Montag, 19. Juni 2017

Ein Antisemit auf der Bestenliste

Biedermänner & Brandstifter (6):  Der Fall Sieferle






Zusammen mit der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichte NDR Kultur bisher regelmäßig die "Sachbücher des Monats". Nun hat NDR Kultur die Zusammenarbeit mit der Jury bis auf weiteres ausgesetzt. Mit der Empfehlung von "Finis Germania" von Rolf Peter Sieferle in der Juni-Liste hat die Jury - so der NDR in einer Pressemitteilung - "eine gravierende Fehlentscheidung getroffen, die für NDR Kultur nicht tragbar ist. Nach Einschätzung von NDR Kultur und anderen Kritikern äußert der Autor in seinem Buch rechtslastige Verschwörungstheorien, von denen sich die Redaktion entschieden distanziert. Auch die Jury distanziert sich von Buch und Verlag und bedauert dessen Nominierung."


Der Jury der renommierten Sachbuch-Liste gehören Wissenschaftler und Journalisten an, die monatlich allein auf Qualitätskriterien beruhende Literaturempfehlungen abgaben. Jeder Juror kann 20 Punkte verteilen, die üblicherweise auf mehrere Titel verteilt wurden. Nun hat das Jury-Mitglied und SPIEGEL-Redakteur Johannes Saltzwedel seine 20 Punkte auf einen Titel, nämlich das Buch von Sieferle kumuliert, damit er den Einzug in die Besten-Liste schafft. Was ihm auch gelang: Sieferles Machwerk schaffte es auf Platz neun. 


Laut eigener Aussage wollte Saltzwedel den "provokanten Titel eines final Verbitterten zur Diskussion stellen." Sieferle vertauschte in seinem Pamphlet Täter und Opfer:

"Die Schuld der Juden der Kreuzigung des Messias wurde von diesen selbst nicht anerkannt. Die Deutschen, die ihre gnadenlose Schuld anerkennen, müssen dagegen von der Bildfläche der realen Geschichte verschwinden." Hannes Hintermeier, der bei der FAZ verantwortliche Sachbuch-Redakteur, konstatierte dazu: "Ein typischer, ein antisemitischer Satz des späten Rolf Peter Sieferle." 


Das Migrationsproblem




Sieferle, der früher als durchaus seriöser Umwelthistoriker bekannt wurde, driftete immer stärker nach rechts und schrieb, so die FAZ in einem Nachruf, "giftige, rechtsradikale Bücher." (Sieferle beging im September 2016 Suizid).  Seine Schrift Finis Germania erschien posthum im Antaios-Verlag des Götz Kubitschek, der mit seinem Verlag und seinem "Institut für Staatspolitik" eine Schlüsselrolle im neurechten Feld zwischen AfD, NPD und Identitärer Bewegung spielt.

Zuvor hatte Sieferle für die neurechte Zeitschrift Tumult geschrieben sowie im einschlägig bekannten Manuscriptum-Verlag (dort publiziert u.a. Pirincci) den Titel "Das Migrations-Problem" veröffentlicht, in dem er rassistische Positionen zur Flüchtlingspolitik vertrat.

Und was macht Hugendubel?

Der antisemitische Titel wird natürlich verkauft, damit kann man ja Umsatz machen. Begründet wird das mit "Meinungsfreiheit" und außerdem sei es ja auch nicht verboten. Ja, die NPD ist auch nicht verboten, deswegen ist sie dennoch eine neofaschistische Partei. Und wer mit der "Meinungsfreiheit" kommt, dem sei gesagt, daß Faschismus und Antisemitismus keine Meinung, sondern Verbrechen sind.

Im übrigen gilt nach wie vor die Aussage von Nitz, daß kein Mitarbeiter Nazi-Machwerke verkaufen muß, sondern sofort ohne Diskussion an einen Vorgesetzten abgeben kann. Das sollte man nutzen, da unsere "Führungskräfte" anscheinend jeden GL-Befehl ausführen und keinerlei Skrupel haben, mit antisemitischem Dreck Kasse zu machen.



31 Kommentare:

  1. und wenn Du Dich hinter Deiner Führungskraft versteckst, das Dir mißliebige Buch dann aber dennoch selbstverständlich verkauft wird, dann kannst Du ruhiger schlafen? Nach dem Motto Ich habs ja nicht verkauft, war doch die Filialleitung!
    Was für eine verlogene Einstellung! Wer es wirklich nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, welcher gequirlte Mist da für Kunden bestellt und verkauft wird, sollte die Konsequenzen ziehen und kündigen.

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    1. Wieso kündigen? Er sollte es zum Thema z.B. auf einer Betriebsversammlung machen und darauf hinwirken, daß die Firma diesen Dreck nicht verkauft. Und wenn die GL glaubt, auch das verkaufen zu müssen, dann gebe ich das meinem Vorgesetzten. Wenn ich bei jeder Fehlentscheidung des Hugendubel-Managements kündigen würde, dann müßte ich jeden Tag ein Kündigungsschreiben verfassen.

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    2. Duckmäuser ist der, der widerspruchslos alles macht und nicht der, der sagt, daß er den Dreck nicht verkauft. Anstatt daß ein Filialleiter mal gegenüber der Geschäftsführung den Mund aufmacht, wird nur gekuscht. Und das zieht sich durch alle Bereiche in unserer Firma.

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    3. Ihr seht es als unsere Aufgabe, Kunden zu erziehen und zu belehren, welche Bücher sie nicht kaufen dürfen? Dazu fühle ich mich nicht ernannt.
      Wenn Ihr wirklich wißt, daß Deutschland unbegrenzt Menschen von anderswo aufnehmen kann, daß Glyphosat schädlich ist oder welche homöopathischen Methoden Hirngespinste sind (wahlweise jeweils das Gegenteil des Erwähnten), dann solltet Ihr Eure Talente nicht im Handel verschwenden sondern die Welt retten. Mutmaßlich aber habt Ihr dazu nur eine festgefaßte, begründete oder unbegründete Meinung dazu. Die soll wichtiger oder besser sein, als die der Kunden? Ja jetzt kommt wieder einer mit dem abgedroschenen Statement mit der Nicht-Meinung und dem Verbrechen um die Ecke. Was ein Verbrechen ist, bestimmt nicht der Buchhandel, sondern der Gesetzgeber. Wenn das Buch so schlimm ist (hats hier irgendwer überhaupt mal aufgeschlagen?), solls auf einen Index und fertig.

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    4. Anstatt auf den Gesetzgeber zu warten kann man als Händler ja wohl selber mal eine klare Position beziehen und antisemitischen Dreck aus dem Sortiment nehmen.

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    5. In diesem Fall mag das einfach sein, weil das Buch anscheinend wirklich Dreck ist. Aber wer definiert grundsätzlich, was Dreck ist? Du alleine, Deine Abteilung als Kollektik oder Deine Filialleitung? Und was wenn es unterschiedliche Meinungen zu einem Buch gibt? Abstimmen? Wer soll denn den ganzen Mist lesen, um sicher hernach eine qualifizierte Meinung zu bilden?

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  2. Das Buch von Sieferle ist klar antisemitisch. Es ist ekelhaft, daß wir sowas verkaufen.

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  3. Die selbsternannten Retter des Abendlandes sind nicht mal fähig, einen korrekten Genitiv zu bilden.

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  4. Es hat leider nicht mal Sinn, mit Kollegen über sowas zu reden. Ich versuche es immer wieder, aber die Grundüberzeugung lautet: "wir haben ein ausgewogenes Sortiment, und außerdem soll jeder lesen, was er will". Zumindest ist das in der Filiale so, in der ich momentan arbeite, ich kenne es aber auch von anderen Filialen. Sehr ketzerisch will ich jetzt mal sagen, daß das möglicherweise einfach an fehlender Bildung liegt - analog zum Seufzer eines 3sat-Literaturkritikers: "in einer Zeit, in der erwachsene Menschen Harry Potter lesen..."

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    1. Damit das bildungsbürgerliche Ego nicht zu riesig wird, sei daran erinnert, dass Bildung auch was mit Bildungspolitik und Dummheit was mit Verdummung zu tun hat. Und wenn Leute sich mit solcher Inbrunst an der Phantasie ergötzen, ein exemplarischer kleiner Scheisser und Globalisierungsverlierer im thatcheristischen England könnte in irgendeiner parallelen Zauberwelt eine ganz große Nummer sein, liegt das vielleicht daran, dass sie vorher auf ein ganz anderes Märchen hereingefallen sind. Wer sich damals dagegen gewehrt hat, werfe den ersten Stein! Denn vermutlich bräuchten wir uns jetzt gar nicht mit selbsternannten Rettern des Abendlandes und unfreiwilligen Gefährdern des Genitivs herumzuschlagen, wenn wir beides (Okzident und Genitiv) ein bisschen weniger eifrig wegliberalisiert und kaputtprivatisiert hätten. Mal ganz ketzerisch gesagt!

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  5. Formal betrachtet ist Deutschland eine parlamentarische Demokratie, aber es wird anscheinend nichts unversucht gelassen, um den Eindruck zu erwecken, als lebten wir in einer DDR 2.0, quasi mit Mehrparteiensystem. Das Ergebnis ist eine Art (medial) gelenkter Demokratie, mit dem Ziel, den politisch korrekten und mithin erwünschten Status Quo aufrechtzuerhalten. Wäre dies denn überhaupt sinnvoll in einer Phase in der sich dieses Land, die EU, und sogar die geopolitischen Koordinaten​, tiefgreifend verändern? Ist eine Diskussion darüber etwa nicht genehm? Falls ja, für wen, und warum nicht?
    Wie anders wäre es denn zu erklären, dass man unwidersprochen zum Mittel der Zensur in Form eines Verkaufsboykotts greifen möchte, um ein möglichst einheitliches Meinungsbild in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten? Hat man am Ende SO wenig Vertrauen in die Kraft der eigenen Argumente?
    Leute, politisch arbeitet man nicht, indem man sich weigert, Bücher aus einem bestimmten Verlag zu verkaufen - und somit die Meinungsfreiheit, und mit ihr die politische Kultur, beeinträchtigt. Man tut dies vielmehr, indem man (in seiner Freizeit) selbst aktiv wird, demonstriert, publiziert, oder sich zumindest so artikuliert, dass die eigenen Argumente über ein simples Doof-Finden hinausgehen.
    Finis Germania kann übrigens man mit Ziel Deutschland übersetzen. Frage: soll es eine lebendige Demokratie bleiben? Das will ich doch hoffen dürfen.
    PS Antisemitismus ist ein schwerwiegender Vorwurf. Ist dies denn durch Zitate belegbar (die bereits angeführte Analogie ist diesbezüglich nicht aussagekräftig genug )?

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    1. Du hast gerade gefragt, wem eine Diskussion über das absurde Hirngespinst von einer medial gelenkten Mehrparteien-DDR, die sich zusammen mit der EU und geopolitschen Koordinaten (was immer das sein soll!) verändert, nicht genehm sei und warum nicht. Da ich dies für eine rhetorische Frage halte, möchte ich darauf hinweisen, dass du die Antwort schuldig geblieben bist. Außerdem möchte ich zu bedenken geben, dass man "Finis Germania" tatsächlich mit "Ziel Deutschland" übersetzen kann, aber nur dann, wenn man wenig Ahnung und kein Gefühl für die lateinische Sprache hat. Mit beidem hast du mir daher schlecht geholfen, über ein simples Doof-Finden hinauszugelangen. Aber ich gebe zu, du hast dir, was den pseudoschlauen TV-Kommentatorenstil (mit seinen tiefschürfenden, aber unbeantworteten Fragen, der großtönenden Ahnungslosigkeit etc.) betrifft, welchen du übrigens (trotz der von dir geäußerten Skepsis gegenüber den Medien) echt gut drauf hast, wenigstens die Mühe gemacht. Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas. In diesem Sinne: CURA, UT VALEAS!

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    2. Jacob, das war keine rhetorische Frage. Immer mehr Menschen bewegt das Rätsel "Cui Bono", auf das sie keine Antworten bekommen.
      Diese Ausgangslage mag am Verkaufserfolg einer vielleicht voreilig dämonisierten Aufsatzsammlung ihren Anteil haben.
      Eines haben wir beide und Sieferle bestimmt gemeinsam, nämlich, das wir alle drei keine Lateinlehrer sind... trotzdem hätte ich da ein paar Fragen an dich.
      Was verstehst du eigentlich unter dem nicht ganz alltäglichen Begriff Demokratismus - bzw. was wäre die Alternative zu demselben?
      Wie werden künftige Generationen in Deutschland, die keine deutschstämmigen Vorfahren haben - Tendenz steigend - mit dem Wissen um den Holocaust umgehen? Sollte darüber bereits jetzt schon diskutiert werden dürfen, oder ist das für dich ein No Go? Was würde dies für deren, bzw. unsere gemeinsame Identität bedeuten?
      Zurzeit werden verstärkt Abschiebungen von gutintegrierten Menschen durchgeführt, während die Bewegungsfreiheit von gefährlichen Islamisten nicht einmal angetastet wird. Wie verträgt sich das mit dem Auftrag des Staates, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen? Wie verträgt es sich mit den derzeitigen Instrumenten zur politischen Willensbildung?
      Diese Debatten sollten wirklich offen und ohne Scheuklappen geführt werden. Das (sicher gut gemeinte) Knebeln von mißliebigen Meinungen wird zu demokratischen Lösungsfindungen nichts beitragen, sondern stattdessen nur eine gefährliche Politikverdrossenheit fördern. Das kann sich doch niemand wünschen.

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    3. "vielleicht voreilig dämonisierten Aufsatzsammlung" = Verharmlosung des Sieferle-Pamphlets

      "die keine deutschstämmigen Vorfahren haben" = die Kenntnis des Holocausts ist kein ethnisch-nationalistisches Privileg, sondern Aufgabe von schulischer Bildung und gesellschaftlichem Diskurs

      "Knebeln von mißliebigen Meinungen" = antisemitischer Dreck ist keine "Meinung", sondern antisemitischer Dreck.

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    4. Also mal der Reihe nach:
      1. Wer ein solch absurdes Phantasma wie eine DDR 2.0 in die Welt setzt, kann natürlich trefflich seine Zeit mit Ursachenforschung zubringen. Das ist ungefähr so sinnvoll wie die Frage, weshalb rosa Elephanten rosa sind. Ich hätte dir bei der Beantwortung allerdings etwas mehr Phantasie zugetraut!
      2. Wir drei haben tatsächlich gemeinsam, dass wir keine Lateinlehrer sind, was zweifellos ein schweres Manko ist. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass es bei mir keine ganz so katastrophalen Auswirkungen hat.
      3. Der Alleinanspruch von Blubo-Fans auf die deutsche Vergangenheit (samt aller aus ihm resultierenden Sorgen) ist nicht mein, sondern deren Problem - und sollte meiner Ansicht nach heute eigentlich für niemanden mehr eines sein, weil ich alle Biodeutschtümler grundsätzlich scheiße finde - und davon ausgehe, dass eine nativistische Denke wie die ihre die deutschen Genozide des letzten Jahrhunderts überhaupt erst möglich gemacht hat.
      4. Ich fühle mich in Deutschland sicher genug. Ich mache mir nur manchmal ein wenig Sorgen um die die Bewohner der Länder, die von den NATO-Staaten, hauptsächlich den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, in letzter Zeit mit illegalen Kriegen (ohne UN-Mandat!) überzogen worden sind.
      5. Das Wort "Demokratismus" bedeutet laut Fremdwörterduden die "Übertreibung demokratischen Denkens und Handelns" - im vorliegenden Fall den Fehlschluss, aus einer verfassungsmäßigen Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit folge, jede Buchhandlung müsse jedes Buch kaufen und verkaufen.

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    5. "Antisemitischer Dreck" ist eine schwerwiegende, und im Fall Sieferle nicht belegbare Anschuldigung, mit der du nicht durchkommen wirst, "No pasarán".

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    6. Danke für die ausführliche Antwort, Jacob. Ich werde mich hier auf den Punkt 3) beschränken. Ich stimme dir selbstverständlich darin zu, dass der Holocaust von "Biodeutschtümlern" verursacht wurde, und dass diese grundsätzlich als Rassisten zu verachten sind. Nur ist das gar nicht die Antwort auf die Frage, die ich gestellt habe. Jene Unverbesserlichen machen heute glücklicherweise nur noch wenige Prozent der Gesamtbevölkerung aus, vielleicht vergleichbar dem Anteil der NPD-Wähler. Die restlichen weit über neunzig Prozent müssen aber auch ein Verhältnis zur deutschen Vergangenheit finden, und ich fragte nur, ob das mit einem höheren Anteil von Zugewanderten, deren eigene Vergangenheit das ja eigentlich gar nicht ist, und gar nicht sein kann, nun eben leichter oder gar schwieriger werden wird. Insofern bleibt die Geschichte natürlich für immer unser aller Problem, mag sich auch der Zugang zu derselben über die Jahrzehnte allmählich verändern. Dies nur, um Sieferle vor dem wohlfeilen Vorwurf eines Relativismus oder gar Revisionismus in Schutz zu nehmen.
      Zudem möchte ich vorsichtshalber anmerken, dass die Formel "Kein Nativismus - keine nationalistischen Gefahren mehr" zu simpel ist. Dazu müsste "nativistischen" Ideen jeglicher Art nämlich Gewalt angetan werden - ist es das wert? Was soll ich sagen, die Leute hängen nun einmal an ihrer Heimat, ihrer Sprache, ihrer Kultur, an allem, dem sie sich als zugehörig empfinden. Das steckt so fest in den Allermeisten drin, dass es gelegentlich sogar die Integration in ihrem erwünschten Lauf beeinträchtigt. Das kannst du nicht einfach über die Köpfe dieser Menschen hinweg wegdefinieren.
      Wann immer im letzten Jahrhundert die Überzeugungen von Menschen ohne genügend Respekt vor diesen Menschen geändert werden sollten, ist es in weiten Teilen der Welt zu schweren Verwerfungen gekommen. Die Ideologie der Sowjetunion war internationalistisch ausgerichtet. Das hat die Machthaber nicht daran gehindert, missliebige Bevölkerungsgruppen, wie etwa die Krimtataren brutal umzusiedeln, oder, wie im Fall der Ukrainer, dem Hungertod als Folge einer gescheiterten Politik preiszugeben. Von den Untaten eines Mao, oder eines Pol Pot einmal ganz zu schweigen.
      Es ist klar, dass nicht nur der Patriotismus, sondern sogar das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, jeweils allerdings in wirklich maßlos übersteigerter Form, als mörderische Ideologie, tatsächlich zu einer tödlichen Gefahr mutieren können - die Geschichte hat das gezeigt. Vor einem Abgleiten in totalitäre Denkweisen sollte man auf der Hut sein. Ich möchte deshalb für ein bisschen mehr Toleranz gegenüber "Demokratismus" und "Superliberalisten" werben. Dies würde leichter fallen, wenn man wieder mehr über Inhalte und Argumente streiten würde, statt über Etikettierungen und Verlage, finde ich.

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    7. Ich habe nicht gesagt, dass ein Mensch seine Heimat nicht lieben oder kein Geschichtsbewußtsein haben darf. Ich z.B. fand es ganz witzig, als 1998 bei einer ausgelassenen WM-Siegesfeier in einer kleinen provenzialischen Stadt ein junger Franzose freundschaftlich den Arm um meine Schultern gelegt hatte und wir beide aus vollem Hals sangen, dass mein unreines Blut seine Ackerfurchen tränken möge.
      Das - denke ich - zeigt sehr deutlich, dass es darauf ankommt, welche Bedeutung man solchen Zugehörigkeiten beimisst - und spätestens da, wo sie wichtiger werden als die Achtung vor der Würde, den Rechten und der Freiheit jedes Menschen, müssen Rücksichtnahme und Toleranz zu Ende sein. Zudem sind die heute plötzlich wieder so viel beschworenen Zugehörigkeiten keineswegs immer so eindeutig. Einige meiner Vorfahren waren während der NS-Zeit in Konzentrationslagern, mein Urgroßvater wurde ermordet. Ich bin Deutscher, aber ich identifiziere mich mit den Mördern meine Urgroßvaters genauso wenig, wie ein eingebürgerter Syrer oder Afghane das tut. Ich muss mich nicht für die Schweinehunde schämen, die ihn ermordet haben. (Das sollen meinetwegen deren Urenkel tun, wenn ihnen ihre Abstammung - samt "Mörder-Gen"? - so wichtig ist!) Es würde aber auch nichts ändern. Worauf es ankommt, ist doch, dass wir lernen, nicht denselben Fehler machen.

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    8. Ich kenne die deutsche Geschichte gut genug, um unseren anonymen Toleranzapostel beruhigen zu können: wir sind in Deutschland "historisch-genetisch" wesentlich näher an Hitler als an Stalin oder Pol-Pot. Du brauchst dir also keine Sorgen um deine rechtsdrehenden Volblutdeutschen zu machen. Die landen so schnell bestimmt nicht, wo Marleys Uropa gelandet ist. Dass du übrigens als deren Alleinstellungsmerkmal nicht die Rasse, sondern das Verhältnis zum Holokaust nimmst, ist zwar eine höchst originelle Wendung, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass du sie uns als die besseren Menschen verkaufen willst. Ich nenne sowas Kulturrassismus!

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    9. Wer verkauft hier wen als besseren Menschen? Beati pauperes spiritu...

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    10. Hallo Jacob, das tut mir leid für dich und deine Familie. Ich identifiziere mich selbstkritisch mit der Generation der Mörder deines Urgroßvaters insoweit, dass ich mich für deren Tat schäme, genauso, wie ich mich für diesen gesamten Abschnitt der deutschen Geschichte schäme, in dem dies möglich war.
      Niemand, der klaren Verstandes ist, wird diesen Fehler wiederholen (wollen).
      Manchmal frage ich mich, ob wir - in unserer historischen Blase, mit vielerlei gedanklichen No-Gos behaftet - nicht vielleicht verpassen, über andere, neuartige Fehlermöglichkeiten nachzudenken, in der redlichen Absicht, noch rechtzeitig gegensteuern zu können, versteht sich.

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  6. Die Biedermänner sind nicht wir, die auf Nachfrage reagieren, sondern die Biedermann ist derjenige, der durch seine Punktevergabe das Buch auf die Sachbuchbestenliste gebracht hat. Das nachdem die Fakten über dieses "Missgeschick" geklärt waren, es im Feuilleton keinerlei Diskussion darüber gab, wieso so etwas eigentlich mittlerweile in Deutschland möglich ist, ist für mich in dieser Angelegenheit das eigentliche Problem. Es kann nicht Aufgabe für die Nummer 2 im stationären Buchhandel sein, ihre Kund*Innen zu erziehen, und erst Recht halte ich es für kontraproduktiv , wenn durch einen Verkaufsboykott Kund*Innen in ihrerm Wahn bestätigt würden, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit mehr gäbe. Der Journaliat, der durch seine Nachfrage beim NDR den Stein ins Rollen brachte, äusserte sich heute in der taz über den Verkaufserfolg so:

    "Was die Herren nicht bedenken ist, dass dem unerwarteten Verkaufserfolg garantiert eine politische Ernüchterung folgt. Jeder, der das Buch kauft und nicht bereits hoffnungslos im rechten Milieu steckt, wird sich beim Lesen mit Grausen abwenden. Sieferles Texte sind unstrukturiert, die Argumente erwartbar, die Rhetorik voller Rechtsjargon und Antisemitismus. Mit dem Buch demonstriert die „Neue“ Rechte, dass sie nichts Neues zu sagen hat" http://taz.de/Kolumne-Right-Trash/!5421721/

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    1. "Achtung: Aufgrund enormer Nachfrage wird nachgedruckt – lieferbar wieder ab 26. Juni!" Das steht aktuell auf der Internetseite des Verlages. Wer gewinnt? Die Aufklärung (Spiegel-Autor) oder der Rechtsextremismus?

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    2. Das ganze demokratistische Gewäsch hier ist nicht auszuhalten. Als es aus wirtschaftlichen Gründen opportun war, den sogenannten den WB-Kirchenfilter zu akzeptieren, hat Hugendubel brav mitgespielt. Aber jetzt, wo rechte Hetze immer mehr zu Gewalt führt und zur Gefahr wird, einfach anständig zu sein - und zu sagen: da machen wir nicht mit! - das soll irgendwelcher hehren Freiheitsideale wegen jetzt plötzlich nicht gehen! Bei so viel Scheinheiligkeit und Profitgier wird mir schlecht! Aber ehe ich jetzt gleich kotze, möchte ich unsere allesverkaufenden Superlibalisten noch mit einer Frage konfrontieren, die unsere Bundeskanzlerin mal einem Zwischenrufer stellte: Wie kleinkariert sind sie eigentlich?

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  7. Morgen wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen. Damit wird den "demokratistischen" Rechten ein schöner Dämpfer verpasst. Das wird eine echte Zäsur, ich freu mich drauf!

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  8. Das würde eine echte Zäsur und echte Zensur!

    "Der europäische Dachverband der digitalen Bürgerrechtsorganisationen EDRi befürchtet, dass zu viel gelöscht wird und europäische Internetunternehmen diskriminiert werden. Die Bürgerrechtler empfehlen den Bundestagsabgeordneten, das Gesetz abzulehnen."

    Glaubt wirklich irgendjemand, die betreffenden Personen würden weniger rechts nach so einem Gesetz? Selbst wenn ein Computer die Chiffren wie 18 und 88 aussortiert, denken sie sich halt was Neues aus und schauen dabei das Horst-Wessel-Lied auf Youtube.

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    1. Die Gefahr ist wohl eher das Overblocking jeglicher kritischer Inhalte seitens der Anbieter wegen in Aussicht gestellter horrender Strafzahlungen.

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    2. PS
      Die Meinungsfreiheit in diesem Blog ist übrigens absolut vorbildlich - Respekt!

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  9. Zu der Behauptung des angeblichen Antisemitismus Sieferles, den bis jetzt noch keiner hier in der Runde belegen konnte, möchte ich anmerken:
    1)
    Der Vorwurf wird durch Wiederholung nicht richtiger. Aber das Argument selbst wird durch den inflationären Gebrauch entwertet. Das ist diesem leider immer noch virulenten Thema überhaupt nicht angemessen, und das kann nun wirklich niemand in Kauf nehmen wollen.
    2)
    Um die Unrichtigkeit des Antisemitismusvorwurfs zu belegen hier gerne ein Originalzitat Sieferles vom August 2016:
    "Die AfD wäre gut beraten, wenn sie ebenfalls eine solche radikale Trennung vom Antisemitismus vollzöge und alle Traditionalisten, die noch in diesen Bahnen denken, aus der Partei entfernte. Der Antisemitismus war schon im 19. Jahrhundert nichts als eine von Wahnvorstellungen geprägte, irrationale und sachfremde Ideologie. Heute ist er zum Inbegriff der politischen Absurdität geworden und wird im Grunde nur noch von Spinnern vertreten, die etwa auch Adolf Hitler, diese größte politische Niete des 20. Jahrhunderts, für einen vorbildhaften Politiker halten. Aber gerade bei einer nationalkonservativen Protestpartei besteht immer die Gefahr, daß sich solche Narren bei ihr einnisten (wenn es sich nicht um gezielte Provokationen handelt), so daß man sich rigoros von ihnen trennen muß."

    Quelle:
    https://www.michael-klonovsky.de/artikel/item/307-der-ganz-europa-destabilisierende-wahnsinn-der-grenzoeffnung

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    1. Das Zitat, auf das sich der FAZ-Redakteur Hannes Hintermaier in seinem Artikel über Sieferle bezieht, ist genauso antisemitisch wie Sieferles Idee vom "Mythos Auschwitz", auch wenn er im Schreiben an den Ex-Focus-Journalisten und Ex-Frauke-Petry-Berater Klonovsky, den Du hier als Quelle nennst, das Gegenteil proklamiert.

      Den besten Artikel zu Sieferle schrieb der ZEIT-Journalist Benedikt Erenz: "Wer das subterrestrische Büchlein Finis Germania aus dem Nachlass des 2016 verstorbenen Geschichtsprofessors Rolf Peter Sieferle verteidigen will, muss schon besondere apologetische Kräfte entfalten. Deshalb waren wir sehr gespannt, wie uns Sieferles völkisches Geraune und seine antisemitischen Suggestionen, unnötigerweise ans Tageslicht gebracht, wohl plausibel gemacht werden. (...)
      Finale Erbitterung. Ein wundervolles, ein präzises Wort. Nichts trifft die Stimmung besser. Es ist die Stimmung, die das AfD-Milieu umgibt. Wir sehen sie vor uns, diese Akademiker für Deutschland, wie sie da schneidig weißhaarig am Jägerzaun ihres Vorstadtanwesens stehen, 4.000 oder 5.000 Euro Pension, Kombi und Cabrio im Carport, und sich ihrer finalen Erbitterung hingeben. Wie sie in ihren 250 Quadratmetern Altbau vor der Bücherwand sitzen (Ernst-Jünger-Gesamtausgabe in knirschendem Sattelleder), bei einer Flasche Chapeauclaque du Pape, und finster entschlossen sind, einen Richter Schill zu wählen oder eine Beatrix von Storch, Herzogin von Oldenburg, die bereits den Schießbefehl erteilt hat.

      Finale Erbitterung. Sie umgibt wie ein schwarzer Dampf unser akademisches Hass-Bürgertum. Erbitterung gegen alles: gegen Europa, gegen die Globalisierung, gegen die Parteien, die Kirchen, gegen "diese Frauen", gegen die Flüchtlinge,..."

      http://www.zeit.de/2017/26/finis-germania-rolf-peter-sieferle

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