Donnerstag, 17. April 2014

The Cardinal has left the building

Über Kirchen-Abschied, Kirchen-Kredit und Kirchen-Filter

Vor einer Woche,  kurz vor seinem 90. Geburtstag, verstarb Karlheinz Deschner, der wohl bedeutendste deutsche Kirchenkritiker der letzten Jahrzehnte. Im vergangenen Jahr vollendete er sein Opus Magnum, die zehnbändige "Kriminalgeschichte des Christentums".
Was das mit Hugendubel zu tun hat? Gibt man den Namen des Autors im Online-Shop bei Thalia ein, erscheinen 41 Titel. Treffer bei Hugendubel.de: ein einziges Buch mit dem allerdings schönen Titel "Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom". Für den Infoblog-Leser/in der hier mittlerweile erschienenen
28 (!) Artikel zum Thema Zensur nichts Neues.

Soll hier rechtzeitig zum wichtigsten Fest des Christentums - nein, nicht Weihnachten, sondern Ostern - mal wieder kräftig gegen Kirche und  Kirchenfilter polemisiert werden? Nicht unbedingt.
Denn wir wollen im Gegenteil eine Frohbotschaft verkünden, die auf die Hugendubel-Betriebsöffentlichkeit in Gestalt des himmlischen Sendboten RL Blenninger am Rande der letzten Betriebsversammlung in einem Nebensatz auf uns herabgekommen ist:

Halleluja, der Kirchenfilter soll bald verschwinden!

Und der ebenfalls auf der Betriebsversammlung anwesende Nitz bekräftigte diese Aussage durch freudig-erregtes Nicken: ja, der ökonomisch unsinnige und imageschädigende Kirchenfilter soll bald der Vergangenheit angehören. Derselbe Nitz, der in den vergangenen Jahren auf Nachfragen hin sich dumm stellte, lavierte und sich aus der Peinlichkeit irgendwie nichtssagend herauswinden wollte? Ja, genau der.


Das Murren der Lämmer

Man hört staunend zu und reibt sich die Augen: der von Herrn Hugendubel und seiner GL jahrelang geleugnete Sachverhalt wird in einem Nebensatz zugegeben und gleichzeitg ad acta gelegt.
Und die anwesende Belegschaft, die vorher noch brav-abnickend Nitzens Erzählung lauschte, wie der hartgesottene Hugendubel-Manager mit mindestens ebenso hartgesottenen Schörghuber-Managern verhandelt (und sie dabei zugleich mit einem Fingerschnipsen in lauter kleine Unternehmerlein verwandelt), schwieg andächtig zu allem. Vier Jahre, pardon,  verarscht von der GL? Macht doch nichts. Sind wir nicht alle wieder eine große Hugendubel-Familie? Nur die eine tapfere Betriebsrätin, die diese unglaubliche Informationspolitik nicht einfach so durchgehen lassen wollte, bekam den Unmut in Form lauten Murrens zu spüren. Und die Solidarität der restlichen BR-Mitglieder hielt sich bis auf eine Ausnahme wie immer in engen Grenzen.


Komm, erzähl´ mir eine Geschichte!

Aber nicht nur Nitz kann schöne Geschichten erzählen, sondern auch sein Vorgesetzter Max Hugendubel.
Als er am 25. Februar auf dem gesetzeswidrigen Mitarbeiterabend am Marienplatz dem anwesenden Publikum aus herbeizitierten Führungskräften und neugierigen MitarbeiterInnen die Story von der großen Errettung und der Heimkehr in den Schoß des (nicht besonders familienfreundlichen) Familienunternehmens Hugendubel erzählte, bekam er dafür starken Beifall. Zu diesem Zeitpunkt wußte er bereits, was er exakt einen Monat später dem Betriebsrat und der MPL-Belegschaft verkündete: den Exitus der "Firmen-DNA" (Hugendubel), das Ende des Marienplatzes. Der Applaus bei der GL-Veranstaltung wäre mit Sicherheit erheblich gedämpfter ausgefallen, wenn den Anwesenden mitgeteilt worden wäre, daß sie sich allesamt auf einem sinkenden Flaggschiff befinden.

Vielleicht hätte Herr Hugendubel auch in bezug auf die Bewertung des kirchlichen Kreditangebots der zweiten Tranche ("brauchen wir nicht") seiner Gutsherrenart etwas mehr Selbstbeschränkung auferlegt.
Denn nach Aussage von Nitz bei der letzten Betriebsversammlung hätte Hugendubel, ohne die erste 10-Mio-Tranche Insolvenz anmelden müssen. Interessant, daß man das en passant auch mal erfährt. Von der Informationsverpflichtung gegenüber dem Wirtschaftsausschuß ganz zu schweigen. Aber wir wollen doch die schöne neue Familien-Harmonie nicht dadurch stören, oder?


Wem müssen wir die Füße küssen?

Damit kommen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück.
Müssen wir der Kirche wg. der Millionen-Salbung nun die Füße küssen, wie manche meinen?
Nein, müssen wir nicht. Die Kirche hat jahrelang als Mit-Eigentümer der Firma Hugendubel sich einen Dreck um die sozialen Belange der Beschäftigten gekümmert. Die Sozialtarif-Kommission wurde jahrelang mit fadenscheinigsten Ausflüchten hingehalten. Eine plötzlicher Kontakt mit dem Betriebsrat erfolgte dann zu einem späten Zeitpunkt so geschmeidig schnell, weil man sich noch einen guten Abgang verschaffen wollte. Dafür wäre eigentlich wie bereits im Vorjahr der Pontius-Pilatus-Preis fällig, zur Abwechslung diesmal vielleicht an Ihro Hochwohlgeboren Generalvikar Prof. Dr. Dr.Dr. Dr. Dr. Beer.

Die Kirche hat damit eine große Chance verpaßt, nach ihrem Weggang etwas bleibend positives im Sinne der katholischen Soziallehre zu hinterlassen. Aber warum sollte sie bei den Hugendubel-Beschäftigten etwas verwirklichen, was sie (wie auch ihre evangelische Schwesterkirche) auch sonst nirgends praktiziert? Die öffentliche Reaktion auf das unlängst verbreitete Sozialwort der beiden Kirchen spricht Bände: Das Papier sei "weichgespült und teilnahmslos", sagte der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach dazu.
Es spiegele das saturierte Milieu derer, die es geschrieben hätten, wieder. »Das ist ein Blick von einem anderen Stern auf die gesellschaftliche Lage.«


8 Kommentare:

  1. Interessant auf jeden Fall, aber Interessant wäre auch zu wissen, wie das Eigentumsverhältnis bzgl. Onlineshops aktuell aussieht. Momentan ist der Shop doch immer noch in Hand von Weltbild oder? Besteht da dann auch ein Zusammenhang zur Insolvenz, steht dann Hugendubel demnächst womöglich ohne Internetauftritt da?

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  2. Was den Hugendubel-Onlineshop angeht, arbeitet Weltbild für Hugendubel als Dienstleister.Hugendubel prüft - auch das war von Nitz am Rande der letzten Betriebsversammlung zu hören - Angebote von anderen Internet-Dienstleistern. Was man allerdings auch hört: Es mag bessere Angebote geben, allerdings scheint Weltbild denen gegenüber preiswerter zu sein.

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    1. Das Weltbild billiger ist, sollte uns nicht verwundern. Eingeschränktes Programm (s.o.) und eine im Vergleich zu Amazon unterirdisch schlechte Lieferzeit sind wohl nur akzeptiert worden, weil Geiz mal wieder geil war.

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  3. Vielleicht wird Hugendubel tatsächlich über kurz oder lang dieses anachronistische Zensurinstrument los. Wie oben sehr gut beschrieben bleiben aber zwei skandalöse Sachverhalte bestehen: Die katholische Kirche hat versucht, sich unter Einsatz etlicher Steuermillionen aus ihrer Verantwortung für ihr Weltbild-Debakel freizukaufen, und dies sehr ungeschickt, würdelos, unethisch und unsozial zugleich. Und der ähnlich inkompetente und arrogante Hugendubel-Führungsclan macht genauso dummdreist weiter, ob mit oder ohne Kirchenzensur, Kirchenmillionen oder Kirchenmoral, ganz ohne irgendein ein Fünkchen von sozialer oder sonstiger Verantwortung - und treibt ein traditionsreiches ehemals erfolgreiches Vorzeigeunternehmen in den vorhersehbaren Ruin. Der wirtschaftliche Sachverstand aller beteiligten Entscheidungsträger in Kirche wie Firma gleichermaßen scheint sich darauf zu beschränken, die eigene Haut finanziell einigermaßen zu retten. Alles ziemlich traurig.






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    1. Ich bin echt schockiert über die völlig despektierliche Art und Weise wie hier über unser Unternehmen und seine Führung gesprochen wird. Auch wenn ich weiss Gott nicht alle Entscheidungen mittragen würde, so unternehmen sie doch wenigstens irgend etwas. Wenn wir alle so schlau wären wie wir hier vorgeben zu sein, wären wir doch alle erfolgreiche Unternehmer, die ihre Mitarbeiter gut behandeln und am besten noch am Unternehmenserfolg teilhaben lassen. Es stellt sich mir nur die Frage warum wir dann noch alle angestellte Buchhändler sind? Für mich kann ich die Frage beantworten, ich bin schlichtweg zu feige alleine etwas auf die Beine zu stellen. Wie sieht es denn bei Euch Maulhelden aus?

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    2. Bin schockiert über die völlig despektierliche Art und Weise, mit der "unsere" Unternehmensleitung "ihre" Mitarbeiter
      (die wir, z.T. nur mini-entlohnt, durch unseren täglichen Arbeitseinsatz jeden etwaigen Unternehmens-Erfolg sowie v.a. den - mit Sicherheit nicht zu geringen - Unternehmer-Gewinn erarbeiten)
      behandelt, abkanzelt, bevormundet, nicht ernst nimmt, entwürdigt ... und last but not least: ausnutzt (ausbeutet?).

      DARÜBER bin ICH wirklich "echt schockiert" !!!

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  4. In der Osterausgabe der Süddeutschen Zeitung erschien ein großer Artikel zu Weltbild. Besonders positiv heben die SZ-Schreiber das Engagement von Generalvikar Dr.Dr. Beer in Sachen Weltbild-Insolvenz hervor. So habe er erst durch die 160-Millionen-Forderung von Halff Weltbild fallen gelassen. In den Wochen danach habe er mühsam bei den beteiligten Bistümern das Geld für eine möglichst gute Abfederung in einer Transfergesellschaft eingesammelt.
    Dazu möchte ich zwei Anmerkungen machen.

    Das Verhalten einiger Bistümer, die mit einer Verweigerung von Geldern drohten, zeigt den asozialen Charakter dieser Herrschaften, die für alles mögliche Geld ausgeben, aber sich am liebsten vor in vielen Sonntagspredigten geäußerten sozialen Vernatwortung drücken möchten.
    Es gab wohl einige, die das Unternehmen eiskalt an die Wand fahren lasssen hätten und die Beschäftigten ohne Unterstützung skrupellos in die Arbeitslosigkeit geschickt hätten.

    Zur Rolle von Beer: er schiebt Halff alle Schuld in die Schuhe. Man muß sich aber fragen, ob Beer als Vorsitzender des Aufsichtsrates nicht einfach seine Aufsichtspflichten vernachlässigt hat (sofern die Darstellung mit den 160 Millionen überhaupt stimmt, auch da hört man verschiedenes).

    Im Herbst stellten die Diözesen 65 Millionen für weitere Investitionen bereit, das Geld war also in den einzelnen Bistumshaushalten schon eingeplant. Das Geld fließt jetzt in die Transfergesellschaft bzw als Schlußzahlung an Weltbild für die Fortführung der Geschäfte.
    Damit hat sich die Kirche freigekauft. Sie kann sich jetzt wieder ausführlich in Sonntagspredigten zur Sozialmoral äußern. Die Notwendigkeit. einen besonderen Dank ihr dafür auszusprechen, daß sie sich halbwegs korrekt verhalten hat, kann ich nicht erkennen. Durch die Insolvenz trägt sowieso der Steuerzahler - also wir alle - die finanzielle Hauptlast.

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