Freitag, 12. Mai 2017

Macron oder die Uberisation der Gesellschaft

Ein Kommentar

Vom Rothschild-Banklehrling zum französischen Staatspräsidenten: Der Kapitalismus legt gelegentlich die letzten Rückstände von Scham ab. Zwischenzeitlich ist beispielsweise das « System » Goldman Sachs so politikvernetzt, dass es keine « Lobby » im eigentlichen Sinn mehr braucht. Der Vorhof, der ohnehin die entscheidenden ökonomischen und sozialen Daten setzt, hockt schon lange mittendrin.

Ob als Milliardär oder als Banken-Vertreter, man braucht nicht mehr das Gehör des Kaisers, man ist es lieber selbst. Das unterscheidet übrigens unsere fortschrittliche Demokratie vom Reich der Kaiser im « Heiligen römischen Reich deutscher Nation »: Fugger, Welser, Medicis konnten unendlich reich sein, Kaiser konnten und wollten sie nicht werden (höchstens eine Königsfrau, wie Catharine de Medici).

Adenauer (erster Bundeskanzler der BRD mit einer Stimme Mehrheit, seiner eigenen) setzte sich ungeniert neben Pferdemenges (Deutsche Bank), wenn er mitten in einer Bundestagssitzung « Rat » brauchte. Aber Pferdemenges blieb als Abgeordneter des Bundestags Lobbyist der weißgewaschenen Nazi-Bank. A bißl an Anstand ham’s no g’habt.

Wie harmlos war doch dagegen die - natürlich im feindlichen Lager, der DDR, aufbereitet, « StamoKap » Theorie vom « staatsmonopolistischen Kapitalismus », deren Propagandisten in der damaligen BRD mit Berufsverbot (Öffentlicher Dienst bis hin zum Lokführer) bestraft wurden. Zurück zur Schamgrenze: Warum sollte man sich auch dafür schämen, sich auch diesen Geschäftszweig zu erschließen und den Staat in seiner Wohlfahrtsstruktur ungehindert so auszunehmen wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans.

Der Präsident Macron wurde vom Volk gewählt. Das Präsidialsystem à la De Gaulles oder Erdogan sorgt dafür, jedes auf seine Weise, Andersdenkende auf Linie zu bringen. Die Zumutung der xenophoben Marianne-Karrikatur (im zweiten Wahlgang ein Drittel der Wähler - auch bei ihnen fiel die historische Schamgrenze von einem Viertel) diente der herrschenden Meinung in Frankreich, die eigentliche Bedrohung abzuwenden: den Linkskeynesianer Jean-Luc Mélenchon.

Die Konsequenzen für die Menschen, die immer noch durch Arbeit oder Transfergelder ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen:

1. "Uberisation der Gesellschaft" - Hauptsache einen Job, gleich zu welchen Konditionen. Das war schon Macron-Politik in seiner kurzen Amtszeit als Wirtschaftsminister des "Sozialisten Hollande". Damit wurde die 35 Stundenwoche (Aubry-Gesetz) und der Mindestlohn noch stärker umgangen.

2. Arbeiten rund um die Uhr: Macron verfügte eine weitere Lockerung der Sonntagsarbeit.

3. Transferleistungen (Arbeitslosengeld, soziale Hilfen) werden so definiert, dass de facto Zwangsarbeit oder Verelendung die Folge ist. Das wäre übrigens mit Fillon noch perfekter geworden.

4. Verschlechterungen im Renteneintritt mit der scheinheiligen Begründung der Gleichheit

5. Den Rest schreibt dann der "Think-Tank", der französische Unternehmerverband Medef, die weitgehend gleichgeschaltete Presse (hoher Privatisierungsgrad), die "Experten".

Bleibt die Hoffnung auf's Volk: Es wird auch diesem König die Guillotine präsentieren. Immerhin ist durch die Gruppe um Jean-Luc Mélenchon ein gutes Stück Aufklärung gelungen.


Fritz Schmalzbauer

3 Kommentare:

  1. Wird es Jean-Luc Mélenchon gelingen seine knapp 20% bei der Präsidentschaftswahl ins neu zu wählende Parlament zu verankern? Macron sammelt schon fleißig bei den Sozialisten für seine Bewegung (fürchterliches Wort in der Politik). Wird es eine erfolgreiche Linksfront jenseits der Sozialisten geben? Ich lese und höre da wenig in unserer Medienwelt ...

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  2. "Es wird auch diesem König die Guillotine präsentieren" halte ich für keine besonders geglückte Ausdrucksweise. Es besteht im Übrigen keinerlei Anlass, Hoffnungen auf eine künftige Protestwahl frustrierter Franzosen zu setzen. Ganz und gar nicht.

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  3. In deutschen Medien wird Macron wahlweise als liberal, sozialliberal oder gar als linksliberal dargestellt. Dabei hat er vom Kapital einen klaren Auftrag: den Schröder machen.

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