Gewerkschaftliche Organisierung bei Amazon
Gemeinschaftlich über die Ampel gehen - das kann einen Betrieb ganz schön stören. Das haben jedenfalls die Streikenden bei Amazon Leipzig im Herbst 2014 festgestellt. Mit Studierenden der Leipziger Uni blockierten sie so eine Zeitlang die Zufahrt zu ihrem Versandzentrum. Weil alle LKW diese Ampel passieren müssen, konnte schon bald kein Transporter mehr runter vom Gelände und keiner mehr drauf. Weil die Streikenden pausenlos den Ampelknopf drückten, die Straße überquerten und sich gelegentlich die Schuhe mitten auf der Straße neu banden.
Bis zur Autobahn stauten sich damals die LKW, was sogar zu Stauwarnungen im Radio führte. Für das Unternehmen Amazon bedeutete das, dass kein LKW mehr nach Plan vor den Verladerampen ein- und auslief und auch kein Paket nach Plan ausgeliefert wurde.
Wenn Amazon bis heute, nach bald drei Jahren Streik, wiederholt behauptet, die Aktionen der Amazon-Beschäftigten hätten keine Auswirkungen, dann ist das nichts weiter als notwendige Öffentlichkeitsarbeit, um Millionen Kunden zu beruhigen. Was die Amazon-Beschäftigten bereits erreicht haben und ob sie ihr Ziel, einen Tarifvertrag, erreichen werden, das haben die Autoren Jörn Boewe und Johannes Schulten in ihrer Analyse "Der lange Kampf der Amazon-Beschäftigten" untersucht.
Unter anderem haben sie dafür Interviews mit Streikenden, Betriebsräten und Vertrauensleuten geführt. Haben sich die Situation an den anderen europäischen Amazon-Standorten in Frankreich, in Polen und andernorts angesehen. Herausgekommen ist dabei eine lesenswerte Mischung aus Bericht und Beurteilung. Vor allem die anonymisierten O-Töne von Beschäftigten geben sehr gut die Stimmung wieder, aus der sich erklärt, warum die Amazon-Beschäftigten ihren Kampf für einen Tarifvertrag schon so lange durchhalten. Und warum sie noch immer mehr werden, die den Online-Riesen Amazon zu Verhandlungen bewegen wollen.
Die Autoren sprechen dabei durchaus auch kritische Punkte wie etwa die Spaltung der Belegschaft an. Sie geben aber auch einen Ausblick darauf, wie die Auseinandersetzung eine Wende nehmen könnte. Dabei spielt die europäische Ausweitung des Konflikts eine wichtige Rolle. Die Amazon-Beschäftigten sind da ganz realistisch. "Wir rechnen damit, dass die Auseinandersetzung sieben bis acht Jahre dauert", sagt einer der ver.di-Vertrauensleute. Und eine Strategie haben sie auch: "Unsere Chefs müssen Angst davor haben, was wir heute wieder geplant haben."
Petra Welzel, in: ver.di-news
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