Donnerstag, 5. Juli 2018

Wie weit reichen Arbeitnehmerinteressen?

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Se non è vero, è ben trovato – mag sich mancher denken: wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Aber die allerbesten Geschichten erfindet das Leben. Ein älterer Herr kam in unsere Buchhandlung und fragte nach einem Rechtsratgeber über die Durchführung von Betriebsratswahlen. Beiläufig erzählte er, ihm gehöre ein kleiner Handwerksbetrieb – und seine Arbeiter wollten einen Betriebsrat gründen. Das seien wirklich prima Leute, aber sowas könnten die nicht selber. Deshalb müsse er sich jetzt informieren, wie man es richtig macht – um ihnen zu helfen.

Dass gerade solch ein herzensguter und treusorgender Paternalismus böse ins Gegenteil umschlagen kann, versteht sich, macht aber - gesamtperspektivisch betrachtet – nichts, da er selten genug ist. Bei Hugendubel jedenfalls spüren wir kaum noch viel davon. Deshalb haben unsere diesjährigen Betriebsratswahlen in München erneut klar gezeigt: die Mehrheit der Belegschaft setzt nicht auf die Menschenfreundlichkeit des Arbeitgebers, sondern auf eine engagierte und kämpferische Interessenvertretung, die dafür bekannt ist, dass ihr, wenn nötig, knackige Konflikte lieber sind als faule Kompromisse. Und das ist gut so! Denn auch hier gilt: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Bei den - mitunter massiven – Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen in unseren Betrieben geht es nämlich meist um wesentlich mehr als lediglich um individuelle Vorlieben, Abneigungen Befindlichkeiten einzelner Chefs und Firmeninhaber. Hinter Fast all den vielerlei verschiedenen Konflikten, die zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite tagtäglich irgendwo brodeln, steckt ein genereller und grundlegender Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital, der sich wie der Andreasgraben nicht nur quer durch die Unternehmen zieht, sondern auch durch unser ganzes soziales Leben. Lange ließ sich dies leugnen. Doch werden die Beben und die Risse heute immer deutlicher wieder sichtbar und spürbar.

Die wirtschaftlichen Ziele, die Arbeitgeber in zentralen Fragen – etwa der Lohn- oder Personalpolitik – verfolgen, gleichen sich letztlich von Betrieb zu Betrieb, von Firma zu Firma, von Konzern zu Konzern – und dies umso mehr, je erbitterter und gnadenloser ihre Unternehmen konkurrieren. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer: deren Interessen – sichere Arbeitsplätze, humane Arbeitsbedingungen und Arbeitslöhne, von denen sich mit anstand und Würde leben lässt – sind immer die aller Arbeitnehmer. Sie reichen über den unmittelbaren betrieblichen und ökonomischen Kontext weit hinaus – und verweisen nicht zuletzt auch auf das Geschehen in Politik und Gesellschaft.

John Donne hatte Recht, als er sagte: „No man is an island“ – und leider noch mehr, als er diesen Gedanken auf die Spitze trieb: „therfore never send to ask for whom the bell tolls; it tolls for thee.“ Betriebsräte müssen deshalb mit dem vielzitierten „Blick über den Tellerrand des Betriebes“ ernst machen – und das heißt vor allem: mit ihren Gewerkschaften eng zusammenarbeiten. Ob sie gute oder schlechte Arbeit leisten, hängt entscheidend davon ab, inwieweit sie das Bewusstsein und die Bereitschaft entwickeln, sich im Interessenkonflikt mit der Kapitalseite eindeutig zu positionieren und solidarisch zu handeln. Denn nur wer die Verhältnisse und Widersprüche kennt, in denen er wirkt, kann dabei sicher sein, dass er auf dem richtigen Weg ist.

13 Kommentare:

  1. Klingt ein bisschen sehr programmatisch. Aber das Programm stimmt. Die Hugendubler, die immer noch meinen, sie sollten einen guten Betriebsrat haben, aber der dürfe auf keinen Fall irgendwas mit Ver.Di am Hut haben, sollten das lesen und sich merken. Gute Interessenvertretung gibt es nur im Doppelpack.

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  2. Die Betriebsversammlung am Mittwoch hat gezeigt, daß die ganz große Mehrheit der Beschäftigten sich darüber im klaren ist, daß wir nur etwas erreichen können, wenn Betriebsrat und Gewerkschaft eng zusammenarbeiten. Dieser Argumentation konnten auch die zwei Kolleginnen nichts entgegensetzen, die Tarifleistungen selbstverständlich einkassieren ohne jemals einen Mitgliedsbeitrag gezahlt zu haben geschweige denn an Arbeitskampfmaßnahmen teilgenommen zu haben.

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    1. Ich möchte an der Stelle mal unserem Münchener Betriebsrat danken, der beharrlich und konsequent unsere Interessen vertritt, was bei dieser Geschäftsleitung sicher nicht einfach ist.
      Auch der Tarifkommission gilt mein Dank. Wenn sie das Pseudo-Angebot des Arbeitgeberverbandes ablehnen, dann deswegen, weil wir sonst in einigen Jahren keinen Bestandteil des Manteltarifvertrages mehr hätten.
      Die merkwürdige Kritik der beiden Kolleginnen wurde zurecht zurückgewiesen. Sie sollten mal nachdenken, wem sie den Tarifvertrag verdanken und welche unsolidarische Haltung sie hier an den Tag legen. Aber die große Mehrheit denkt anders und hat dies auch deutlich gemacht.

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    2. Wer wissen will, was bei einem zahmen Betriebsrat ohne gewerkschaftliche Organisierung passiert, sollte mal schauen, was außerhalb von Bayern los ist. Da kann man wirklich froh sein, daß wir so engagierte Betriebsräte haben.

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    3. Ja wirklich schrecklich, dort außerhalb Bayerns, hungernde Buchhändler, des Lebens Gunst beraubt, streunen durch die Vorstädte auf der Suche nach wild wachsenden Kräutern, um für die nächste Doppelschicht bereit zu sein.

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    4. Ich schätze mal, das sollte uns auf ironische Weise sagen, dass man gefälligst zufrieden zu sein hat, solange man ein Dach über dem Kopf hat und nicht hungern muss. Jetzt muss nur noch das richtige Zielpublikum eingesetzt werden, und dann lautet der Text: wie schrecklich dort in Bayern, hungernde Arbeitgeber, des Lebens Gunst beraucht, streunen durch öde Filialen auf der Suche nach den letzten Streikbrechern, um Tarifverhandlungen zu entgehen. - Das ist das wahre Elend! Aber wie soll so ein verwöhntes Arbeitnehmerlein sich das auch nur vorstellen können?

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  3. Nitz, Drouet und Soltow kamen mit halbstündiger Verspätung, ohne dafür einen Grund zu nennen oder sich dafür zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil: Nitz trat gleich zu Beginn aggressiv auf und spielte die beleidigte Leberwurst. Warum wußte niemand. Dadurch verpassten sie die Rede des Kollegen, der sich mit den Unternehmensgrundsätzen beschäftigte und die zeigte, wie die Realität diese Grundsätze verhöhnte. Die Sache mit der Bespitzelung wurde als völlig normal dargestellt bzw. schlicht geleugnet, was gelogen war. Zur Umgestaltung des Stachus kam gar nichts, außer der Anmerkung von Soltow, daß man sich darauf freuen könne. Das haben einige KollegInnen vermutlich eher als Drohung verstanden.

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  4. Ich finde die Buchhabdlung am Stachus gut wie sie ist. Ein Laden, indem man sich gerne aufhält und Auslagen, die zum Kaufen einladen.
    Mir gefällts, aber nein, man muss es kapputt machen obwohl es ansprechend ist und funktioniert. 0815Designläden gibts wie Sand am Meer. Kunden kennen genug Designläden. Ein Umbau ist kein Garant für Erfolg. Grade durch eine vorrübergehende Schliessung werden viele Kunden verloren gehen. Im Moment muss der Stachus echt nicht renoviert werden - da wirf viel Geld für zweifelhaften Erfolg rausgeschmissen...

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  5. Und: für Streikbrecher habe ich kein Verständnis. Echt nicht.
    Ich möchte mehr Geld und meinen Mantel. Ausserhalb Bayerns verdienen Hugendubler weit weniger. Wem das gefällt und reicht, kann ja in eine Filiale ausserhalb Bayerns wechseln und dann eventuell Wildkräuter sammeln

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  6. Wir müssen weiterstreiken! Und möglichst lange vor den Filialen stehen. Mehrere Stunden Streik vor den Türen der Filialen - das beeindruckt die Arbeitgeber. Und das mehrere Tage im Weihnachtsgeschäft.

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  7. Der Vortrag mit den Unternehmensgrunsätzen hat mich sprachlos gemacht. Ich habe noch lange darüber nachgedacht.
    Schade, dass die GL den BR so brüskiert hat und zu spät zur Versammlung gekommen ist.
    Das wäre in interessantes Stück Hugendubel Geschichte gewesen. Diese Grundsätze wurden nie zurückgenommen und gelten also heute noch. . Allerdings nur noch in der Theorie!
    In der Praxis ist da nicht viel übrig geblieben:-(

    Ich frage mich, in was für einem Unternehmen ich arbeite, wo Spitzelei zu der täglichen Arbeit gehört.
    Und dass Frau Soltow -wie immer- noch nie von irgendwas gehört hat und ganz offensichtlich ein extremes Kurzzeitgedächtnis hat, wie ein Kollege ihr auch indirekt gesagt hat, ist wirklich ein Hohn.
    Hier wird öffentlich von der GL gelogen, das war so eine peinliche Vorstellung, wirklich.

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