Montag, 23. Januar 2023

Im falschen Film

 DGB sorgt sich um Boni und Dividenden



Eine kapitalistische Krise jagt die nächste, die Konstante dabei: Der Abstand zwischen Oben und Unten wird immer größer. Denn während Beschäftigte und Bezieher staatlicher Leistungen die Zeche zahlen, wachsen die Vorstandsgehälter ungebremst weiter, werden immer üppigere Boni ausgeschüttet, sprudeln die Dividenden. So weit, so bekannt. Neu ist, dass sich nicht nur die Kapitalverbände gegen jegliche Begrenzungen der Reichtumsvermehrung am oberen Ende leidenschaftlich wehren, sondern dass dies nun auch die oberste Beschäftigtenvertreterin der Bundesrepublik tut.

Es könne zwar sein, dass die fetten Boni und Dividendenausschüttungen nicht jedem gefallen. »Aber jetzt ist nicht die Zeit für grundsätzliche kapitalismuskritische Debatten«, verlautbarte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, am Donnerstag in einem Interview mit dpa. Ihr Zorn gilt der rot-grün-gelben Ampelkoalition, die Boni und Dividenden bei Konzernen aussetzen will, die über die Gaspreisbremse mehr als 50 Millionen Euro aus der Staatskasse bekommen. Denn: »Das sind die normalen Mechanismen der Marktwirtschaft.«

Und denen muss man sich nunmal beugen. Dass die Inflation seit Monaten vor allem bei Geringverdienern zu erheblichen Reallohnverlusten führt, während die Einkünfte der Vorstände der im Deutschen Aktienindex (Dax) gelisteten Konzerne allen Kriegen und Krisen zum Trotz um rund 25 Prozent gestiegen sind; dass mit Dividendenausschüttungen immer mehr Kapital von den Eigentümern aus den Konzernkassen in die eigenen Taschen gelenkt werden, die nun mit Steuergeldern wieder aufgefüllt werden; dass die Regierung Unternehmen bei der Gaspreisbremse gegenüber Privathaushalten ohnehin deutlich besser stellt – alles nicht der Rede wert.

Dabei ist die Bundesregierung auch beim Thema Boni und Dividenden durchaus gnädig mit den Wirtschaftsbossen gewesen: Wo die Staatshilfen kleiner ausfallen als 50 Millionen Euro, dürfen Dividenden nach Belieben ausgeschüttet und die Boni lediglich nicht weiter angehoben werden. Erst ab dieser Schwelle wird verlangt, dass das Topmanagement und die Eigentümer geretteter Unternehmen mit ein bisschen Verzicht auch einen kleinen Beitrag leisten.

Fahimis Argumentation hätte eins zu eins auch von den Vorständen der großen Kapitalverbände kommen können: Investitionen in der BRD würden unattraktiver, wenn Boni für die Chefs ausblieben; die Produktion würde verlagert, Deindustrialisierung folgen, Arbeitsplätze wegfallen. In jeder Krise, so auch in dieser, wird die Standortkeule von der Kapitalseite mit Leidenschaft geschwungen, um auf der Liste für Staatshilfen oben zu stehen. Natürlich sind die Energiepreise in der Industrie ein Wettbewerbsfaktor. Aber an denen ändern die selbstbestimmten Extrazahlungen an die Führungsriegen nichts.



2 Kommentare:

  1. Danke, dass Ihr auch Eure/unsere Organisation nicht von berechtigter Kritik ausnehmt.

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  2. »Aber jetzt ist nicht die Zeit für grundsätzliche kapitalismuskritische Debatten«, verlautbarte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi. Diesen Satz und dieses Statement von Fahimi muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Kapitalismus wird von der Tagesordnung abgesetzt, dafür setzt man sich für Ausbeuter und Couponschneider ein. Normalerweise müsste es sofort einen Antrag auf Ausschluss aus unserer Gewerkschaft setzen. Aber man muss sich nicht wundern: Fahimi war früher SPD-Generalsekretärin und wie ihre ganze Partei immer im Einsatz des Kapitals, egal ob 1914 oder mit Hartz IV und völkerrechtswidrigen Angriffskriegen.

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