Leere Regale in den Supermärkten, geschlossene Schulen, abgesagte
Messen, sinkende Börsenkurse, Kurzarbeit und Entlassungen: Die
schlechten Nachrichten häufen sich. Die Bundesregierung schnürt eilig
ein Hilfspaket für milliardenschwere Investitionen in der Wirtschaft.
Auf Kliniken und Krankenhäuser rollt dennoch ein Tsunami zu, wie ein
betroffener Arzt im Katastrophengebiet Italien die Flut der
Schwerstfälle der am Corona-Virus Erkrankten schon Anfang März
beschrieb. Ein schnelles Ende der Ansteckungswelle ist nicht in Sicht.
Und in der Krise muss sich nun auch unser Gesundheitssystem beweisen.
Die Frage ist nur, ob es das kann: Seit Jahren wird bei den Ausgaben
gespart, werden Medikamente und medizinisches Material kostengünstig im
Ausland produziert und verknappen sich bei Produktionsproblemen. In den
Kliniken fehlt es an Personal, ganze Abteilungen werden ausgelagert, um
Kosten zu reduzieren. Ökonomische Interessen haben schon lange die
Vernunft verdrängt. Und das könnte sich nun rächen.
Nicht nur Apotheken können keine Atemschutzmasken und
Desinfektionsmittel mehr liefern, auch immer mehr Kliniken stellen fest,
im Keller liegen keine Reserven. Bei zahlreichen Medikamenten, die in
Deutschland verkauft werden, gibt es ebenfalls Engpässe, und das auch
schon länger. Ob Blutdrucksenker, Schmerzmittel oder
Schilddrüsenhormone, die Gelbe Liste 2019 ist lang. Im Februar hat der
Bundestag eine Änderung im Arzneimittelgesetz beschlossen: Pharmafirmen
können nun von Behörden verpflichtet werden, Medikamente auf Vorrat zu
halten, um Lieferengpässe zu vermeiden. Aber das sollten sie dann auch
tun, und zwar schnell. Aber nicht nur der Mangel an Material- und
Medikamentennachschub bereitet Sorgen. Auch die Personaldecke ist seit
Jahren ausgedünnt. Menschen in Kranken- und Pflegeberufen arbeiten noch
immer viel zu oft am Limit. Inzwischen fangen die Kliniken sogar an,
sich gegenseitig die Fachkräfte abzujagen. Da hilft es jetzt auch nicht,
dass die Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungs-gesetz
verabschiedet hat, das von der Öffentlichkeit kaum beachtet am 1. März
in Kraft getreten ist, und mit dem zügig Pflegekräfte aus dem
außereuropäischen Ausland gewonnen werden sollen. Gute
Arbeitsbedingungen und Löhne wären der bessere Weg hin zu mehr Personal.
Das Virus trifft auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf krank machende Arbeitsbedingungen
Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 spitzt sich die Lage zu: Das Virus trifft
auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf
krank machende Arbeitsbedingungen. Es trifft auf Menschen, die aus
Leidenschaft helfen, manche bis zum Burnout. Dabei brauchen sie jetzt
dringend selbst Entlastung. Die Politik könnte die Arbeitsbedingungen in
den Kliniken verbessern. Doch das macht sie nicht. Fallpauschalen
bestimmen, was eine Krankheit kosten darf, niedrige Kosten sind
wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung. ver.di kämpft schon seit
geraumer Zeit für mehr Personal und Entlastung in den Krankenhäusern.
Dabei ging und geht es auch darum, per Gesetz durchzusetzen, wie viele
Menschen wie viele Patient*innen pflegen. Dafür haben ver.di, der
Deutsche Pflegerat und die Deutsche Krankenhausgesellschaft erst
kürzlich Standards auf Grundlage der Pflegepersonalregelung festgelegt.
Als weiteren Schritt haben 16 Großkliniken nach Arbeitskämpfen
Vereinbarungen für mehr Personal und Entlastung unterschrieben. Das
Klinikpersonal konnte und wollte die viel zu dünne Personaldecke nicht
länger ertragen. Doch nun kommen erneut Extraschichten auf die
Beschäftigten zu, weil das Virus nicht darauf gewartet hat, bis die
Politik endlich handelt. Sie sind Held*innen, wenn sie das aushalten.
Politik und Gesellschaft müssen ihre Nöte endlich ernst nehmen. Jetzt,
und auch wenn das Virus wieder verschwindet. Ärzt*innen und Pflegekräfte
helfen Menschen in Not. Sie kämpfen um die Leben der Infizierten, aber
auch tagtäglich um viele andere Patient*innen, die ebenfalls schwer
erkrankt sind. Wo wegen Corona die Untergrenzen für das Personal
aufgehoben werden, ist die Grundversorgung nicht mehr gesichert. Das
Aufschieben von Operationen, die noch eine Weile warten können,
verschafft vielleicht kurzfristig eine Atempause, ist aber keine
Dauerlösung. Allen muss jetzt klar sein, wenn Patient*innen nicht mehr
richtig versorgt werden können, weil zu wenig Personal da ist, dann
liegt die Schuld nicht beim Krankenhauspersonal. Die Verantwortung hat
allein die Politik, die das Gesundheitssystem dem Markt zum Fraß
vorgeworfen hat und seit zwei Jahrzehnten ausbluten lässt.
Quelle: ver.di Publik 02/2020, Weltbild ver.di Infoblog
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