Samstag, 21. Dezember 2013

PARATE DOMINI VIAM - oder Gottes Tiefbauprojekt



Sollte Papst Franziskus mit seiner jüngst geäußerten Kapitalismuskritik richtig liegen, wovon man bei einem Stellvertreter Christi ausgehen darf, könnte denen, die für ihre Tarifverträge oder ihre Arbeitsplätze kämpfen, Gott näher sein, als sie ahnen. Und die Adventszeit – in der wir der Nähe Gottes gedenken – ist kein unpassender Anlass, sich auch solche Gedanken zu machen. 


Der Advent als Ankunft Christi

Was bedeutet Advent? Denkt man darüber genauer nach, kommt man – wie bei genauerem Nachdenken üblich – schnell in Teufels Küche.

Gehen wir in guter deutscher Gelehrtenmanier etymologisch vor – das bringt zwar meistens nichts, zeugt aber von Bildung. Advent heißt Ankunft – und gemeint ist: das Erscheinen Jesu Christi auf Erden. Jedoch stellt sich hierbei mit Schärfe die Beckenbauer-Frage: ja is‘ denn scho‘ Weihnachten? Wenn wir in der Christnacht erst die Geburt des Heilandes feiern, wie kann er dann schon vorher bei uns ankommen?


Advent meint also eher eine Ankunft in Zukunft: sozusagen eine Herankunft – in dem Verständnis, dass Gott zu uns unterwegs ist und bald eintreffen wird. Im Advent muss man folglich eine Zeit des Wartens und der Sehnsucht, aber auch des Umdenkens und der Vorbereitung sehen. Deshalb hören wir im Evangelium des vierten Adventsonntags den Mahnruf des Propheten Jesaia:

Bereitet dem Herrn den Weg!

Dass ihm hierbei sehr viel mehr vorschwebt, als in gehobener Stimmung ein paar Kerzlein anzuzünden und ein paar Liedlein abzusingen, zeigt sich daran, wie er das Bild vom Wege- und Straßenbau weiterführt. Es wird Ausdruck eines radikalen und kompromisslosen Anspruchs, der selbst vor scheinbar unüberwindlichen Hindernissen nicht haltmacht. Denn so sollen wir helfen, Gottes Kommen zu ermöglichen:

Ebnet ihm die Straßen!
Jede Schlucht soll ausgefüllt werden,
jeder Berg und Hügel sich senken.
Was krumm ist, soll gerade werden.
Was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.

Der Advent als Wiederkunft Christi

Doch welchen Sinn mag es haben, jedes Jahr von neuem etwas vorzubereiten oder herbeizuwünschen, das vor zweitausend Jahren bereits geschehen ist? Die Antwort auf diese Frage fällt bei theologischen Vollprofis in der Regel ungefähr so aus: unser Erlöser – sagen sie – sei zwar in der Geschichte angekommen, aber noch nicht so ganz in den Herzen der Menschen, und deswegen falle uns nun die Aufgabe zu, ihm dort Raum zu geben, damit seine Liebe in uns wachsen und wirken kann.

Ganz genau genommen freilich wird hier eine Nachbereitung, keine Vorbereitung des Weihnachtsereignisses gefordert. Die Adventsbotschaft hat quasi eine Umdeutung ins Geschichtslose erfahren und ihren Stachel verloren. Denn letztlich ist sie nutzloses und lauwarmes Gewäsch, wenn sie uns nicht zugleich mit Christi Ankunft auch seine Wiederkunft ins Bewusstsein ruft.

Dass dieser Gedanke sich keiner sonderlichen Popularität erfreut, leuchtet ein. Man muss nicht unbedingt im Alleinbesitz des Heiligen Geistes sein – es reicht, wenn man im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist: dann lässt sich unschwer ausmalen, dass Gott, der kommen wird, um Gericht über uns zu halten, eine bessere Welt anzutreffen wünscht, als wir sie im Augenblick vorweisen können.

Reicht es ihm wirklich, wenn wir von Zeit zu Zeit in uns gehen und alle Menschen tief im Herzen ganz toll lieb haben? Reicht es wirklich, um das Prophetenwort zu erfüllen:

Bereitet dem Herrn den Weg!? - Ebnet ihm die Straßen!?

Der Advent als Gottes Tiefbauprojekt

Wohl niemand wird annehmen, Gott habe ein Faible für ehrgeizige Tiefbauprojekte. Aber sollte er uns durch den Appell, ganze Landschaften platt zu machen, tatsächlich zu nichts anderem bewegen wollen als zum Rückzug ins Innere, Seelische, Geistige? Er könnte doch eben so gut die Veränderung und Umgestaltung einer äußerlich sichtbaren Realität gemeint haben. – Erstaunlich, wie schnell Gläubige, deren Glaube angeblich Berge versetzt, bei der metaphorischen und allegorischen Verflüchtigung gerade solcher Dinge sind, die wirklich vorstellbar und durchführbar wären.

Wir Menschen sind die einzige Tierart, deren Verhältnis zu ihrer Umwelt primär nicht in der Anpassung, sondern in der Aneignung besteht. Wir leben in einer Zeit, in der die Oberfläche unseres Planeten nicht nur so gut wie vollständig von uns gestaltet ist, sondern sogar vollständig von uns vernichtet werden kann. – Kaum irgendwer sähe heute mehr ernsthaft ein Problem, das Prophetenwort technisch umzusetzen, wenn es darum ginge, Profit zu machen.

Sobald es aber um etwas anderes geht, nämlich darum, Armut und Unrecht, Ausbeutung und Unterdrückung vom Angesicht der Erde verschwinden zu lassen, ist unser Vertrauen in die Möglichkeit und Machbarkeit aller Dinge dahin. Wir verkriechen uns in unser Inneres und überlassen die böse Welt da draußen getrost den Börsenmaklern und Investmentbankern – wenngleich natürlich nicht, ohne ihnen vorher noch ein paar spirituelle Wellnesstipps mit auf den Weg gegeben zu haben – und dann schauen wir heraus und wundern uns, dass noch immer nichts besser geworden ist.

Wenn aber so Gottes kämpfende Kirche aussieht, müsste klar sein, weshalb ein paar Dutzend Leute, die für Tarifverträge oder Arbeitsplätze kämpfen, ihm näher sind. Aus einem sehr simplen Grund: sie tun etwas, das man sehen kann – und das ist Advent!

Jürgen Horn

2 Kommentare:

  1. Danke lieber Jürgen für deinen tollen Beitrag!!
    Ich wünsche dir und deiner Familie
    schöne und besinnliche Weihnachten!!
    Liebe Grüße Ch. H.

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  2. Hat zu lange gedauert zum lesen. sonst gut.

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