Freitag, 2. Juli 2021

Armut und Klassengesellschaft

 

 

"Wird denn bei uns weniger über Armut diskutiert als in anderen Ländern?

Oh ja.  Armut war lange nur in der Vorweihnachtszeit ein Thema,
wenn Spenden gesammelt wurden, und der Reichtum ist immer noch ein 
Stiefkind der medialen Aufmerksamkeit wie der Forschung.
Begriffe wie "Klasse" und "Klassengesellschaft" gelten hierzulande
als marxistische Signalworte und sind entsprechend verpönt. 
 
Woher rührt das?
 
Zum einen hat die Union schon ihren ersten Bundestagswahlkampf mit dem Versprechen
der "Sozialen Marktwirtschaft" geführt und damit suggeriert, dass wir gar keinen Kapitalismus mehr hätten. Wodurch es dann auch weder eine arbeitende Klasse 
noch Ausbeuter derselben mehr gibt, sondern nur noch "Sozialpartner".
 
Der Soziologe Helmut Schelsky hat dieses Narrativ 1953 mit dem Begriff der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" unterfüttert. Noch heute denken viele, bei uns gebe es weder extremen Reichtum noch nennenswerte Armut. Dabei ist die Vermögensungleichheit hierzulande fast genauso hoch wie in den USA."
 
 
 
Quelle: Der Armutsforscher Christoph Butterwegge 
im Interview mit der Süddeutschen Zeitung  
vom 23. April 2021, S. 11
 
 
 

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