Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit an Kanzleramt und Arbeitgebern gescheitert
Überwiegend Frauen arbeiten in Teilzeit, viele würden das gerne nur
für eine begrenzte Zeit tun. Doch ein Rechtsanspruch auf die Rückkehr
zur Vollzeit ist jetzt am Bundeskanzleramt und den Arbeitgebern
gescheitert.
Die Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung des Teilzeitrechts ist
zu einem Beispiel für Lobbyismus und politische Ränkespiele geworden.
Große Versprechungen hatten Union und SPD dazu vor dreieinhalb Jahren
gemacht. Das Recht, aus einer Teilzeitstelle wieder auf eine
Vollzeitstelle zurückzukehren, hatten die drei Regierungsparteien sogar
in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Bestehende Nachteile von
Teilzeitarbeit wollten sie beseitigen. Aber Papier ist geduldig. Ende
Mai ist dieses zentrale frauen- und arbeitsmarktpolitische Vorhaben
gescheitert.
Die Arbeitgeber winken ab
Es sind überwiegend Frauen, die in Teilzeit arbeiten, insbesondere, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. 2015 waren nur zehn Prozent der Mütter vollzeiterwerbstätig, hingegen aber 83 Prozent der Väter, meldete jüngst das Statistische Bundesamt. Knapp 8,6 Millionen Beschäftigte arbeiteten im vergangenen Jahr insgesamt mit einer reduzierten Stundenzahl, aus den verschiedensten Gründen. Oft sind es jedoch Aufgaben auf Zeit, für die sie ihre Arbeitszeit absenken. Wollen sie danach auf eine Vollzeitstelle zurückkehren, winken die meisten Arbeitgeber ab. Viele Frauen geraten so in die sogenannte Teilzeitfalle, kritisieren Gewerkschaften seit Jahren. Weniger Arbeitsstunden als in Vollzeit bedeuten entsprechend niedrigere Verdienste, niedrigere Verdienste sorgen im Alter für geringere Renten.
Im November vergangenen Jahres hatte Bundesarbeitsministerin Andrea
Nahles, SPD, dem Bundeskanzleramt einen entsprechenden Gesetzentwurf
zugeleitet. Er sah einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit vor.
"Ein erster Meilenstein auf dem Weg hin zu einer selbstbestimmten, an
den Bedürfnissen unterschiedlicher Lebensphasen orientierten Arbeitszeit
und zugleich ein aktiver Beitrag zur Gleichstellung von Frauen, zur
Vermeidung von Altersarmut und zur Stützung aller Zweige der
Sozialversicherung", heißt es dazu in einer Stellungnahme des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB).
Kanzlerin auf einer Linie mit Arbeitgebern
Seit November wurden - auf Druck des Kanzleramtes - mehrfach Gespräche mit Arbeitgebern und Gewerkschaften zu dem Vorhaben geführt. Kompromissvorschläge des Bundesarbeitsministeriums wurden abgelehnt. Ende Mai hat das Bundeskanzleramt dem Bundesarbeitsministerium mitgeteilt, das Thema werde nicht mehr auf die Tagesordnung dieses Kabinetts kommen.
Streitpunkt war unter anderem die Unternehmensgröße. Der Nahles-Entwurf
sollte für alle Betriebe ab 15 Beschäftigten gelten, Bundeskanzleramt
und Arbeitgeber sprachen sich für 200 Beschäftigte als Grenze aus. Nur:
Viele Frauen arbeiten in kleinen Betrieben. Damit wären rund drei
Millionen Teilzeitbeschäftigte durch das Gesetz ausgeschlossen worden.
Das wäre nach Berechnungen des Ministeriums die Hälfte der
Anspruchsberechtigten.
"Die Arbeitgeber haben mit der Union verhindert, dass viele tausend
Frauen aus der Teilzeitfalle herauskommen", sagt Alexa Wolfstädter vom
ver.di-Bereich Frauen und Gleichstellungspolitik. Auch geeignetere
Teilzeitmodelle wären möglich gewesen, bedauert die Gewerkschafterin.
Jetzt bleibt es der nächsten Bundesregierung überlassen, den
Rechtsanspruch durchzusetzen und die Frauen aus der Teilzeitfalle zu
holen.
Quelle: Heike Langenberg, in: ver.di Publik 4/2017
Da das hier ein Hugendubel-Blog ist, wäre es vielleicht auch angebracht, zu erwähnen, dass unser Betriebsrat in München durch geschickte Handhabung seiner Mitbestimmungsrechte schon einige Frauen aus dieser sogenannten Falle herausgeholt hat. Sowas ist zwar nicht immer möglich, aber manchmal eben doch. Das sollte trotz aller berechtigten Kritik an der derzeitigen Gesetzgebung nicht vergessen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass manche Teilzeitlerin die Flinte auch unter bestehenden Bedingungen zu früh ins Korn wirft.
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