Mittwoch, 9. Februar 2011

Betriebsrat – Eine Schönwetterveranstaltung?

Kürzlich war an dieser Stelle („Die Pflicht zur Vertretung“) recht heftige Kritik zu hören, viele Betriebsräte bei Hugendubel seien nicht genügend konfliktbereit und gegenüber unserem Arbeitgeber zu wenig standfest. Außerdem klang dieses Urteil schon sehr pauschal.
Dass unsere Interessenvertretungen keineswegs die Auseinandersetzung scheuen, wenn diese nötig ist, sei an einigen Beispielen aus München illustriert:


Im Jahre 2004 schickte sich Hugendubel ziemlich unvermittelt an, die jahrelang bewährte Eingruppierungspraxis im Unternehmen über den Haufen zu werfen. Azubis sollten nicht mehr wie bisher nach ihrer Übernahme die Tarifgruppe III des Bayrischen Buchhandelstarifvertrags erhalten, sondern nunmehr eine Stufe weiter unten in die TG II eingruppiert werden. Das waren schon einmal über 50 € weniger. Zur Bezahlung von Kassenkräften wurde sogar die bis dahin in der Praxis kaum genutzte Tarifgruppe I herangezogen. Das machte dann mehr als 150 € Miese im Geldbeutel.
Der Betriebsrat akzeptierte diese Eingruppierungen nicht, weil sie dem Tarifvertrag widersprachen, sondern machte von seinem Recht Gebrauch, seine Zustimmung hierzu zu verweigern. Von der Arbeitgeberseite wurde die Sache dann ordentlich verschleppt. Der BR ließ nicht locker, sondern zwang das Unternehmen vor das Arbeitsgericht. Dass der Widerstand letztlich erfolglos blieb, hing mit dem beträchtlichen Erpressungspotential zusammen, das Arbeitgebern in Personalfragen zur Verfügung steht. Man drohte ganz einfach an, überhaupt keine Azubis mehr zu übernehmen, wenn die Forderung nach der TG III aufrecht erhalten würde. Leider gelang es nicht, der Belegschaft ausreichend deutlich zu machen, was es bedeutet, ein Einfallstor für schlechtere Bezahlung zu öffnen.

2007 musste der BR dann hören, dass bei den Jubiläumszahlungen künftig das „Nasenprinzip“ gelten sollte. Der Arbeitgeber wollte es sich vorbehalten, die Prämie nur noch denjenigen Beschäftigten auszubezahlen, die es seiner Meinung nach auch wirklich „verdient“ hätten. Weil das Hugendubel selbst wohl ein bisschen peinlich war, wurde klammheimlich so verfahren. Einige aufmerksame KollegInnen brachten diese skandalöse Praxis schließlich doch an den Tag.
Und wie reagierte der Betriebsrat? Mit einem Schulterzucken? Nein, auch hier schöpfte er seine rechtlichen Möglichkeiten aus. Das Arbeitsgericht München stellte schließlich in einem Vergleich fest, dass alle Beschäftigten nach Erreichen einer „Nettoarbeitszeit“ (Abwesenheitszeiten wie Elternzeit etc. werden nicht berücksichtigt) von 10 Jahren Anspruch auf eine Prämie in Höhe von 310 € haben, nach 25 Jahren werden 620 € bezahlt. Hugendubel wurde also gezwungen, auch künftig diese Zahlungen zu leisten.

Nächstes Beispiel: Ladenschluss, genauer die Shoppingnacht im September.
Nun werden viele KollegInnen müde lächeln und sich vielleicht fragen, warum man bei einer Sonderöffnung in München so ein Aufheben macht. Sie sollten sich bitte daran erinnern, dass in anderen Städten auch einmal „klein“ angefangen wurde.
Weil er keinen Präzedenzfall für weitere Begehrlichkeiten schaffen wollte, lehnte der Betriebsrat 2007 seine Zustimmung zur Shoppingnacht hartnäckig ab.
Leider passierte dann genau das, was den notwendigen Widerstand gegen Sonderöffnungen so schwer macht: Betriebsräte anderer Unternehmen im Einzelhandel knickten frühzeitig ein und in der Belegschaft fanden sich genügend Freiwillige. Natürlich hätte man hier weitermachen und ein sog. „Einigungsstellenverfahren“ durchziehen können. Die Erfahrung zeigt aber, dass ein BR auf diesem Wege in Sachen Ladenöffnung so gut wie nie erfolgreich ist.

Einmal erfolgreich, zweimal erfolglos – welche Schlüsse zieht man nun daraus?

1.    Ein noch so engagierter Betriebsrat wird auch bei Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel an seine Grenzen stoßen, wenn die Beschäftigten nicht ausreichend mitziehen.
2.    Wenn er es für notwendig hält, muss der BR Härte zeigen, auch wenn der Ausgang ungewiss ist. Nur so lernt ein Arbeitgeber, ihn als Partner zu behandeln.

Übrigens müssen nicht immer die großen Keulen geschwungen werden, wenn der BR etwas durchsetzen will. Hartnäckigkeit führt vielfach auch schon zum Ziel.

Unsere Betriebsräte nehmen ihren Auftrag sehr ernst, die Interessen der Be-schäf¬tigten bestmöglich zu vertreten. Wer der Meinung ist, dass sie das in bestimmten Fällen nicht tun, möge das zu recht kritisieren. Pauschalurteile sind aber wie immer fehl am Platz!

1 Kommentar:

  1. "Ein noch so engagierter Betriebsrat wird auch bei Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel an seine Grenzen stoßen, wenn die Beschäftigten nicht ausreichend mitziehen."

    Hinter diesen Satz möchte ich drei Ausrufezeichen setzen!!!

    Als der Betriebsrat 2004 Widerstand gegen die geplante Eingruppierungspraxis leisten wollte, fielen ihm Aubis, Kolleginnen und Kollegen mit einer Anti-BR-Liste in den Rücken.
    Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser "Liste" liessen sich vom Erpressungspotenzial der GL einschüchtern, überhaupt keine Azubis mehr zu übernehmen, wenn die Forderung nach der TG III aufrecht erhalten würde.

    Und was ist die Konsequenz dieser unsolidarischen Aktion heute?
    Wieviele Azubis werden denn heute übernommen?

    Wer bekommt denn heute noch einen unbefristeten Arbeitsvertrag (natürlich TG2, nicht TG3)?
    Diese Aktion war nicht nur unsolidarisch, sondern langfristig dumm und schädlich!

    Erinnert sich heute noch einer der damals beteiligten kolleginnen und Kollegen an den Unsinn, den er/sie damals verzapft hat?
    Wahrscheinlich nicht; alles wieder schön verdrängt (ist halt so, kann man nichts machen etc.)

    Und die GL ist der lachende Dritte.

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