichen Dank an die Blog-Redaktion. Im April werde ich mit einer Kollegin wieder in den Senegal reisen, um die Frage eines mit Solarenergie betriebenen Pumpensystemas zu klären. Großzügige Spenden aus KollegInnenkreisen haben uns ein gutes Stück weiter gebracht.

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