Montag, 14. Juli 2014

Der durchlöcherte Mindestlohn

ver.di:  SPD täuscht Wähler


Als Wahlkampfschlager der letzten Bundestagswahl propagierte die SPD den Mindestlohn ohne Ausnahmen. Die Gewerkschaften unterstützten diese Forderung. Dafür dürften die Sozialdemokraten viele Wählerstimmen eingesammelt haben, nicht zuletzt von gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten.
Mit den jetzt zahlreichen Ausnahmeregelungen hat die große Koalition aus SPD und CDU/CSU jetzt dieses Projekt durchlöchert.
Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sagte der „Bild am Sonntag“: „Mit der Vielzahl von Ausnahmen hat die Koalition den Mindestlohn brutal amputiert. CDU, CSU und SPD verweigern mindestens drei Millionen Menschen die 8,50 Euro.“ Die Ausnahmen träfen ausgerechnet die Schwächsten am Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung liefere Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte, Erntehelfer, Zeitungszusteller und Praktikanten „weiterhin der Willkür von Hungerlöhnen aus“.
Bsirske warf der SPD Wählertäuschung vor: „Das hat mit dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, den die SPD in ihrer Mitgliederbefragung vor der Regierungsbildung zur Abstimmung gestellt hat, nichts mehr zu tun. Dieser Flickenteppich ist ein Akt grober Wählertäuschung zulasten von Millionen Arbeitnehmern.“


Druck der Arbeitgeberlobby


„Nach wie vor nicht akzeptabel ist der Umstand, unterstrich ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske, dass auf Druck der Arbeitgeberlobby und Betreiben von CDU und CSU zwei bis zweieinhalb Millionen Menschen der Mindestlohn zunächst vorenthalten bleibt“ Wenn der Mindestlohn nicht für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Neubeschäftigung gelten solle, berge dies die große Gefahr, dass Arbeitgeber die Betroffenen nur vorübergehend als Billigkräfte einsetzten und sie nach kurzer Zeit durch andere Langzeitarbeitslose austauschten.

Gleichzeitig würden dadurch nicht tarifgebundene Unternehmen gegenüber tarifgebundenen bevorzugt, weil Tarifverträge durchgehend bereits die 8,50 Euro vorsähen oder in Kürze erreichten. „Das läuft dem Anspruch des Tarifautonomiestärkungsgesetzes zuwider. Hier hat sich die Union zulasten von Millionen Beschäftigten durchgesetzt, denn die Ausnahmen treffen gerade die Schwächsten: Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte, Zeitungszusteller, Jugendliche und Praktikanten. So wird der allgemeine gesetzliche Mindestlohn amputiert und in der Folge nur schwer zu kontrollieren sein.“ Weitere Ausbeutung drohe zudem, wenn Arbeitgeber für Saisonkräfte die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung mit dem Mindestlohn verrechnen dürften. „Wer hier Mondpreise aufruft, um weiterhin Hungerlöhne zahlen zu können, muss auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden“, forderte Bsirske.


Mindestlohn als Gefahr für die Pressefreiheit?

Völlig aberwitzig sei die gesetzliche Regelung, wonach die Zeitungsverlage für die Zeitungszustellung im ersten Jahr statt 8,50 Euro nur 6,38 Euro pro Stunde und im zweiten Jahr nur 7,23 Euro bezahlen müssten. Einige Zeitungsverleger haben im Vorfeld groteskerweise die Erhöhung der kärglichen Zusteller-Löhne auf Mindestlohn-Niveau als Gefahr für die Pressefreiheit heraufbeschworen.

„Die Zeitungsverleger haben eine tarifliche Übergangslösung kategorisch abgelehnt und werden jetzt aus fadenscheinigen Gründen mit einem Mindestlohn-Abschlag belohnt“, so Bsirske. Die in ver.di organisierten Zeitungszusteller hatten in den vergangenen Tagen mehr als 18.000 Unterschriften gegen diese Ausnahme gesammelt und am Vormittag im Bundesarbeitsministerium übergeben.

„Die Auseinandersetzung um die flächendeckende Geltung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns ohne Schlupflöcher geht weiter. Jetzt sind die Länder im Rahmen der Bundesrats-Beratungen gefordert“, sagte Bsirske. „Bundesregierung, Bundestag und Länder sind in der Verantwortung, die Einhaltung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns effizient zu überprüfen und den Missbrauch durch die vorgesehenen Ausnahmeregelungen zu verhindern“, mahnte der ver.di-Vorsitzende."

Bemerkenswert ist, daß diese sozialdemokratische Wählertäuschung sogar innerhalb der SPD scharf kritisiert worden ist.  "Mit der Festschreibung des Mindestlohnes im Koalitionsvertrag hatten wir einen roten Apfel in die Hand bekommen" - warf die Vorsitzende des SPD-Arbeitskreises Demokratische Linke (DL21), Hilde Mattheis, der SPD-Arbeitsministerin Nahles vor - und nun zeige sich, "dass der auf der einen Seite verfault ist".








Quelle: www.verdi.de
www.sueddeutsche.de


Lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Blog der Münchener Zeitungszusteller:
http://zeitungszusteller.blogspot.de/

2 Kommentare:

  1. Wer SPD gewählt hat,sollte vorher gewußt haben, daß er mit denen nur enttäuscht werden kann. Ein überflüssiger Schatten einer Volkspartei, die aus Tradition und Folklore gewählt wird und zum Selbsterhalt das Blaue vom Himmel verspricht. Eine Bande von Volksverrätern, immer schon gewesen.

    AntwortenLöschen
  2. Die etablierten Parteien haben grösstenteil ausgedient. FDP, der ich keine Tränen nachweinen, Grüne, die mit allem überfordert sind was nicht Umwelt ist und schließlich die SPD, die zu einer Partei mit Karrieristen verkommen ist, die nicht genug Profil und Schneit haben, sich dahin zu öffnen was die Bevölkerung fordert, viel verspricht, wenig hält und sich selbst mit Diätenerhöhungen huldigt. Ich war nie und werde es hoffentlich auch nie, ein CDU-Wähler. Als solcher könnte ich zumindest sagen: Ja meine Partei tut wenigsten fördergründig so als nehme Sie aktuelle Themen der Gesellschaft ernst und handelt danach. SPD und CDU sind sich in so vielen Dingen einig, dass man als Wähler verzweifelt auf der Suche nach einer unabhängigen sozialdemokratischen Partei ist, die für ihre Wähler einsteht, nämlich: Angestellte und Arbeiter!

    AntwortenLöschen

Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.