Mittwoch, 9. März 2016

Betriebsrat? Nie gehört!

Fehlanzeige: Mitbestimmung als Thema der Betriebswirtschaftslehre



Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre, der unsere Chefetagen mit patentem Nachwuchs versorgen soll, werden Themen wie Arbeitnehmermitbestimmung, Betriebsverfassungsgesetz oder Betriebsrat kaum behandelt.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete unlängst in einem aufschlußreichen Artikel "Betriebsrat? nie gehört!" über eine Studie der Europäischen Akademie der Arbeit an der Universität Frankfurt, die genau zu diesem Ergebnis kam. Untersucht wurden dabei Dutzende Studiengänge an 25 Hochschulen, darunter die zehn größten Universitäten des Landes.

Das Fazit, zu dem die Autoren Martin Allespach und Brigita Dusse kommen, ist aus Sicht der Gewerkschaften und Arbeitnehmer ernüchternd. Die Mitbestimmung, die als zentraler Bereich die Unternehmenskultur entscheidend prägt und ein wichtiges Gegengewicht zu rein ökonomischen Überlegungen darstellt, wird in den Studiengängen zwar nicht komplett ignoriert, ist aber definitiv auch kein angemessen gewichteter Bestandteil der Ausbildung.

Angeboten wird der Komplex z.B. im Bereich Personalmanagement als freiwillige Seminare. Kann man machen, muss man aber nicht!
Das Thema Mitbestimmung wird nicht in seiner realen Bedeutung für den Betriebsfrieden beleuchtet, sondern vielfach auf eine Rahmenbedingung reduziert, mit dem sich die Führungsetage  irgendwie zu arrangieren hat. Vereinzelt wird sie sogar explizit als "Störfaktor" dargestellt, der einem gewinnorientierten Management im Wege steht. Eine Auseinandersetzung im positiven Sinne, die ein entsprechendes Bewusstsein für die Rechte der Mitarbeiter bei den Studenten entwickelt, ist somit die Ausnahme.

Die Vorsitzende des Verbands der Hochschullehre für Betriebswirtschaft, Barbara Weißenberger, sieht darin keinen Nachteil. Es sei vielmehr ein Zeichen dafür, dass der Studiengang nicht mehr den "Denkmustern der 50er und 60er Jahre verhaftet sei". Mitbestimmung würde im ganzheitlichen Kontext durchaus berücksichtigt, sei aber nur ein Teilaspekt von vielen. Mehr Gewicht erhalten aktuelle Themen, wie "Macht über Daten und ständige Erreichbarkeit."

Wirft man, parallel zu den Ergebnissen der Untersuchung, einen Blick auf die Gruppe junger Menschen, die sich für das Studium der Betriebswirtschaftslehre entscheiden, zeigt sich ein eher bedenkliches Bild.  Es wird deutlich, dass weniger wissenschaftliches Interesse als vielmehr die Hoffnung auf eine schnelle und finanziell lukrative Karriere der primäre Antrieb sind ein BWL-Studium zu beginnen. Dazu kommen Umfrageergebnisse, die zeigen, dass BWL-Studenten deutlich öfter eine "distanzierte demokratische Grundhaltung" haben als Kommilitonen anderer Fächer. Gesellschaftlicher Nutzen oder soziale Verantwortung als Motive würden im Vergleich zu anderen Studenten selten genannt.

Wer nach dem Abitur kein spezielles Interesse habe und dennoch ein Studium mit karrieretechnischer und finanzieller Perspektive sucht, entscheidet sich somit häufig für eine BWL-Studium. Fast 10 % aller Studenten sind dafür eingeschrieben.

Niemand erwartet, dass die Universitäten Idealisten mit ausgeprägtem sozialen Bewusstsein in den Arbeitsmarkt entlassen, die in den Betrieben versuchen, eine Revolution anzuzetteln. Wünschenswert wäre allerdings, wenn ein gewisses Maß an Verständnis und Respekt für die gesetzlich garantierten Rechte  der Arbeitnehmer zur Grundausstattung zukünftiger Führungskräfte gehörten.
Dies setzt aber voraus, dass man sich davor schon ein Mal wertungsfrei mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

Die meisten der jungen Highperformer, die sich zäpfchengleich in eine geschmeidige Startposition für die geplante Karriere zu bringen versuchen, werden sich nicht mit "linkem Gedankengut" sofort wieder ins Abseits schießen. Besser man funktioniert innerhalb der vorgesehenen Parameter des Stellenprofils und schaut, dass man schön im Windschatten des Vorgesetzten bleibt.

Und wer nie gelernt hat, dass auch diejenigen, die den Gewinn eines Unternehmens erwirtschaften, Rechte haben und Respekt verdienen, der kann auch in Konfliktsituationen nicht mehr angemessen reagieren. So entstehen dann zwangsläufig Situationen, in denen sich Geschäftsführung und Betriebsrat völlig blockieren, anstatt eine schnelle Lösung herbeiführen zu können. Dieser Stillstand kostet oftmals richtig viel Geld. Und da Geldverdienen und Gewinnoptimierung sehr wohl zu den Kerndisziplinen der Betriebswirtschaft gehören, wäre hier ein angemessenes Verhalten absolut im Sinne des Unternehmens.








Anmerkung der Infoblog-Redaktion:


Dieser Artikel erschien zuerst im Infoblog www.weltbild-verdi.de
Wir danken den Kolleginnen und Kollegen für die freundliche Erlaubnis zum Abdruck des Textes.


7 Kommentare:

  1. Verwundert es die Autoren wirklich, daß BWL studiert wird, um sich danach einen lukrativen Job zu suchen? Wer studiert wohl BWL, weil es Spaß macht? Und haben wir mir Bologna-Reformen nicht alles dafür getan, damit die Studierenden sich für eine schnelles und marktorientiertes Studienfach entscheiden, anstatt Neigungen nachzugehen oder gar Anklänge an ein studium universale zu finden? Linkes Gedankengut in Hörsaal und Seminar war schon immer das Privileg von Laber- und Nischenfächern.

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  2. Die Leier vom "linken Gedankengut" langweilt und ist falsch. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates stehen im Betriebsverfassungsgesetz und regeln die Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeitnehmervertreter. Das ist Gesetz und kein Gnadenakt von Kapitalisten.

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    1. In Gesetzen kann auch viel Mist stehen, Wehrpflicht oder die Versammung der Homos, das wird aber immer nur zugegeben, nachdem die Gesetze abgeschafft wurden.

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    2. Hier geht es um das Betriebsverfassungsgesetz. Und da steht kein "Mist" drin, auch wenn die Kapitalseite es sehr, sehr gerne abschaffen möchte.

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  3. Mannomann! Jetzt ist das Niveau der Debatte endgültig durch die Kellerdecke geknallt. Wenn Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer Mist sein sollen, warum dann nicht gleich auch Artikel I oder II des Grundgesetzes?

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    1. Berechtigte Frage - insbesondere was die Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit angeht. Im Zeitalter von Salafisten, Nonazis und anderen Verwirrten und Verirrten ließen sich dazu eine Menge sinnreicher Einschränkungen erlassen, wenn es denn nur gewollt wäre.

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    2. Wir reden hier im Artikel vom Betriebsverfassungsgesetz und von der Mitbestimmung in Betrieben. Wenn Du dazu was zu sagen hast, dann kannst du das gerne tun.

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