Biedermänner & Brandstifter (Teil 4): Literaturliste "Rechtspopulismus"
In zahlreichen europäischen Staaten haben sich rechts von den konservativen Parteien Gruppierungen etabliert, die sich als Anwälte des "Normalbürgers" ausgeben. Gemeinhin als rechtspopulistisch bezeichnet, polemisieren sie scharf gegen meist muslimische Einwanderer und vertreten Parolen von "law and order", fordern jedoch ebenso mehr plebiszitäre Elemente. In Deutschland findet sich ein Spektrum aus Internet-Blogs, Zeitschriften und Think-Tanks mit deutlicher Nähe zum Rechtspopulismus, das sich in der "pro"-Bewegung parteiförmig ausdrückt.
In den USA wirkt mit der "Tea Party" eine rechtspopulistische Kraft, die sich unter Bezug auf "amerikanische Werte" scharf gegen sozialen und demokratischen Fortschritt wendet. Der Band berücksichtigt die relevanten wissenschaftlichen Forschungsansätze. Mit Profilen rechtspopulistischer Formationen in Europa und Nordamerika und der Analyse ihrer Programmatik und Politik wird ihren Perspektiven, ihrem Verhältnis zum Faschismus und den Folgen für die Demokratie nachgegangen.
2013 als Protestpartei gegen die Euro-Rettungspolitik gegründet, hat sich die Alternative für Deutschland (AfD) im Laufe von nur zwei Jahren radikalisiert. Nach innerparteilichen Richtungsstreitigkeiten und Machtkämpfen dominiert seit Sommer 2015 der rechtsradikale Flügel. Die Partei ist mittlerweile im EU-Parlament und in den Parlamenten von acht Bundesländern vertreten. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke macht mit seiner neuen Studie deutlich, wie sich wichtige Repräsentanten der AfD mit den Hetzern um Pegida oder bekannten Aktivisten des gewaltbereiten Rechtsextremismus verbinden, austauschen und die Radikalisierung der Partei vorantreiben. Der Rechtsruck zeigt sich im Besonderen in der Islamfeindlichkeit und der beabsichtigten Einschränkung der Religionsfreiheit - einem klaren Verfassungsbruch. Die AfD will eine andere Republik. Wer einzelne Reden vom Stuttgarter AfD-Bundesparteitag aufmerksam anhört oder liest, kann nicht umhin, von einem neonazistisch inspirierten völkischen Nationalismus zu sprechen. Dass an die 15 Prozent der Bevölkerung - so die letzten Wahlergebnisse und Umfragen - diese an der Spitze rechtsradikal orientierte Partei wählen würden, macht deutlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung den demokratischen Parteien entglitten ist.
Ausgehend von Geschichte und Programm der AfD umreißt Manfred Sohn eine Strategie gegen die mit dem Aufstieg dieser Partei deutlich werdende Rechtsentwicklung. Die Antworten der parlamentarisch domestizierten Linken in Deutschland greifen, so lautet eine seiner Thesen, allesamt zu kurz und werden genauso enden wie entsprechende Versuche in Frankreich, Polen oder den USA, rechtsnationale Bewegungen zu stoppen. Sohn begreift solche Bewegungen als Zerfallserscheinungen der von der Peripherie nun auch in den Zentren ankommenden finalen Krise des kapitalistischen Systems. Das Buch verknüpft für die Entwicklung einer nicht nur taktischen, sondern auch strategischen Antwort auf diese Herausforderung theoretische Überlegungen mit den praktischen Erfahrungen basisdemokratischer Bewegungen in Griechenland und Kurdistan. Was für die Peripherie gilt, gilt künftig auch für die erodierenden Zentren: Wer solche Zerfallserscheinungen wie die AfD überwinden will, muss an die Wurzel gehen und radikal werden.
Unter dem Namen "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) gehen seit Ende Oktober 2014 in Dresden und anderorts Menschen gegen Flüchtlinge, "den Islam" und die "Lügenpresse" auf die Straße. Aus Hunderten wurden Tausende, und von Dresden aus verbreitete sich die rassistische und rechtspopulistische Bewegung über die ganze Bundesrepublik und expandierte sogar ins Ausland. Im Buch werden die Entwicklung von Pegida sowie ihr Verhältnis zu anderen Akteuren der extremen Rechten nachgezeichnet. Denn Pegida steht im Spannungsfeld von Neonazismus, rechtspopulistischer AfD und der Neuen Rechten.
Ob die AfD in Deutschland, der Front National in Frankreich, die Neofaschisten in Italien, die extreme Rechte in der Ukraine oder die "Rechtspopulisten" in Ungarn - in Europa ist seit einigen Jahren ein massiver Rechtstrend zu verzeichnen. Die internationalen Autorinnen und Autoren werten diese und andere Beispiele als Ausdrucksformen einer tiefer greifenden Entwicklung: einer neuen Qualität gesellschaftlicher Formierung. Sie untersuchen als Gesellschaftswissenschaftler, Journalisten, Politiker oder Aktive der antifaschistischen Praxis in Überblicks- oder exemplarischen Einzelfallstudien die Hintergründe dieses rechten Aufmarsches. Dabei werden die unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen in Gestalt verschiedener Parteien und Organisationen genauso beleuchtet wie die dahinterliegenden Strategien und Widersprüche des gegenwärtigen Kapitalismus in Europa. Ein Anliegen des Buches ist es aber auch, die Möglichkeiten demokratischer Gegenwehr gegen diese Rechtsentwicklung zu klären.
Wer wird heute nicht alles als Populist bezeichnet: Gegner der Eurorettung, Figuren wie Marine Le Pen, Politiker des Mainstream, die meinen, dem Volk aufs Maul schauen zu müssen. Vielleicht ist ein Populist aber auch einfach nur ein populärer Konkurrent, dessen Programm man nicht mag, wie Ralf Dahrendorf einmal anmerkte? Lässt sich das Phänomen schärfer umreißen und seine Ursachen erklären? Worin besteht der Unterschied zwischen Rechts- und Linkspopulismus? Jan-Werner Müller nimmt aktuelle Entwicklungen zum Ausgangspunkt, um eine Theorie des Populismus zu skizzieren und Populismus letztlich klar von der Demokratie abzugrenzen. Seine Thesen helfen zudem, neue Strategien in der Auseinandersetzung mit Populisten zu entwickeln.
Eine neue Massenbewegung macht in Deutschland von sich reden: PEGIDA. Sie läuft Sturm gegen "Überfremdung", "Parteienstaat" und "Lügenpresse". Was in Dresden begann, hat Nachahmer andernorts gefunden. Dass die Demonstrierenden hierbei nicht immer auf öffentliche Gegenliebe stoßen, wird von ihnen als Unterdrückung abweichender Meinungen gebrandmarkt. Überdeckt werden dadurch die Sympathien, die PEGIDA seitens honoriger gesellschaftlicher und politischer Kräfte genießt, derzeit gruppiert vor allem, aber nicht nur, um die "Alternative für Deutschland". Andererseits segeln im Windschatten von PEGIDA Hooligans wie die von HoGeSa und andere Schläger.
Neu sind solche Proteste indes nicht. Bereits vor Jahren startete in Köln ein Kreuzzug sich selbst als "Bürgerbewegung" inszenierender Rechtspopulisten gegen eine angebliche Islamisierung, und auch die Bildung einer rot-rot-grünen Landesregierung unter Führung eines linken Ministerpräsidenten trieb die "besorgten Bürger" auf die Straße.§Diese Entwicklungen sind auch keine deutsche Besonderheit. In anderen europäischen Ländern existieren seit Jahren wirkungsmächtige Bewegungen von rechts mit Ablegern sowohl auf dem Asphalt als auch im parlamentarischen Raum. Sie basteln an einem alternativen Gesellschaftsprojekt von rechts. Mit den aktuellen Umbrüchen in der politischen Szene in Deutschland könnte Vergleichbares nun auch hierzulande anstehen.
Wie funktioniert Rechtspopulismus, was sind seine sozialen Hintergründe und mit welchen Argumenten kann ihm entgegengetreten werden?
Seit der Finanzkrise vor bald zehn Jahren scheint das Weltgeschehen von einer Reihe weiterer dramatischer Krisen geprägt: globale Wirtschaftskrise, Eurokrise, Klimakrise, neue Kriege und Krisenherde, die Millionen Menschen zur Flucht zwingen, islamistische Terroranschläge auch in Europa. All diese Krisen bleiben nicht nur ungelöst. Mehr noch, sie scheinen sich wechselseitig zu verstärken und hochzuschaukeln. Und sie sind zugleich das Konjunkturprogramm für eine nationalistische Rechte, die in zahlreichen Ländern einen besorgniserregenden Aufstieg erlebt und die Gesellschaften polarisiert. In Deutschland stehen spontane "Willkommensinitiativen" fast täglichen rechtsterroristischen Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime und der Etablierung der AfD gegenüber. Droht hier womöglich eine neue, unheilvolle Weimarisierung?
Ingar Solty diskutiert die Frage, wie die gesellschaftliche Rechtsentwicklung gestoppt werden kann. Dem ohnmächtigen Antifaschismus des mahnend erhobenen Zeigefingers und der gutgemeinten "Aufklärung" hält er dabei die Strategie eines reflektierten, linken Populismus entgegen, der auf die Beseitigung der gesellschaftlichen Ursachen des Aufstiegs nationalistischer und rassistischer Bewegungen abzielt. Dabei wirft er auch einen Blick auf die überraschenden Mobilisierungserfolge von Bernie Sanders in den USA und die erstaunliche Linkswende der britischen Labour Party unter Jeremy Corbyn und fragt, was politische Kräfte und soziale Bewegungen in Deutschland hiervon lernen können. Solty skizziert eine politische Strategie, die die Pattsituationen überwinden könnte zwischen jenen Kräften, die zum Erhalt des Sozialstaats und der Demokratie einen Euro-Ausstieg Deutschlands anstreben, und jenen anderen linkstechnokratischen Kräften, die auch nach den Erfahrungen mit der Griechenlandkrise auf eine Reform der Europäischen Union hoffen.
Erstmals seit Kriegsende gibt es wieder eine deutschlandweite rechte Bewegung, deren Mitglieder sich aus der Mitte der Gesellschaft rekrutieren. Eine Bewegung, die keineswegs nur Flüchtlinge zu ihren Gegnern erklärt hat. Sie stellt das ganze politische System infrage. Ihr geht es um eine grundsätzliche Veränderung des bundesrepublikanischen Modells.
Dieses Buch ist die erste große Gesamtdarstellung einer neuen politischen Bewegung, die das gesellschaftspolitische Klima Deutschlands in einer Weise verändert, wie man es noch vor Kurzem für kaum mehr möglich hielt. Es porträtiert die wichtigsten Akteure und Organisationen der Neuen Rechten, beschreibt ihre ideologischen Profile, Handlungsweisen und Strategien und benennt die im Hintergrund operierenden Netzwerke und Gruppierungen sowie ihre zentralen Ziele.
Andreas Speit legt mit diesem Buch eine aktuelle und die derzeit umfangreichste Darstellung über die neuen rechtskonservativen und rechten Bewegungen in Deutschland vor. Er zeigt ein differenziertes Porträt der Personen, Gruppierungen und Ideologien hinter Pegida und Co. auf. Ein unverzichtbares Buch für alle, die sich über Motive, Hintergründe und Ziele der neuen Bewegung umfassend informieren wollen.
Was hat die SPD mit Rassismus zu tun? Warum macht die NPD mit Sarrazin Wahlkampf? Welches sind die politischen Schnittmengen zwischen der bürgerlichen "Mitte" und der "Neuen Rechten"? Thomas Wagner und Michael Zander zeigen, wie eine aggressive Rechtfertigung von Herrschaft und sozialer Ungleichheit ebenso salonfähig wie populär gemacht wurde. SPD-Politiker, konservative Journalisten, die Neurechten, der norwegische Terrorist Breivik und die Neonazis sie alle fordern für sich und ihresgleichen vor allem eines: "Meinungsfreiheit". Das Buch, mit dem zunächst die Sarrazin-Debatte bilanziert werden sollte, bekommt inzwischen eine gespenstische Aktualität, die so nicht gewünscht war.
Danke für die Mühe und die ausführliche Liste!
AntwortenLöschen