100 Jahre Oktoberrevolution
"Normal", heißt es in
Ernst Blochs »Prinzip Hoffnung«, »denkt man, ist es doch, oder müsste es sein,
dass sich Millionen nicht durch Jahrtausende von einer Handvoll Oberschicht
beherrschen, ausbeuten, enterben lassen. Normal ist, dass eine so ungeheure Mehrheit
es sich nicht gefallen lässt, Verdammte dieser Erde zu sein. Statt dessen ist
gerade das Erwachen dieser Mehrheit das ganz und gar Ungewöhnliche, das Seltene
in der Geschichte. Auf tausend Kriege kommen nicht zehn Revolutionen; so schwer
ist der aufrechte Gang.“
"Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte", schrieb Marx 1850, der fünzig Jahre vor der Oktoberrevolution, 1867, den ersten Band von "Das Kapital" veröffentlichte. So wie der Sturm auf die Bastille die bürgerliche Französische Revolution in Gang setzte, so gab der Kanonenschuß des Panzerkreuzers Aurora das Signal für den Sturm auf das Winterpalais in Petrograd und kündigte die Morgenröte der sozialistischen Oktoberrevolution an.
Der Schriftsteller Karl Kraus, selber kein Kommunist, schrieb 1920 über den Kommunismus: »Der
Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante
Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen (…). Gott erhalte
ihn uns, damit dieses Gesindel, das schon nicht mehr ein und aus weiß
vor Frechheit, nicht noch frecher werde, damit die Gesellschaft der
ausschließlich Genussberechtigten, die da glaubt, dass die ihr botmäßige
Menschheit genug der Liebe habe, wenn sie von ihnen die Syphilis
bekommt, wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehe!«
Danke für das Zitat von Bloch und vor allem den Kraus-Text. Hier noch ein Gedicht von Peter Hacks zum Thema, der "Oktobersong":
AntwortenLöschenDa hab‘n die Proleten Schluß gesagt
Und die Bauern: es ist soweit.
Und hab‘n den Kerenski davongejagt
Und die Vergangenheit.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Rußland,
Im siebzehner Jahr.
Da hat der Soldat das Gewehr umgewandt,
Da wurde er wieder Prolet.
Worauf sehr schnell vom Krieg abstand
Die Generalität.
Und das war im Oktober, ...
Da hatte der Mushik den Bauch nicht voll,
Und da las er dann ein Dekret,
Daß der das Korn jetzt fressen soll,
Der auch das Korn abmäht.
Und das war im Oktober, ...
Die Herrn hab‘n durchs Monokel geguckt
Und haben die Welt regiert.
Und eh‘ ein Matrose in die Newa spuckt,
War‘n sie expropriiert.
Und das war im Oktober, ...
Und der dieses Lied singen tat,
Lebt in einer neuen Welt.
Der Kumpel, der Mushik, der rote Soldat
Hab‘n die euch hingestellt.
Und das war im Oktober, ...
Dass ich meiner Zeit ein bisserl hinterherhinke, ist ja nichts neues. Meine Oktoberrevolution ist deshalb erst 100 Jahre her. Unsere Novemberrevolution wurde letzte Woche übrigens auch 99 - und der Freistaat Bayern auch. Ich hoffe aber sehr, dass wir bis 2067 nochmal was Gscheit's hinkriegen.
AntwortenLöschenDie Oktoberrevolution und ihre Folgen, tja.
AntwortenLöschenIn einem Artikel in der taz zum sechzigsten Todestag Stalins schrieb der Journalist Stefan Reinecke:
"Im Stalinismus verwandelte sich das ökonomische System selbst in eine Fantasie, in der Stahl, der nie produziert worden war, in Brücken verbaut wurde, die es nicht gab. Schuld an der Misere hatte der fiktive Feind, der Linksabweichler oder Rechtsabweichler oder beides zusammen war, der Pole, Bauer, Jude oder Apparatschik sein konnte. Dieser Feind war, was Teufel oder Hexen in vormodernen Gesellschaften gewesen sein mögen: Chiffre des Bösen, die Erklärung, warum es ist, wie es ist.
Der Massenterror gegen „den Feind“, der jeder sein konnte, war beides: Ausdruck von Stalins Paranoia und rationale Machtbegründung. Der „Volksfeind“ war die universale Erklärung für den Defekt des Staatssozialismus. Erst in den 80er Jahren unter Gorbatschow, im Augenblick des Verschwindens, war die Gesellschaft zu einer realitätstauglichen Selbstbetrachtung in der Lage.
Der Gulag ist nicht Teil des universellen Gedächtnisses geworden, so wie das NS-System. Es gibt keinen mit Spielbergs „Schindlers Liste“ vergleichbaren Film über den niedergeschlagenen Aufstand in Workuta im Sommer 1953. Es gibt keinen mit Claude Lanzmanns „Shoa“ vergleichbaren Versuch, das Sichtbare und das Unsichtbare des Verbrechens zu zeigen. Es gibt kein dem Tagebuch der Anne Frank vergleichbares Zeugnis, das zum Erinnerungsrepertoire des 20. Jahrhundert gehört.
Die Verbrechen des Stalinismus sind weitgehend gesichts- und namenlos geblieben, ohne Reliefabdruck im kollektiven Gedächtnis, ohne Identifikationsfiguren, ohne ästhetische Debatten, wie das Unaussprechliche zu formulieren ist.
Man mag diese narrative Leere als letzten Erfolg des stalinistischen Versuchs sehen, die Opfer auszuradieren."
http://taz.de/Verfolgung-in-der-Sowjetunion/!5072043/
Das passt ja ganz gut dazu, dass sich hier manche wegen des Kommunismus nicht gerade von Schuldgefühlen geplagt zeigen. Mal sehen, ob das für immer so bleiben wird - es wäre gegen alle Erfahrungswerte.
Das wird zumindest so bleiben, solange bis mir einer von euch Alibi-Historiosophastern ein politisches System vorstellt, das weniger Leichen produziert hat als der olle Stalin.
AntwortenLöschenNur weil der olle Stalin etwas weniger irre war als der olle Führer und sein System daher mutmaßlich weniger Leichen produziert hat (gelungene Formulierung übrigens, das hätte man im Reich bestimmt genau so gesagt) macht das sein System wohl kaum zu einem guten.
AntwortenLöschenIch dachte nicht an den ollen Führer, sondern an das, was europäischer und US-amerikanischer Kapitalismus und Imperialismus auf dem Rest des Globus in letzter Zeit so veranstaltet haben: von Vietnam bis Syrien - und natürlich immer im Namen der Menschlichkeit. Warum wird eigentlich Mladic verurteilt und Blair, Bush, Hollande, Merkel, Obama, Powell, Scharping und Schröder laufen immer noch frei herum? Das ist doch eine reine Machtfrage!
LöschenOb es zwischen den Genannten nicht doch graduelle Unterschiede gab. Powell war genial, Merkel sitzt immer nur rum.
LöschenDoch zum Thema: Wer die Macht hat, bestimmt die Regeln, und wo das endet, hätte der olle Stalin schon in der Farm der Tiere nachlesen können, wenn er bei dem ganzen Morden etwas Zeit dafür gehabt hätte. Wahrscheinlich liegt es in der Natur des Menschen, daß es Streit gibt, so bald etwas zum Verteilen da ist und möglicherweise ist selbst der edle Wilde, der alles ausreichend hat und mit seinen Brüdern und Schwestern teilt, eine Fiktion. Also wo war noch gleich das System, wo am Ende alles gerecht war, ich habs gerade vergessen, Nordkorea wars wohl nicht
Jesusmariaundjosef! Was muss man bei dir tun, um genial zu sein? Mich haut's weg!
LöschenEr hat den Feldzug gegen einen weiteren Wahnsinnigen dieser Welt vorangetrieben und dessen Sturz bewirkt, mit wackliger Faktenlage und letztlich erlogener Begründung das Ziel erreicht und hinterher die Traute gehabt, die Lüge zuzugeben. Seither gilt er den meisten als einer von den guten (vs. Rumsfeld oder so). Ist das genial oder nicht
LöschenIch befürchte, du verwechselst da was! Das von dir beschriebene Verhalten nennt man "skrupellos" - und wer bei diesem Drama der Wahnsinnigere ist bzw. war, bliebe zu klären.
LöschenEs ist Dir in Deinem Mentalreservat vielleicht noch nicht aufgefallen, aber ohne eine große Portion Skrupellosigkeit kommt niemand in der Politik besonders weit. Der olle Stalin hat das sehr gut gewußt und umgesetzt.
LöschenWas den Wahnsinn angeht fehlen mir die Details, um ein ernsthaftes Psychogramm von Saddam H zu erstellen. In seinem Wahn war er sicher kaum besser als der Führer. Einem bekennenden Stalinisten mögen die Aktionen gegen die kurdischen Mitbürger und der Krieg gegen die Islamische Republik normal vorkommen, diese Meinung kann ich nicht teilen.
Jetzt kommen wir der Sache langsam näher. Wenn ein US-Politiker skrupellos ist, gehört das für dich zum Geschäft, aber wenn es ein Kommunist ist, ist das für dich ein Verbrechen. Wer lebt hier in einem Mentalreservat?
Löschen100 Millionen Tote und ihr macht immer noch weiter mit dem ollen Kommunismus...schämt euch. Deshalb bin ich NICHT in der Gewerkschaft !
AntwortenLöschenMit der Blutspur, die der Kapitalismus seit Jahrhunderten durch die Geschichte zieht, scheinst Du ja keine Probleme zu haben.
LöschenDas heißt übrigens nicht, dass eine Kritik an den Verbrechen des stalinistischen Systems nicht berechtigt ist, sondern hier wurde mit dem Bloch-Zitat und dem Kraus-Zitat auf den notwendigen Bruch mit der Diktatur des Kapitals durch die Oktober-Revolution von 1917 hingewiesen. Wieviele Tote haben eigentlich Imperialismus, Feudalherrschaft, Imperialismus, Militarismus und die bis heute andauernde weltweite jahrhundertelange kapitalistische Ausbeutungspraxis verursacht? Führst Du darüber auch eine Statistik? Empörst Du dich darüber auh?
Und ich bin in unserer Gewerkschaft, weil sie eine klar antifaschistische Position hat!
AntwortenLöschenBrav! Lauf und hol Dir Dein Leckerli ab!
LöschenUnd Du kannst Dir all die Leckerli, die die Gewerkschaft für Dich erkämpft hat, ebenfalls gratis abholen.
LöschenSo was wie die Sonntagsarbeitsverhinderungspropaganda?
LöschenDanke! Geschenkt zu teuer.
Nein, sondern Tariflohn, Weihnachtsgeld, 37,5 Stunden-Woche, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsschutz. Und gegen Sonntagsarbeitspropaganda von Konzernchefs und der FDP.
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