Online-Petition gegen Konzernpläne für Sonntagsöffnung
Sehr geehrter Herr Dr. Fanderl,
sehr geehrter Herr Dr. Link,
die von Ihren Warenhäusern
angeführte neue Initiative "Selbstbestimmter Sonntag" fordert vor der
Bundestagswahl die völlige Abschaffung des freien Sonntags im Einzelhandel. Die
Geschäfte sollen nach Ihrem Willen künftig an allen 52 Sonntagen im Jahr öffnen
können.
Sie fordern damit eine Änderung des
Grundgesetzes. Der Sonntag ist als „Tag der Arbeitsruhe und der seelischen
Erhebung“ bislang wirksam geschützt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV).
Verkaufsoffene Sonntage dürfen nur ausnahmsweise aufgrund eines besonderen
Anlasses stattfinden. Würde sich Ihre Initiative durchsetzen, hätte dies nicht
nur tiefgreifende Folgen für 3,1 Millionen Handelsbeschäftigte, sondern würde
den freien Sonntag insgesamt in Frage stellen.
Gibts im Grundgesetz nicht auch ein Recht auf Widerstand? Wo bleibt hier eigentlich der Offizier mit dem Köfferchen?
AntwortenLöschenSo fragte Cicero in der ersten Catilinarischen Rede, um seiner Empörung gehörig Luft zu machen. Es war eine Frage, die sich Menschen seither öfter gestellt haben. Und jetzt ist es dank Kaufhof und Karstadt wohl mal wieder so weit, ernsthaft darüber nachzugrübeln. Was ist das für eine Demokratie, in der die Bosse von Kaufhausketten eine Verfassungsänderung zu fordern wagen, nur weil sie sich davon einen Konkurrenzorteil versprechen? Was ist das für eine Demokratie, in der die Petitionen aus dem Volk sich nicht mehr an dessen gewählte Vertreter, sondern an Konzernchefs richten, die im Hintergrund die Fäden ziehen? Was ist das für eine Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger einfach tatenlos zusehen, wenn das Gemeinwohl derart offensichtlich privaten Wirtschaftsinteressen geopfert wird?
AntwortenLöschenSelbstverständlich findet die Abschaffung des arbeitsfreien Sonntags für die Beschäftigten des Einzelhandels bei Umfragen sofort die Zustimmung einer ansehnlichen Mehrheit - daran besteht kein Zweifel! Weil man die Leute fragt, ob sie gern die Gelegenheit hätten, am Sonntag einzukaufen! Wer würde da Nein sagen? Auf die Frage hingegen, ob sie wollten, dass deswegen Tausende, besonders Frauen, unter dem druck der Arbeitgeber künftig zu Zeiten arbeiten müssten, die sie sonst (wie jede/r andere auch) mit ihren Freunden, Partnern, Kindern verbringen könnten, fiele die Antwort vermutlich anders aus - und zwar ganz anders! Aber wo es um das Grundrecht der Großen geht, die Kleinen zu schlucken und zu schnupfen, fragt ohnehin niemand lange - und so schon gleich gar nicht!
Der Gipfel dabei dürfte sein, dass diese ganze infame Schweinerei auch noch unter dem Titel "selbstbestimmter Sonntag" daherkommt. Nicht die Zeit über die ich frei verfüge, wäre demnach selbstbestimmt, sondern jene, in der ein Arbeitgeber über mich sein Direktionsrecht ausübt: die wahre Freiheit des okzidentalischen Despoten! Denkst du beim Wort "selbst" an dich statt an ihn: Pech gehabt! Das ist kein Euphemismus mehr, sondern Vergewaltigung der Sprache - und der Menschen, die sie sprechen, zugleich. Wer wissen will, was ein solcher Propaganda-Coup anrichtet, findet hier ein Exempel, wie selbst George Orwell es kaum trefflicher hätte ersinnen könne. Die Devise lautet: SLAVERY IS FREEDOM!
Jürgen Horn
Fordern kann man viel, vor allem in einer Demokratie. ADAC, Islamisten, Fußballvereine, alle fordern, was sie selbst für am wichtigsten halten. Gerne Maximalforderungen, um ein kleineres Ziel zu erreichen (vgl. Tarifverhandlungen). Nichts fordern zu dürfen ist Kennzeichen von Statten wie Saudia-Arabien und der Türkei, da wollen wir doch nicht leben? Entscheidend ist, wer sich der Forderung annimmt und den Vorstoß der Kaufhöfe etc wird niemand aufgreifen, denn Mehrwert bringet der nimmer.
LöschenSorry! Es ist - glaub ich - schon noch ein Unterschied, ob eine Gewerkschaft 5% Lohnerhöhung fordert und meist nicht einmal bekommt oder ob ein paar Superbonzen eine Verfassungsänderung wünschen und womöglich auch noch prompt bedient werden. Denn Forderungen aufstellen kann tatsächlich jeder, aber nicht jeder hat so leicht damit Erfolg. Gedanken über die Zukunft unserer Demokratie sollten wir uns deshalb allein schon deshalb machen, weil es, wie der Kollege Horn richtig beobachtet hat, inzwischen sogar die Verdiblogschreiber für ganz normal halten, dass man Petitionen an Wirtschaftsbosse statt an Politiker schickt.
LöschenAußerdem übrigens möchte ich mal sehen, was es für ein Gezeter gäbe, wenn Islamisten bei uns in einer großangelegten Kampagne eine Verfassungsänderung in eigener Sache fordern würden! Dass du dann immer noch sagen würdest, dass man in einer Demokratie fordern dürfen muss, bezweifle ich.
Da muß ich Dich enttäuschen, auch in diesem Fall würde ich immer noch sagen, daß ein jeder fordern dürfen können muß, was immer er will, weil es eine Demokratie ist. Das ist mir jedenfalls deutlich lieber als Schwarze Blöcke, die halbe Stadtviertel verheeren, weil sie "dagegen" sind. Wie viel Erfolg die Forderungen haben, steht woanders. Ich denke, Frau Merkel wird nach ihrem Wahlsieg ganz andere Probleme haben, als die Verfassung bezüglich der Sonntagsöffnungen.
LöschenMich kotzt die Diskussion um Sonntagsarbeit sowas von an. Wenigstens ein freier Tag in der Woche muss bleiben!
AntwortenLöschenNur noch Konsum überall, rund um die Uhr. Arme Gesellschaft. Pfui
Wie die Titelüberschrift schon sagt: lasst den Sonntag gefälligst in Ruhe!
AntwortenLöschen3,1 Millionen Handelsbeschäftigte, ca 3700 Menschen, die jene Petition unterzeichnet haben. Abgesehen von der Bedeutungslosigkeit solcher Online-Klick-Aktionen scheint es den meisten der Handelsbeschäftigten dann doch nicht so wichtig zu sein, ein Zeichen zu setzen. Wenigstens ein Zeichen, von demonstrieren etc. reden wir hier gar nicht erst. Macht ja auch keinen Spaß bei dem schlechten Wetter da draußen.
AntwortenLöschenWas willst Du uns mit Deinem Kommentar sagen?
LöschenDaß das Thema ausgeweitete Sonntagarbeit oder nicht außer in ein paar linken Aktivistenkreisen auf der einen und ein paar abgedrehten Managern auf der anderen Seite kein Thema ist. Viele machen es, viele machen es sogar gerne (zähle mich selber dazu, habe dann nämlich freie Tage, an denen man auch mal in Ruhe was erledigen und erleben kann) und ein paar bayerische Gallier machen es halt nicht. Ein Stürmchen im Wasserglas um von richtigen Problemen abzulenken.
LöschenDie totale Freigabe der Sonntagsarbeit ist tatsächlich ein Manager-Projekt der Handelskonzerne in Gestalt der Karstadt- und Kaufhof-Chefs. "Ein Stürmchen im Wasserglas" ist es mit Sicherheit nicht. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten haben sich in den letzten Jahren permanent verschlechtert - neben sinkenden Reallöhnen und Altersarmut gehört dazu eben auch die Entgrenzung der Arbeitszeiten am Sonntag. Der Sonntag ist der einzige Zeitanker für Familien und Freunde. Neidische Invektiven gegen "Bayern" sind unsinnig, warum sollen wir kampflos eine Verschlechterung unserer Lebensverhältnisse hinnehmen. Und auf einen (bayerischen)Tarifvertrag kann jemand wie Du bestimmt auch verzichten, oder?. Denn dafür müßte man ja was tun.
Löschen@ Anonym 7:39 Uhr
LöschenWenn Du im Handel bzw bei Hugendubel arbeitest, dann hast Du Arbeitszeiten von Montagfrüh bis Samstagabend, d.h. Sonntagsarbeit für freie Tage, um etwas zu erledigen, ist überhaupt nicht notwendig, da bei Samstagsarbeit ein Werktag frei ist.
" viele machen es sogar gerne": wenn die totale Freigabe der Sonntagsarbeit kommt, dann wirst Du eingeteilt, egal ob du es "gerne" machst oder nicht, weil der Sonntag ein ganz normaler Arbeitstag ist. Und Zuschläge gibt es dann auch nicht; aber ich hatte ja vergessen, dass Du so etwas altmodisches wie einen Tarifvertrag überhaupt nicht hast und vermutlich noch stolz darauf bist.
LöschenDer Anonym vom 12. August um 07.39.00 is halt a Preiss. Deswegen hat er im Gegensatz zu uns Bayern auch richtige Probleme! Und alle diese Probleme lassen sich zu einem einzigen zusammenfassen: er is halt a Preiss!
LöschenMagst uns wieder eine Mauer bauen, diesmal in Ost-West-Richtung, dann brauchst Dich mit den Preisen nicht mehr herumzuärgern? Bzeichnenderweise denken in der Zentrale viele genauso - wir Bayrn machen alles richtig und die anderen haben und machen nur Probleme. Nicht sehr professionell.
LöschenSonntagsarbeit wird immer als Argument für den stationären Handel hergenommen. Schon mal darüber nachgedacht, dass dann auch Amazon mit same day delivery ausliefern wird?
AntwortenLöschenDas werden die Verbrecher von Amazon sicher nicht von den vereinzelten oder ausgeweiteten Sonntags-Öffnungszeiten des stationären Handels festmachen. Wenn sie genug Fahrer finden, die für einen Hungerlohn für sie fahren und Dieselfahrverbote für Lieferwagen nicht gelten, wird die Sunday delivery asap kommen.
LöschenDas hängt vom Gesetz ab, ob Amazon am Sonntag ausliefert oder nicht. Sonntagsarbeit wurde kürzlich am Amazon-Standort Graben/Augsburg gerichtlich untersagt. Wer für die Sonntgasöffnung plädiert, macht das Tor für Amazon und Zalando auf.
LöschenGibt es zu dieser These belegbare Zahlen aus den Staaten mit regelmäßiger Sonntagsöffnung?
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