Donnerstag, 26. Mai 2016

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof untersagt Sonntagsöffnung

ver.di verteidigt erfolgreich den freien Sonntag




Zum Vergrößern auf das Dokument klicken


In der Süddeutschen Zeitung vom 9. Mai 2016 erschien unter dem Titel "Eine Werbung, die allen hilft" ein Kommentar der SZ-Redakteurin Melanie Staudinger, der  - wie aus der Feder der Lobbyisten-Vereinigung City Partner diktiert -  nochmals alle Argumente für eine Sonntagsöffnung zusammenfasste. Dazu Stellung nahmen am 23.Juni in der SZ zwei Leserbriefe:



Sonntags frei - ein Grundrecht


"Melanie Staudinger wirbt in ihrem Kommentar für Sonntagsshopping als Marketingmaßnahme des Einzelhandels. Genau das ist die Position, die die Gerichte in den Auseinandersetzungen um verkaufsoffene Sonntage regelmäßig als verfassungswidrig bewerten. Denn Sonntagsarbeit darf nur aus wichtigen gesellschaftlichen Gründen, nicht aufgrund kommerzieller Interessen genehmigt werden.

Das ist nicht "absurd", sondern Grundgesetz. Überall in Deutschland, auch im Münchner Umland, werden die regeln für verkaufsoffene Sonntage inzwischen wieder ernster genommen. Die grassierenden Sonntagsöffnungen, bei denen der Kommerz wichtiger ist als der eigentliche Festanlass, wurden wieder eingeschränkt. Eine erfreuliche Entwicklung. Es geht nämlich nicht nur um den einen oder anderen verkaufsoffenen Sonntag. Es geht langfristig um das Prinzip "freier Sonntag".

Wichtige Vertreter des Handels, etwa der der Kaufhof-Konzern, haben sehr deutlich gemacht, dass sie den Sonntag grundsätzlich als Einkaufstag wollen. Auch in vielen anderen Branchen wächst der Druck, immer mehr Sonntagsarbeit zu genehmigen. Wenn wir nicht aufpassen, wird der Sonntag irgendwann ein Tag wie jeder andere. Das spricht überhaupt nicht gegen tolle Marketing-Events des stationären Einzelhandels. Während er gesetzlichen Ladenöffnungszeiten gibt es dafür jede Menge Gelegenheiten."
                                                                                                                  Philip Büttner, München



Gift fürs soziale Leben


"Da ist es also wieder, das Argument der Wiederbelebung der Münchner Innenstadt durch Sonntagsöffnung. Der "triste Eindruck", den die Kommentatorin beklagt, ist nicht durch fehlende Shoppingmöglichkeiten am Sonntag entstanden, sondern durch eine langweilige, austauschbare und durchkommerzialisierte Innenstadt-Ödnis - und wird durch mehr Kommerzialisierung nicht verschwinden. Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten über Jahrzehnte hinweg hat den stationären Handel gegenüber dem Internet-Handel keineswegs gestärkt.

Kundenbindung durch einen verkaufsoffenen Sonntag? Um Kunden in die Läden zu bringen und zu halten, bieten wir sechs Tage in der Woche bis 20 Uhr ausgezeichneten Service und ein attraktives Sortiment. Die bisherigen Unternehmenszahlen vieler Firmen zeigen:  Durch eine Sonntagsöffnung gibt es nicht mehr Umsatz, sondern eine Umsatzverlagerung von den übrigen Wochentagen. Die Beschäftigten im Einzelhandel, die ja bereits regelmäßig an Samstagen arbeiten, würde die Freigabe selbst weniger Sonntage im Jahr hingegen empfindlich treffen. Arbeitsplätze schaffen würde sie nicht. Deshalb sagen wir Mitglieder des Hugendubel-Betriebsrates: Der Sonntag muss für uns alle ein besonderer Tag bleiben. Er ist ein wichtiger Zeitanker für unsere Familien, unsere Freunde und unsere gesamte Gesellschaft. Eine Sonntagsöffnung lehnen wir deswegen entschieden ab."


                                                                                                                    Uwe Kramm, München
                                                                                                                    Berit Brusdeylins, München
                                                                                                                    Stefan Gertis, Marzling
                                                                                                                    Pankraz Görl, Rosenheim
                                                                                                                    Jürgen Horn, München
                                                                                                                    Ariane Kischel, München
                                                                                                                    Andreas Krug, München








20 Kommentare:

  1. Bravo, das ist ein großer Sieg für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Handel.

    AntwortenLöschen
  2. Ein langjähriger Kampf des Bündnisses Allianz für den freien Sonntag führt zunehmend zu positiven Resultaten - wie bereits in Hessen und Thüringen nun auch in Bayern. Die Endämmung einer totalen Durchkommerzialisierung kann man nur begrüßen. Gratulation!

    AntwortenLöschen
  3. Ein erschütterndes Urteil. Wenn es ein Grundrecht auf einen freien Sonntag gäbe, würden eine Menge Kioske, Shops, Trinkhallen usw. eine Menge Rechtfertigungsprobleme bekommen.
    Und nicht nur unsere europäischen Nachbarn werden sich fragen, was aus den fleißigen Deutschen geworden ist. Zipfelmütze auf und Abgang von der Bühne.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider vermischt Du verschiedene Sachen und kennst anscheinend die inhaltliche Begründung der Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und den Landesgerichtshöfen (vgl. Blogartikel)nicht. Was Du als Argument anführst, nennt sich "touristisches Sortiment". Um gastronomisch-touristische Angebote oder Sonntagsarbeit bei der Daseinsfürsorge (Arzt,Polizist,etc) ging es aber nie. Dies wurde von ver.di bei der geplanten Sonntagsöffnung aber nie in Frage gestellt. Das reichte den Lobbyisten von City Partner aber nicht, da sie auch Waschmaschinen verkaufen wollen.

      Löschen
    2. Zuerst lesen, dann schreiben: es geht hier nicht um "Kioske, Shops, Trinkhallen", sondern um den im Grundgesetz verankerten Schutz des Sonntags.Sonntagsarbeit darf nur aus wichtigen gesellschaftlichen Gründen, nicht aufgrund kommerzieller Interessen genehmigt werden. Das steht im Grundgesetz. Punkt.

      Löschen
    3. Es geht also um den schützenswerten Sonntag des Buchhandels-Schorsch, der ein Grundrecht hat.
      Der Trinkhallen-Ali darf Sonntags schön weiter buckeln.
      Wenn es wirklich ein Grundrecht auf sonntagsfrei gibt, was man diskutieren kann, dann muß man auch um die Angestellten der kleinen Shops usw. kümmern, die Sonntags ran müssen und zwar jeden und zwar nicht nur für Touris. Scheint aber kein Thema zu sein

      Löschen
    4. Auch wenn Du permanent die inhaltliche Begründung der Urteile weglassen willst: Gastronomie, Kinos, Theater, Krankenhaus und Polizei waren schon immer etwas anderes als Handel. Es ist nicht überlebensnotwendig, am Sonntag eine Waschmaschine zu kaufen. Es geht um den Festcharakter des Stadtgründungsfestes, der von den Lobbyisten der Handelskonzerne zur Öffnung ihrer Läden mißbraucht wird wie auch an anderen Orten, wo eine hanebüchene Begründung hervorgezogen wird, um in irgendwelchen Gewerbegebieten Möbelhäuser aufzumachen. Darauf hat das Gericht hingewiesen. Viellicht gehst Du darauf mal ein.
      Für Deine Einkäufe stehen stehen Montag bis Samstag die Läden bis 20.00, 21.00 oder sogar bis 22.00 offen.

      Löschen
    5. Anonym 11:30 möchte die Verkäuferin gegen den Gastronomiebeschäftigten ausspielen, weil er keine Argumente mehr hat. Zum Unterschied zwischen Handel auf der einen und Gastronomie, Krankenhaus etc auf der anderen Seite ist bereits alles notwendige gesagt.

      Löschen
    6. Sag mal könnt Ihr keine Gastronomie von einer Trinkhalle unterscheiden. Niemand sprach von Gastronomie (oder gar Polizei, wie weiter oben unterstellt). KIOSKE, das sind die Dinger, wo Du von früh bis spät alles mögliche und unmögliche kaufen kannst und das auch Sonntags. Nicht nur ein Bier, das in Bayern lebensnotwendig sein soll, sondern eine Menge Zeugs mehr, ohne daß es sich Sonntags trefflich leben ließe und alles ohne einen einzigen Touristen. Diese Läden sind mal klein mal groß, möglicherweise arbeiten da auch überwiegend die Inhaber und deren Familie und die haben bei Euch eben keine Lobby. Genau darum geht es. Wenn Ihr für einen einzigen Sonntag im Voralpenland eine derartige Welle macht, sollte sich vergegenwärtigen, wie albern das für alle die ist, die laufend Sonntags ran müssen.
      Man muß also nicht für ein paar Münchener BR-Selbstdarsteller vor Gericht ziehen, sondern die gesamte bundesdeutsche Sonntagsöffnungspraxis hinterfragen, wenn man dem Sonntag eine Bedeutung zurückgeben möchte, die er mal hatte.

      Löschen
    7. @Anonym 19:03
      Ziemlich wirre Argumentation. Einerseits spielst Du Dich als Rächer der Kiosk-Betreiber auf (in der Regel Selbständige für die die Gewerkschaft nicht zuständig ist), die am Sonntag aufmachen, andererseits greifst Du unsere Gewerkschaft und unseren engagierten Betriebsrat an, weil sie gegen die Sonntagsöffnung klar Position beziehen und forderst die "Hinterfragung der gesamten Sonntagsöffnungspraxis". Ja was denn nun? Wir haben in der Sonntagsallianz diese Praxis der permanenten Ausweitung der Sonntagsarbeit für lohnabhängig Beschäftigte hinterfragt und zusammen mit den Kirchen dafür gesorgt, dass das, was im Grundgesetz drinsteht auch durchgesetzt wird.

      Und im Gegensatz zu Dir Anonym, der hier auf einem Gewerkschaftsblog ein bißchen gegen Betriebsrat und Gewerkschaft herumstänkert, steht unser Münchener BR für seine Haltung mit vollem Namen und Anschrift ein.

      Und dieses lächerliche Bayern-Bashing kannst Du Dir sparen, da sprich sowieso nur der Neid auf unseren Tarifvertrag, unsere halbwegs erträglichen Arbeitszeiten und darauf, dass wir nicht am Sonntag arbeiten müssen.

      Löschen
    8. Erst regt Anonym 19:03 sich auf, weil die Gewerkschaft sich NICHT auch gegen Sonntagsöffnung bei Kiosken einsetzt, wofür sie nicht zuständig ist, dann regt er sich auf, WEIL der Münchner BR sich zusammen mit Verdi gegen Sonntagsarbeit bei Buchhändlern einsetzt, wofür er zuständig ist. Gespaltene Persönlichkeit, oder was?

      Löschen
  4. "Unsere europäische Nachbarn" von denen Anonym 8:43 spricht, werden sich eher fragen, ob es wirklich notwendig ist, dass Kaufhäuser wie der Corte Inglés in Madrid jeden Sonntag geöffnet haben müssen und was das für die Angestellten bedeutet. Diese Kaufhauskette hat JEDEN Werktag von 10:00 bis 22:00 und JEDEN Sonntag von 11:00 bis 21:00 geöffnet.
    Es ist nämlich naiv zu glauben, dass es nur um den einen Sonntag geht; Konzerne wie Kaufhof wollen das auch langfristig durchsetzen. Ein grossartiger Erfolg der Allianz für den freien Sonntag.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hast vollkommen Recht mit Madrid, in anderen Ländern ist es genau so. Das wirft aber die Frage auf - warum machen die das???
      Hier wird oft gesagt,daß es keinen Mehrumsatz gibt und jedes Pfund und jede Pesete kann auch nur einmal ausgegeben werden, egal an wie vielen Tagen geöffnet ist.
      Also warum sind die Läden dort Sonntags auf? Um die Angestellten zu knechten? Oder vielleicht aus einem so monströsen Grund wie Kundenfreundlichkeit und Service? Amazons Weltherrschaft wenigstens beschneiden? Innenstädte attraktivr machen? Keine Ahnung. Sag's mir!

      Löschen
    2. Schon mal was von Siesta gehört? Andere sozio-kulturelle Gewohnheiten: nachmittags sind die Läden nämlich in der Regel zu. Dazu kommt ein schlechter Organisationsgrad insbesondere der im Handel Beschäftigten. Alles schon lange vor Amazon.

      Löschen
    3. Und damit rechnet sich die Öffnung am Sonntag jede Woche? Das glaube ich nun nicht. Zudem darf bezweifelt werden, ob die großen Ketten oder die Corte Ingles eine Siesta ihren Angestellten eine Siesta gönnen bzw. die Läden schließen.

      Löschen
    4. Lieber Münchner, BR, ganz herzlichen Dank, auch im Namen meiner Familie, für Euren Einsatz!

      Löschen
  5. Ich arbeite an zwei Samstagen im Monat, oft auch in der Spätschicht. Mein Mann arbeitet ebenfalls im Schichtdienst. Der einzige Tag, wo man das Familienleben in Ruhe und Muße pflegen kann, ist der Sonntag. Das sit für mich ein sehr hoher wert, wie er in den Urteilsbegründungen auch klar zum Ausdruck gekommen ist. Ich möchte mich bei unserem Münchner Betriebsrat für Euer Engagement ganz herzlich bedanken! Dazu gehört nämlich durchaus Mut und Standfestigkeit, um dem Druck von Geschäftsführung und leider auch einiger Kollegen und Kolleginnen stand zu halten. Respekt! Den Kollegen, die aus Geldgründen am Sonntag arbeiten wollten (was ich sehr gut verstehen kann) möchte ich sagen: regt Euch lieber über einen Arbeitgeber auf, der uns nach fast drei Jahren unverschämt 1,5% anbietet und unterstützt in dieser Tarifrunde unseren BR und unsere Gewerkschaft. So, und jetzt genieße ich noch diesen gewittrigen aber schönen Restsonntag.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zwei Samstage im Monat! Armes Haschel! Schon mal überlegt, wied as in kleinen, unabhängigen Buchhandlungen aussieht?
      Die Arbeitszeiten im Einzelhandel sind doch bekannt. Wer sich damit nich anfreunden kann, hätte Lehrerin oder irgendwas im Amt machen sollen.

      Löschen
    2. Wer lesen kann, ist im Vorteil. Ich habe mich an keiner Stelle über die Samstage beklagt, sondern darauf hingewiesen, dass der Sonntag für mein Familienleben enorm wichtig ist. Das habe ich ver.di und unserem Münchner Betriebsrat zu verdanken wie auch unsere hervorragende Betriebsvereinbarung zur Personaleinsatzplanung. Warum sollte ich den Job wechseln? Ich habe dank meiner Gewerkschaft Tariflohn und die Tarifleistungen des Manteltarifvertrages. Wenn Du in einer Klitsche bei miesem Lohn und schlechten Bedingungen schuftest, dann empfehle ich eher Dir dringend einen Wechsel. Wer ist hier also das Hascherl?

      Löschen
  6. Danke BR in München für euer Engagement!

    AntwortenLöschen

Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.