Mittwoch, 23. Februar 2011

Der Untergang von Borders

Die SZ über das Ende der US-Buchhandelskette

"(...)
Diese größte Buchhandelsinsolvenz der Geschichte steht für die Krise gleich mehrerer verschiedener Geschäftsansätze für Bücher. Die Amerikaner trauern jetzt um ihre Borders-Geschäfte. Man trank hier Kaffee, las Zeitungen, Zeitschriften und kaufte vielleicht auch eine DVD oder sogar ein Buch.
Das war der erste Geschäftsansatz: Die Errichtung einer möglichst geschlossenen Lounge-Welt, in der Konsumverhalten einfach nur als Seiteneffekt dauerhaften Rumhängens eintreten sollte. In seiner deutschen Variante läßt sich das Phänomen in jeder Hugendubel- oder Thalia-Großbuchhandlung besichtigen.
(...)
Aber mögen die Platzhirsche auch ihre Stellung ausnutzen und dem restlichen Buchmarkt oftmals brutal ihre Bedingungen diktieren, so stehen doch auch sie dabei unter Zugzwang. Die Borders-Pleite zeigt, in welche Sackgassen der Kampf um Marktführerschaft münden kann. Als zweiter Geschäftsansatz bedeutet das Konzept von Super-Stores nämlich bislang ständige Expansion. Weil der Ladenverkauf von Büchern durch den Internet-Handel einbricht, muss der sogenannte Non-Book-Bereich ununterbrochen immer weiter ausgebaut werden. Borders in den USA wird unter anderem wegen genau diesem forcierten Non-Book-Geschäft zu Grabe getragen.
(...)
Der Tod von Buchhandlungen führt aber noch lange nicht zum Tod der Leser. Weniger Buchhandlungen, das bedeutet mehr über das Internet bestellte Bücher und E-Books. Als dritter Geschäftsansatz haben so alle Buchhändler zu überlegen, wie sie neue Vertriebswege beschreiten können, und hier hat Borders vermutlich seine schwersten Fehler gemacht. 2010 war das meist verkaufte Produkt von Amazon in den USA das Lesegerät Kindle. Buchkettenprimus Barnes & Noble ist mit einem eigenen Lesegerät erfolgreich in den Markt eingestiegen, Borders ließ sich abhängen.
(...)
Halff reagiert darauf, indem er für seine Kette "Multichannel"-Verkauf auf allen Kanälen anvisiert, bei dem Bücher fortan zugleich in den Geschäften und rund um die Uhr im Internet "gut inszeniert" werden sollen.
Inszenierung und Internethandel, das bedeutet nun freilich auch die Abkehr vom expansiven Ausbau immer neuer Non-Book-Lounge-Tempel. (...) Das ist freilich ein vierter, neuer Geschäftsansatz. Ihn hat Borders in den USA eben gerade nicht verfolgt.

Wenigstens einmal stellt diese Umstellung die großen Ketten vor Probleme, die die verbliebenen selbständigen Buchhändler so nicht kennen. Denn den Weg vom Kaufhaus-Ideal zum Tchibo-Ideal müssen sie nicht gehen, ihr Pfund ist ja gerade die individuelle Kundenbindung.
(...)."


Zitate aus: Florian Kessler: Zurüstungen für den Leser in digitalen Zeiten, in SZ vom 18. Februar 2011, S. 12

10 Kommentare:

  1. Ich sehe hier eindeutige Parallelen. Die ständige Expansion, die jahrelang auch bei Hugendubel praktiziert wurde. Ebenso wird bei uns der Non-Book-Bereich immer mehr ausgebaut, um dem Internethandel etwas entgegenzusetzen. 
    Wie man hier sieht, scheint dies nicht der richtige Weg gewesen zu sein. Hugendubel sollte schnellstens seine Strategie überdenken. Es scheint, als ob Hugendubel mehr ein Warenhaus sein möchte, als eine Buchhandlung.

    Gerade als Kunde legt man in einer Buchhandlung Wert auf gute Beratung. Dies muss als Chance gegenüber dem Internethandel genutzt werden.
    Nur leider setzt Hugendubel wohl dabei auf das "Selbstbedienungskonzept".
    Immer weniger Mitarbeiter. Das scheint das Ziel zu sein. Außerdem muss man Bedenken, gute Beratung kostet nun mal gutes Geld. Hier sollte Hugendubel investieren. 
    Gute Bezahlung der Mitarbeiter heißt das Stichwort! 
    Ich darf auf die jetzt übliche Praxis mit der Entlohnung Tarifgruppe II für Buchhändler hinweisen. Dadurch wird bestimmt niemand ermutigt im Buchhandel Fuß zu fassen bzw. überhaupt eine Lehre zu beginnen. Denn auch wenn man es nicht gerne hört, der Mitarbeiter wird auch durch guten Lohn motiviert. Einer der wichtigsten Punkte überhaupt! Guter Lohn für gute Arbeit.
    Also: aus TG II kann auch wieder TG III werden.
    Allerdings sieht die GL im Personal nur einen Kostenfaktor, der reduziert werden muss. Immer weiter soll dieser Punkt reduziert werden. Dass der Mitarbeiter etwas wertvolles dafür gibt und zwar seine gute Arbeitsleistung, wird nicht anerkannt. 
    Gute Leute bekommt man nun mal nur durch ein gutes Gehalt!
    Aber Mitarbeiter sind bei Hugendubel eine aussterbende Spezies, da muss man sich ja über das Gehalt keine Gedanken machen.

    Ebenso sollte eigentlich in die Ausbildung und in Azubis investiert werden. Als große Buchhandlung hat Hugendubel dafür Sorge zu tragen, dass weiterhin ausgebildet wird.
    Und nicht wie jetzt z.B für Herbst in München geplant, mit gerade mal 8 Azubis. Es gibt 9 Filialen in München. Das bedeutet knapp 1 Azubi pro Filiale!
    In Berlin müssen die Azubis gar ihre Ausbildung mit ca. 700-, Eigenanteil pro Schulblock selbst bezahlen. Mit ihrem Azubigehalt!
    Das bedeutet, der Azubi (meist Abiturient) zahlt für seine Ausbildung nicht gerade wenig und hat aber dann so gut wie keine Chance später überhaupt übernommen zu werden!
    Und falls er doch dieses Glück hat, dann darf er zu einem winzigen Gehalt arbeiten, mit dem man in der Großstadt kaum leben kann, nämlich für TGII.
    Da kann man noch so viel Idealismus haben, ohne guten Lohn gibt es nun mal kein gutes Auskommen und kein menschenwürdiges Leben.
    Allerdings muss man wohl froh sein, dass überhaupt wieder ausgebildet wird. So weit sind wir schon.
    Aber: Als Branchenriese steht Hugendubel in der Verantwortung für Nachwuchs zu sorgen!

    Wenn man diesen SZ-Artikel liest, dann kann man eigentlich nur noch auf den Zeitpunkt warten, wann bei Hugendubel der "Ausverkauf" beginnt.
    Borders macht es gerade vor und Hugendubel ist auf dem besten Weg dorthin

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  2. Interessanter Kommentar im Börsenblatt;
    Tenor: schuld ist weniger das Internet, sondern ungebremste Expansion und Managementfehler.

    www.boersenblatt.net/414580/

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  3. Jetzt mal ehrlich...: Wer glaubt denn noch ein einen guten Ausgang? Mit der Geschäftsleitung? Mit diesem Firmenmodell? Mit dieser "Führung"?

    Ist klar.

    Wir kaufen ganz viel Schrott und müllen uns auf Kosten des Fachbuchs die Läden zu. Dann, oh Wunder, bleiben plötzlich die Fachbuchumsätze weg, wem kann man die Schuld in die Schuhe schieben...mhh, ah ja, na klar:
    dem Internet!
    Also: Fachbuch lohnt nicht mehr, schmeißen wir noch mehr Fachbuch raus, legen dafür noch mehr Schrott in die Filialen. Wie nennen wir das positiv....mhh, ah ja, na klar:
    Spontankäufer statt Zielkäufer!
    Und da Spontankäufer nichts Anspruchsvolles mehr brauchen und es im Fachbuch doch fast einwandfrei geklappt hat, "ergänzen" wir alle anderen Sortimente "Umsatz fördernd" mit...mhh, ah ja, na klar:
    Plastikschrottspielzeug und Rumhängsel!

    Diese Strategie ist einfach, aber dumm. Genauso unüberlegt wie die massive Expansion der Filialflächen. Die Erweiterung des Non-Book Segments wird bald an seine Grenze kommen. Buchkunden werden auf Grund des Schrotts wegbleiben. Schon jetzt hat Spielemax ein besseres Sachbuchsortiment zum Thema Schwangerschaft und Geburt als viele unsere Filialen. Traurig! Der massiven Erweiterung des Non-Books wird in den kommenden Jahren wieder ein massiver Rückbau folgen. Da helfen auch keine Standartsortimente.

    Die Geschäftsleitung versucht ihr Buchhandelsunternehmen mit den falschen Strategien zu erhalten. Selbstbedienung bekomme ich als Kunde im Internet. In einer Buchhandlung möchte ich eine große vielfältige Auswahl und kompetente Beratung, welche ich bei Hugendubel kaum noch bekomme.

    Der Umsatzplan sagt, was ich bisher geschrieben habe. Ja, Non-Book boomt, aber auf Kosten der anderen Warengruppen. Wir sind im Gesamtumsatz unter dem Plan und unter dem Vorjahr.

    B.

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  4. Man vermisst auch seit langem das Bemühen der Firma, sich an den jeweiligen Standorten mit Ideen und Kreativität am Markt zu behaupten: wenig bis gar keine Veranstaltungen, kaum Teilnahme am literarischen Geschehen der Stadt (siehe Berlin), regionales Marketing Fehlanzeige - so verliert man die noch vor Jahren mit Stolz für Berlin behauptete "Marktführerschaft", und das Führungspersonal entzieht sich der Verantwortung dann mit Hinweisen auf den selbst forcierten "Strukturwandel".

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  5. Es ist nicht überall so. Ein gelungenes Beispiel für lokales Engagement in Berlin ist Hugendubel bei Karstadt am Hermannplatz - die Zusammenarbeit z. B. mit dem Heimathafen Neukölln in Sachen Lesungen, Buchvorstellungen, Veranstaltungen ist vorbildlich.

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  6. Das "Ausdünnen" der Sortimente, weniger Titelvielfalt zugunsten grosser Stapel-Inszenierung - nicht alle Kunden sind glücklich über diese Entwicklung. Und wenn man sieht, welche Stapel-Mengen remittiert werden, kann man als Buchhändler über dieses Geschäftsmodell manchmal nur noch den Kopf schütteln.

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  7. Nicht zu unterschätzen ist die Frage, wie sehr sich die Mitarbeiter in dieser Art von Buchhandel noch wiederfinden. Sind sie mit Freude und Enthusiasmus bei der Sache, haben sie Einflussmöglichkeiten, werden sie als 'Schnittschnelle' zum Kunden bei Fortentwicklungen um Rat gefragt? Bei Hugendubel spürt man wenig davon.

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  8. Zu uns kommen die Kunden schon noch gern, sie sind nur irritiert, dass so wenig Personal da ist und die Sortimentstiefe im Laufe der Jahre so abgenommen hat.

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  9. Das sog. Non-Book wird ja seit langem als Allheil-Mittel propagiert, in der Umsetzung wirkt es aber wie eine Verlegenheitslösung; verdeckt wird damit die anhaltende Ratlosigkeit und wohl auch Konzeptionslosigkeit der Geschäftsleitung.
    Die Frage, wie man in Zukunft überzeugend Bücher verkaufen kann, stellt man sich schon länger nicht. Es ist o. k., wenn ein Teil des Umsatzes aus sog. Non-Book resultiert, warum feilt die Firma aber nicht auch stärker an ihrem Profil als traditionsreiches Buchhandelsunternehmen? Und Stapel-Titel "statt" Tiefe? Warum immer diese Entweder-Oder-Haltung? Auch kaufmännisch erscheint mir das wenig überzeugend.

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  10. In einigen Habel-Filialen, die jetzt "integriert" sind und Hugendubel heißen hatten wir Unfassbare Nonbookumsätze. Der Gesamtjahres Umsatz im NB-Bereich kommt nicht an die damaligen Weihnachtsumsätze heran. Wir verkaufen jetzt Plastik-Müll für Kinder (80% ist kaputt bevor es verkauft wird) und hinken im Erwachsenenbereich dem Trend zwei Jahre hinterher anstatt mittendrinn zu sein.
    Die Kunden, die uns nur wegen unserem Nonbook-Sortiment besuchten sind weg und mit ihnen der Umsatz.
    Das Ostersortiment kann ich nur als Gesundheitsgefährdend betrachten da eingeatmete, herumfliegende Fussel dem Asthmatiker das Atmen zur Hölle machen. Danke an das Kompetenzteam...wir sind also ein teures NANUNANA geworden, mit Büchern, welche wir so "dahinstapeln". Sieht ja nett und Übersichtlich aus, wie wir das bauen sollen aber für die Kunden ist es langweilig.
    Das Abenteuer ein Schätzchen in einem breiten Sortiment auszugraben und sich daran zu erfreuen ist dem Kunden damit aber nicht mehr gegeben und selbiger fühlt sich um sein "Einkaufserlebnis" betrogen.
    Desweiteren bekommen wir zwanzig Exemplare vom Titel xy, stöhnen laut auf, warten drei Monate und schicken 19 zurück weil der Titel bestenfalls einmal im Regal stehen sollte. Welche Titel das sind ist ja in jeder Filiale anders.
    Hugendubel fühlt sich an wie ein starres, unbewegliches Gebilde am Markt. Als Buchhändler bin ich jedenfalls nichts mehr wert...

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