Montag, 18. Januar 2016

Biedermänner und Brandstifter

Rechtsparteien und Neofaschismus in der BRD


Transpi3

In der Bundesrepublik haben rechte und neofaschistische Kräfte Zulauf. Wie in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 werden sie zum Teil systematisch gefördert, erhalten Platz in Massenmedien und werden als mögliche Herrschaftsreserve aufgebaut. Zudem zeigt sich: In diesem Land existiert ein »tiefer Staat«, der mit für die organisatorische und politische Lenkung solcher Kräfte bis hin zum Terrorismus sorgt. Die Vorgänge um den »Nationalsozialistischen Untergrund« oder um das NPD-Verbotsverfahren lassen offenkundig lediglich die Spitze des Eisbergs erkennen.


Es kann aber nicht nur um Aktionen gegen Rassisten und Neofaschisten, gegen die Verbreitung ihrer Ideologie gehen. Faschismus ist Fleisch vom Fleisch des Kapitalismus. Die Rechtsentwicklung hat ihren Ursprung dort, wo sozialer Rassismus die Leitschnur des Handelns ist – in Konzern- und Bankzentralen, in politischen Hauptquartieren und den Chefetagen der Medien. Sie glaubten sich nach 1990 von allen Hemmungen gegen die da unten befreit und feierten jede Demontage von sozialen und demokratischen Rechten als »Reform«. Nationalistischer Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und chauvinistische Hetze ergänzen diese Politik seit jeher. Die Kombination von beidem wirkt systemstabilisierend. In der gegenwärtigen Krise wird der Übergang zu autoritären Herrschaftsformen systematisch betrieben.


Die Infoblog-Redaktion freut sich, zu diesem Themenkomplex einen kompetenten Autor gewonnen zu haben, der diese unheilvolle historisch-politische Entwicklung in einer neuen mehrteiligen Serie analysiert.


Das Verbot einer "verbrecherischen Organisation"

Die deutsche Kapitulation am 8. Mai 1945 bedeutete de facto auch das Ende der NSDAP.
Die 1919 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei wurde am 10. Oktober 1945 durch das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 2 mit all ihren Untergliederungen als "verbrecherische Organisation" eingestuft und damit aufgelöst und verboten. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Ab 1949 war jede Werbung für sie durch Schrift, Worte oder Kennzeichen war sowohl in der Bundesrepublik wie auch in der DDR untersagt.

Die NSDAP hatte am Ende des Zweiten Weltkrieges ca 8,5 Millionen Mitglieder, d.h. jeder fünfte Deutsche war Parteimitglied. Untergliederungen wie die Hitler-Jugend (HJ) oder die SA waren ihr direkt unterstellt, andere Massenorganisationen wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) hatten einen
eigenen Rechtsstatus (die Gewerkschaften wurden am 2. (!) Mai zerschlagen und durch die DAF ersetzt, die die Ideologie des Führerprinzips und der "Volksgemeinschaft" auf den Betrieb als "Betriebsgemeinschaft" übertrug). Durch zahlreiche weitere politische Vorfeldorganisationen  war jeder gesellschaftliche Bereich erfasst.

Die 50 Tonnen wiegende Mitglieder-Zentralkartei sollte kurz vor Kriegsende in einer bayerischen Papiermühle vernichtet werden, was aber verhindert wurde. Die Zentralkartei bildete die archivalische Basis für das Berliner Document Center. In den "Nürnberger Prozessen" wurden 24 Hauptkriegsverbrecher (12 davon wurden hingerichtet) sowie sechs Organisationen angeklagt. In zwölf folgenden Nachfolgeprozessen wurde gegen weitere 177 Hauptschuldige Anklage erhoben.

Durch einen Fragebogen wurde eine sogenannte "Entnazifizierung" durchgeführt. Vorwiegend von Laienrichtern besetzte Spruchkammern überprüften in den drei Westzonen 2,5 Millionen Deutsche und stuften sie in fünf Kategorien ein: 0,6 % wurden als NS-Gegner anerkannt, 1,4 % als Hauptschuldige eingestuft, 54 % als Mitläufer klassifiziert und bei 34,6 % wurde das Verfahren eingestellt.


DEFA-Film von 1946 mit Hildegard Knef als KZ-Überlebender


Wie eine neuere sozialwissenschaftliche Studie ermittelte, rekrutierten sich in Westdeutschland ca zwei Drittel aller höheren Funktionsträger im Staatsdienst aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern - in der DDR waren es nur 16 %. Bekannte westdeutsche Beispiele waren der Kanzleramtsminister unter Adenauer, Globke, der am Kommentar der NS-Rassegesetze mitgeschrieben hatte, der ehemalige Leiter der Wehrmachtorganisation "Fremde Heere Ost", Gehlen, der den BND aufbaute, der baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger, der als Marinerichter Todesurteile gefällt hatte und die beiden führenden bundesdeutschen Historiker Theodor Schieder und Werner Conze, die am faschistischen "Generalplan Ost" mitgearbeitet hatten. In der BRD wurde kein einziger NS-Richter verurteilt, die Witwe des bei einem Luftangriff getöteten Volksgerichtspräsidenten Freisler bezog bis zu ihrem Tod eine üppige Rente. Begründet wurde dies von staatlichen Stellen damit, dass "im Falle Freisler unterstellt werden müsse, dass er, wenn er den Krieg überlebt hätte, als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes ein höheres Einkommen erzielt hätte."


Neuformierung des Faschismus in der BRD: Die "Sozialistische Reichspartei"

Unmittelbar nach Kriegsende entstanden zahlreiche rechte Kleinparteien, teils als Neugründung, teils als Fortführung von bereits in der Weimarer Republik existierenden Organisationen.
Am 2. Oktober 1949 konstituierte sich die offen neonazistisch auftretende "Sozialistische Reichspartei" (SRP). In ihrem Parteioprogramm bezog sie sich klar auf das Programm der NSDAP. Auch die "Lösung der Judenfrage" wurde thematisiert, allerdings mit anderen "Methoden" als das NS-Regime es getan hatte. Eine ihrer Gründungsfiguren waren der ehemalige Wehrmachtsmajor Remer, der eine zentrale Rolle bei der Niederschlagung des Aufstandsversuches am 20. Juli 1944 gespielt hatte. Der andere war der ehemalige Luftwaffenoberst Rudel, der in der Nachkriegszeit u.a. für Siemens oder als Waffenhändler in Lateinamerika tätig war.

Schlüsselfiguren der SRP, u.a. Otto-Ernst Remer (Mitte), 1952

Obwohl die SRP bei den Landtagswahlen 1950 in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kaum Stimmen gewinnen konnte, schaffte sie 1951 in ihrem Kernland Niedersachsen mit 11% einen Wahlerfolg und zog im selben Jahr mit 7,7 % auch in die Bremer Bürgerschaft ein.

Die SRP wurde am 23. Oktober 1952 schließlich wegen ihrer offenen Bezugnahme auf die NSDAP verboten. Mit diesem Urteil wurden gleichzeitig sämtliche Mandate ersatzlos gestrichen. Die Auflösung der Partei und Einziehung aller parteilichen Vermögen wurde angeordnet und gleichzeitig die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt.



Vorschau auf Teil 2:   Der Aufstieg der NPD und der Beginn  neofaschistischen Terrors



5 Kommentare:

  1. Dass der Faschismus ein Nebenprodukt des Kapitalismus ist, das in bestimmten historischen Situationen "systemstabilisierend" wirkt, leuchtet ein. Das heißt aber nicht unbedingt, dass der Faschismus - mit seiner Vorstellung vom starken Staat - für den Kapitalismus die erste Wahl ist. Sonst hätten die Westaliierten wohl kaum einen Grund gesehen, gegen das nationalsozialistische Deutschland Krieg zu führen. Auch wüßte ich nicht, dass amerikanische, englische, und französische Firmen Anstalten gemacht hätten, ihre Firmensitze ins Deutsche Reich zu verlegen. Machen wir uns nichts vor: Faschismus ist zwar das Letzte, aber leicht zu durchschauen - und wo er wirklich insatlliert wird, vergleichsweise kurzlebig. Der Kapitalismus gedeiht darum besser dort, wo der Reiche die Armen so über den Tisch ziehen kann, dass sie auch noch glauben, dies sei Teil ihrer vielgepriesenen Eigenverantwortlichkeit - und das geht nirgendwo besser als in der westlichen Demokratie. Die Gefahr, die uns augenblicklich droht, ist daher wahrscheinlich auch weniger in einem wie auch immer gearteten Comeback der Nazi-Herrschaft zu sehen, sondern in der Privatisierung staatlicher Aufgaben im Namen der Freiheit. Wenn Sie wollen können Sie das natürlich auch "Faschismus" nennen. Aber dann ist alles Faschismus, was irgendwie wehtut.

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  2. Auch interessant die Aussagen des Metall-Arbeitgeber-Chef Kannegiesser (beispielsweise "systematischen Umerziehung von oben": https://www.youtube.com/watch?v=V3d50BsycgQ
    und haben sich die Arbeitgeber die Vorgehensweise* zu eigen gemacht (beispielsweise (als Wegbereitung) zur Demontage von sozialen und demokratischen Rechten als »Reform«, TTIP & CETA)?
    *https://www.facebook.com/0anon/photos/pb.369421806479836.-2207520000.1446311483./789993197756026/?type=3&theater

    Geld ist das Brecheisen der Macht. Friedrich Nietzsche

    Der Kommentator (Dienstag, 26. Januar 2016 um 17:23:00 MEZ) schreibt "Auch wüßte ich nicht, dass amerikanische, englische, und französische Firmen Anstalten gemacht hätten, ihre Firmensitze ins Deutsche Reich zu verlegen." vergisst oder verdrängt aber, dass beispielsweise auch der Auto-Tycoon Henry Ford die Nazis und sogar Hitler persönlich unterstützte "... Weiterhin überwies die Ford-Werke AG jährlich 50.000 RM als Geburtstagsgeschenk auf Hitlers Privatkonto ..." - siehe:
    http://sauber.50webs.com/kapital/
    http://www.spiegel.de/einestages/henry-ford-und-die-nazis-a-947358.html

    Auch sollte man das folgende nicht unbeachtet lassen:
    https://www.youtube.com/watch?v=dSrbsQb1tdg
    https://www.youtube.com/watch?v=V3d50BsycgQ
    https://www.youtube.com/watch?v=UlkrQtliINc
    https://www.youtube.com/watch?v=50NYNvIjOCg
    https://www.youtube.com/watch?v=XcsuLJzeRJ4

    "Die Welt wird von ganz anderen Persönlichkeiten regiert, als diejenigen glauben, die nicht hinter die Kulissen blicken." Benjamin Disraeli, engl. Premierminister und Freimaurer

    „In der Politik geschieht nichts zufällig! Wenn etwas geschieht, kann man sich sicher sein, dass es auf diese weise geplant war" Frank Delano Roosevelt, US-Präsident und Freimaurer

    „Der Einzelne steht wie gelähmt vor einer Verschwörungstheorie, die so monströs ist, dass er sie einfach nicht fassen kann.“ J. Edgar Hoover, Leiter des FBI und Freimaurer

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    1. Du weist auf viele wichtige Punkte hin, z.B. die Zusammenarbeit von deutschen und amerikanischen Kapitalisten im Zweiten Weltkrieg, auf Lobbyisten in Brüssel oder die initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Was soll dann aber der ganze Freimaurer-Quatsch? Was soll der Verschwörungs-Blödsinn? Es geht hier um Kapitalismus, um Kapital-Interessen und auch um Widersprüche unter den Kapitalisten selber, die dann mit imperialistischen Kriegen ausgetragen werden. DAS gilt es zu analysieren. Und zwar nüchtern und ohne esoterisches Geraune. Du machst Dich damit nur selber blind.

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    2. Die Fragen/Aussagen "Was soll dann aber der ganze Freimaurer-Quatsch? Was soll der Verschwörungs-Blödsinn? [...] ohne esoterisches Geraune. Du machst Dich damit nur selber blind." passen durchaus zu den Reaktionen der breiten Masse in der Weimarer Republik auf Warnungen (von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern und Intellektuellen, aus konservativen Kreisen und Parteien) vor Hitler und seiner NSDAP, insbesondere hinsichtlich seinen Ausrottungsfantasien (die ihn tatsächlich schon 1920 umtrieben) bzw. seinen ersten Band von "Mein Kampf" (bis 1932 ein viel diskutierter Bestseller), was im Ergebnis vor allem auch zum Judenmord - Millionen jüdischer Holocaust-Opfer - führte ...

      „Es heißt, der Erste Weltkrieg sei der Krieg der Chemiker gewesen, weil zum ersten Mal Senfgas und Chlor eingesetzt wurden, der Zweite Weltkrieg der Krieg der Physiker, weil die Atombombe abgeworfen wurde. Der Dritte Weltkrieg würde der Krieg der Mathematiker werden, weil die Mathematiker die nächste große Kriegswaffe, die Information, kontrollieren würden.“ Simon Singh

      Ein Kunde

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  3. Da ich auf meine Frage keine Antwort kriege, wiederhole ich meine Frage: Was soll der Freimaurer-Quatsch? Was soll der Verschwörungs-Blödsinn? Was soll das Geraune zu Disraeli, Roosevelt und Hoover?
    Was haben die Warnungen von Intellektuellen etc damit zu tun?
    Was die Aussagen über den Charakter des Krieges?

    Das hier ist ein Gewerkschaftsblog. Wofür wir stehen, kannst Du im Blogartikel vom 4. Januar nachlesen. Die Verbreitung von esoterischen Verschwörungstheorien gehört nicht dazu. Das kannst Du woanders machen.Aber nicht hier.

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