Mittwoch, 18. April 2018

Geistesverwandt



Über den Zusammenhang von Neoliberalismus und Rechtspopulismus 


Seit geraumer Zeit feiern rechtspopulistische Organisationen, Parteien und »Bürgerbewegungen« fast überall in Europa große (Wahl-)Erfolge. Heiß debattiert wird die Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen dieser Entwicklung, von deren Beantwortung nicht zuletzt abhängt, welche Gegenstrategie man zwecks Eindämmung oder Zurückdrängung des Rechtspopulismus favorisiert. Hier sollen zunächst die Erscheinungsformen, Begleiterscheinungen und Ursachen der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich skizziert werden. Danach werden soziale Ungleichheit, Demokratieabbau und Rassismus mit dem Neoliberalismus in Verbindung gebracht.

Dieser ist mit dem Rechtspopulismus insofern kompatibel, als der Standortnationalismus wie eine ideologische Brücke fungiert. Nur wegen der Geistesverwandtschaft zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus war die Gründung der Alternative für Deutschland trotz heftiger Flügelkämpfe zwischen ihren Hauptrepräsentanten innerhalb der Partei erfolgreich. 

Zerissene Republik

In der Bundesrepublik galt jahrzehntelang das soziale Aufstiegsversprechen, dem sich auch ihr wirtschaftlicher Erfolg verdankte: »Wer sich anstrengt, fleißig ist und etwas leistet, wird mit lebenslangem Wohlstand belohnt.« Aufgrund der globalen Finanzkrise seit 2007/08 ist dieses Versprechen der Angst vieler Mittelschichtangehöriger gewichen, trotz guter beruflicher Qualifikation und harter Arbeit sozial abzusteigen.

Da die Aufstiegsmobilität spürbar nachgelassen hat, saugen Gruppierungen wie die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) Honig aus der zunehmenden Verteilungsschieflage und stellen ihre demagogische Propaganda als Ergebnis der Machenschaften einer korrupten Elite und einer Welle der Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme dar.

Vor allem ideologisch, agitatorisch und propagandistisch weisen Pegida und AfD viele Gemeinsamkeiten auf, weshalb sie als Verbündete in einem rechtsextremen bzw. rechtspopulistischen Bewegungskomplex fungieren. Seitdem die AfD mit dem Kampf gegen den Euro und die Maßnahmen zu seiner »Rettung« ihre Gründungsagenda hinter sich gelassen, nach dem neoliberalen Führungspersonal um den Parteigründer Bernd Lucke auch die kurzzeitige Vorsitzende Frauke Petry der Partei den Rücken gekehrt und sich die Mitgliedschaft radikalisiert hat, ähnelt sie einem parlamentarischen Arm von Pegida.

Das jahrzehntelang durch ein hohes Maß an Stabilität und Kontinuität gekennzeichnete Regierungs- und Parteiensystem der Bundesrepublik franst in jüngster Zeit aus, womit es sich wiederum der Sozialstruktur angleicht, wo sich eine Ausdifferenzierung, Polarisierung bzw. Fragmentierung beobachten lässt, die auch im internationalen Vergleich extrem stark ausgeprägt ist. Wie im fünften Armuts- und Reichtumsbericht trotz mancher Verharmlosungs-, Relativierungs- und Rechtfertigungsbemühung der Bundesregierung erneut dokumentiert, zeigt sich die Verteilungsschieflage vornehmlich beim Vermögen, das sich zunehmend bei wenigen Hyperreichen konzentriert, die über riesiges Kapitaleigentum verfügen und meistens auch große Erbschaften machen.

Während die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung selbst nach Regierungsangaben 51,9 Prozent des Nettogesamtvermögens besitzen, kommt die ärmere Hälfte der Bevölkerung gerade mal auf ein Prozent. Stellt man die statistische Unsicherheit bei der Erfassung von Hochvermögenden in Rechnung, dürfte die reale soziale Ungleichheit noch viel größer sein, als es solche Zahlen erkennen lassen.

Jedenfalls schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass sich ein Drittel (31 bis 34 Prozent) des Gesamtvermögens beim reichsten Prozent der Bevölkerung und zwischen 14 und 16 Prozent des Gesamtvermögens beim reichsten Promille der Bevölkerung konzentriert. Ein weiteres Indiz für den kapitalistischen Neofeudalismus bildet die Tatsache, dass an die beiden reichsten Geschwister der Bundesrepublik, Stefan Quandt und Susanne Klatten, im kommenden Monat für das Vorjahr 1,126 Milliarden Euro nur an Dividende aus ihren (von den Eltern geerbten) BMW-Aktien ausgeschüttet werden. Für denjenigen, der sich das nicht vorstellen kann: Sie bekommen eine Milliarde und 126 Millionen Euro oder 1.126.000.000 Euro überwiesen.

Niedrige Löhne sind gleichbedeutend mit hohen Renditen: Da in deutschen Automobilkonzernen Zehntausende Leiharbeiter zu geringeren Löhnen als jenen der Stammbelegschaft tätig sind, sprudeln die Gewinne. Einer fortschreitenden Prekarisierung der Arbeit (Zunahme von geringfügiger Beschäftigung und von Teilzeit-, Leih- bzw. Zeitarbeit) sowie einer Pauperisierung großer Teile der Bevölkerung steht die Explosion von Unternehmensgewinnen, Dividenden und Aktienkursen gegenüber, d. h. eine weitere Konzentration von Kapital und Vermögen bei Wohlhabenden und Reichen.

 

Krise der Repräsentation

 

Die in fast allen westlichen Industrienationen wachsende soziale Ungleichheit bedroht das System der parlamentarischen Demokratie, und zwar aus drei Gründen: Arme, Abgehängte und Ausgegrenzte resignieren, ziehen sich aus dem öffentlichen Raum zurück und beteiligen sich weniger an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Angehörige der Mittelschicht wiederum geraten durch gesellschaftliche Polarisierungs-, Ausdifferenzierungs- und Fragmentierungsprozesse unter stärkeren Druck, was sie häufig fürchten lässt, zwischen der Ober- und der Unterschicht zerrieben zu werden. Schließlich werden Arbeitsmigranten, Geflüchtete und Muslime im Gefolge dieser Spaltungstendenzen zu Sündenböcken für die Zunahme der sozialen Ungleichheit gemacht.

Wenn der Sozialstaat durch eine neoliberale Reformpolitik zerstört und die Gesellschaft in wenige Gewinner und zahllose Verlierer gespalten wird, schwindet bei letzteren das Vertrauen in die Institutionen der parlamentarischen Demokratie. Die soziale Spaltung der Gesellschaft zieht fast zwangsläufig eine politische Spaltung nach sich, die sich als tiefe Krise des parlamentarischen Repräsentativsystems manifestiert: Verarmte und von Armut bedrohte Bevölkerungsschichten wie (Langzeit-)Erwerbslose, Transferleistungsbezieher und prekär Beschäftigte gehen beispielsweise nur selten oder gar nicht mehr zu Wahlen, wohingegen die politische Partizipation der Wohlhabenden, Reichen und Hyperreichen ungebrochen ist.

»Wahlmüdigkeit« und »Politikverdrossenheit« sind allerdings irreführende Begriffe, wenn es darum geht, die Reaktionen der Betroffenen zu charakterisieren, denn damit wird ihnen die Schuld zugeschoben, statt sie im politischen, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu suchen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine politische Repräsentationskrise, was daraus hervorgeht, dass die zunehmende Wahlabstinenz sich nicht gleichmäßig über alle Schichten verteilt, sondern vorwiegend die Konsequenz einer prekären Existenz ist.

Wie den meisten Zuwanderern in Deutschland bleibt einheimischen Transferleistungsbeziehern eine politische Repräsentation, die den Namen verdient, in aller Regel verwehrt. Auch fehlen ihnen aufgrund des Mangels an Ressourcen wirksame Partizipationsmöglichkeiten. Sie kommen bei der gesellschaftlichen Teilhabe ebenso zu kurz wie bei der Verteilung von materiellen Ressourcen, Finanzmitteln und begehrten Gütern.

Zwar gewährt man den Armen heute die vollen Staatsbürgerrechte – anders als im Wilhelminischen Kaiserreich, wo sie das preußische Dreiklassenwahlrecht benachteiligte und der Transferleistungsbezug mit dem Entzug des Wahlrechts verbunden war –, enthält ihnen aber die für deren Wahrnehmung erforderlichen finanziellen Mittel vor.

Ihre daraus resultierende Neigung, sich nicht mehr (regelmäßig) an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen, stärkt wiederum ausgerechnet jene politischen Kräfte, die um eine Sicherung der Privilegien kapitalkräftiger Interessengruppen bemüht sind. Die etablierten Parteien bemühen sich gar nicht mehr um die Stimmen bzw. die Zustimmung der Unterprivilegierten, Prekarisierten und Pauperisierten, weil sie wissen, dass diese ohnehin selten zur Wahl gehen.

So entsteht ein Teufelskreis der Wahlabstinenz sozial Benachteiligter und einer die Interessen jener Bevölkerungsgruppe vernachlässigenden Regierungspraxis, wovon wiederum rechtspopulistische Demagogen profitieren, die sich mit wachsendem Erfolg als Vertreter der »kleinen Leute« ausgeben.

 

Verunsicherte Kleinbürger

 

Menschen, die der Mittelschicht angehören, haben oftmals andere und mehr Ängste als Unterschichtangehörige, die aufgrund ihrer Position am gesellschaftlichen Rand gar nicht mehr »tiefer fallen« können – sei es vor dem sozialen Abstieg, dem Verlust ihres Wohlstandes oder dem Verlust ihrer nationalen Identität. Sie sind deshalb besonders anfällig für rechte Propaganda, die ihre nostalgischen Anwandlungen anspricht und ihnen simple Lösungen zur Wiederherstellung einer heilen Welt vorgaukelt. Rechtspopulistische Parteien profitieren überdies vom Glaubwürdigkeitsverlust der Etablierten und von der mangelnden sozialen Sensibilität der Eliten. Sie versprechen, mit dem Althergebrachten zu brechen, und tun so, als wären sie das politische Sprachrohr der »normalen« Arbeiter und Angestellten.

Abstiegsängste führen häufig zu irrationalen Reaktionen und veranlassen Mitglieder des Kleinbürgertums in Deutschland erfahrungsgemäß, ihre Hoffnung auf einen »starken Mann« bzw. eine autoritäre Führung zu setzen. Dies gilt für die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932, als die NSDAP zur Massenpartei aufstieg und das Ende der Weimarer Republik besiegelte, ebenso wie für die Rezession 1966/67 und die anschließenden Wahlerfolge der NPD in sieben Bundesländern, aber auch für den Höhenflug der Alternative für Deutschland.

Es ist kein Zufall, dass rechte Demagogen in ökonomischen Krisenphasen und gesellschaftlichen Umbruchsituationen an Einfluss gewinnen, besonders dann, wenn ihre Parteien die einzige vermeintliche Alternative zum politischen Establishment darstellen. So verteufelt die AfD ihre Mitbewerberinnen um Wählerstimmen als »System-« oder »Altparteien«, von denen keine Veränderungen des Status quo zu erwarten seien. Dabei will sie nicht etwa Hartz IV, sondern die Vermögens- und Erbschaftssteuer abschaffen, hetzt gegen Minderheiten und diffamiert Andersdenkende.

Zwar ist die AfD eine Partei der Privilegierten, sie weckt bei Menschen aus der Mittelschicht aber offenbar Hoffnungen, nicht ins Bodenlose zu fallen. Sozialpsychologisch durchaus verständlich, orientieren sich Angehörige der (unteren) Mittelschicht häufig nach oben, glauben sie doch, ihren eigenen Abstieg durch Anbiederung bei den gehobenen Schichten verhindern zu können. Sich gegen die Mächtigen oder Reichen zu wenden und sich mit denen zu solidarisieren, die schon ganz unten gelandet sind, erscheint ihnen als weniger sinnvoll, weil es sie an das eigene Absturzrisiko erinnert.

 

Standortnationalismus 

 

»Standortnationalismus« nenne ich ein Ideologem, das auf dem Glauben basiert, auf den internationalen Märkten einer »Welt von Feinden« gegenüberzustehen und durch Erfindungsgeist, besondere Tüchtigkeit, größeren Fleiß und/oder mehr Opferbereitschaft die Überlegenheit des »eigenen« Wirtschaftsstandortes unter Beweis stellen zu müssen. Hierbei handelt es sich um ein Konkurrenzdenken, das auf die heimische Volkswirtschaft fixiert ist, von der Bevölkerungsmehrheit einen Verzicht auf Wohlstandszuwächse fordert und eine primär die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigernde (Regierungs-)Politik favorisiert.

Wenn das Wohl und Wehe des »eigenen« Wirtschaftsstandortes im Mittelpunkt aller Bemühungen um die Entwicklung der Gesellschaft steht, sind die (arbeitenden) Menschen nebensächlich, hohe Gewinnmargen der (Groß-)Anleger jedenfalls erheblich wichtiger und andere Länder nur Weltmarktkonkurrenten, die es niederzuringen gilt. Standortnationalismus wirkt als politisch-ideologischer Kitt, der dafür sorgt, dass die kapitalistische Gesellschaft trotz ökonomischer Labilität und sozialer Zerklüftung, welche die als Spaltpilz und Sprengkraft wirkende »Reformpolitik« nach Modellvorschlägen des Neoliberalismus verstärkt, nicht auseinanderfällt. Er verbindet Rechtsextremismus bzw. -populismus und Neoliberalismus, die bloß auf den ersten Blick wenig miteinander gemeinsam haben.

Grundkonstante beider Geistesströmungen ist die Ungleichheit bzw. Ungleichwertigkeit der Menschen. Rechtsradikale halten die Mitglieder ihres eigenen (nationalen, »rassischen« oder ethnischen) Kollektivs per se für etwas Besseres als die für minderwertig erklärten Angehörigen der übrigen Völker. Wirtschaftsliberale gewährleisten zwar die Rechtsgleichheit aller Individuen, verweigern ihnen jedoch die materiellen Mittel, welche nötig sind, um in deren Genuss zu kommen, sofern sie nicht am Markt erfolgreich konkurrieren.

Neoliberale reduzieren den Menschen auf seine Existenz als Marktsubjekt, das sich im Tauschakt selbst verwirklicht. Letztlich zählt für sie nur, wer oder was ökonomisch verwertbar und gewinnträchtig ist. Aufgrund dieses ausgeprägten Utilitarismus, seines betriebswirtschaftlichen Effizienzdenkens, seiner Leistungsfixierung und seines Wettbewerbswahns bietet der Neoliberalismus nicht bloß Topmanagern ihren Alltagserfahrungen im Berufsleben entsprechende Orientierungsmuster, sondern auch ideologische Anschlussmöglichkeiten an den Rechtsextremismus bzw. -populismus.

Noch in einer anderen Hinsicht weisen die Denkstrukturen des Neoliberalismus und des Rechtsextremismus signifikante Übereinstimmungen auf: Beide verabsolutieren geradezu die Höchstleistung, sei es des einzelnen Marktteilnehmers oder der »Volksgemeinschaft« insgesamt, und glorifizieren die Konkurrenz, in der sich Leistungsstärkere gegenüber Leistungsschwächeren durchsetzen sollen.

Darin wurzelt die Notwendigkeit einer (sozialen) Selektion, die mit dem Prinzip der Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit aller Gesellschaftsmitglieder im Weltmaßstab unvereinbar ist.
Während der 1980er-Jahre lehnte sich die sogenannte Neue Rechte fast überall in Europa an den Neoliberalismus an, überbot dessen Marktradikalismus teilweise sogar und fungierte damit als Türöffner für den Standortnationalismus. Hatte der Nationalsozialismus auf Traditionsbewusstsein, überkommene Werte und den Mythos des Reiches gepocht, setzte der moderne Rechtspopulismus eher auf Innovationsbereitschaft, geistige Mobilität und den Mythos des Marktes.

Statt der antiliberalen Grundhaltung à la Carl Schmitt war für ihn zunächst eine wirtschaftsliberale Grundhaltung à la Adam Smith kennzeichnend. Weniger einer völkischen Blut-und-Boden-Romantik als der wirtschaftlichen Dynamik verhaftet, ist der Rechtspopulismus stärker markt-, wettbewerbs- und leistungsorientiert. Statt fremder Länder wollte er neue Absatzmärkte erobern. Die ultrarechte Werte­trias, so schien es fast, bildeten nicht mehr Führer, Volk und Vaterland, sondern Markt, Leistung und Konkurrenzfähigkeit. Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen, Deregulierung des Arbeitsmarktes und Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse ergaben jene Zauberformel, mit der man die Zukunft des »eigenen« Wirtschaftsstandortes sichern wollte.

Seit den 1990er Jahren äußern die europäischen Rechtsparteien deutlicher Vorbehalte gegenüber einer Form der Globalisierung, die Massenarbeitslosigkeit produzierte und gleichzeitig die Zuwanderung von Hochqualifizierten forcierte, um den jeweiligen Industriestandort noch leistungsfähiger zu machen. Rechtspopulisten profilierten sich nunmehr als Interessenvertreter der Arbeitnehmer und Erwerbslosen, die von den sozialdemokratischen (Regierungs-)Parteien durch deren Hinwendung zum Neoliberalismus verraten worden seien. Teilweise feierten sie Wahlerfolge mit ungewohnten Tiraden gegen die Öffnung der (Arbeits-)Märkte, den Wirtschaftsliberalismus, Managerwillkür und Standortentscheidungen multinationaler Konzerne.

Nach der globalen Finanzkrise 2007/08 profilierte sich der organisierte Rechtspopulismus verstärkt als Schutzmacht der »kleinen Leute«, als Sprachrohr der sozial Benachteiligten und als Retter des Wohlfahrtsstaates. Geschickt verbanden Rechtspopulisten unter Hinweis auf negative Folgen der Globalisierung die soziale mit der »Ausländerfrage«, wodurch sie an das Wohlfahrtsstaatsbewusstsein der Menschen anknüpfen und rassistische Ressentiments bedienen konnten. Durch protektionistische Maßnahmen sollten die einheimischen Arbeitnehmer und der Mittelstand vor den negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung bewahrt werden.

 

Völkische Kapitalismuskritik 

 

Dass der Rechtspopulismus aus wahltaktischen Gründen programmatische Konzessionen an breitere Schichten (Arbeitermilieu, sozial Benachteiligte, »Modernisierungsverlierer«) machen musste, bedingte keinen prinzipiellen Bruch mit dem Marktradikalismus. Teilweise changieren rechtspopulistische Organisationen und Personen, etwa in dem Programm einer Partei oder in der Rede eines Politikers, mehrfach zwischen völkischem und Standortnationalismus, weshalb man von einem hybriden Nationalismus sprechen kann.

Die völkische Kapitalismuskritik rückte seit dem Ende des 20. Jahrhunderts wieder stärker in das Blickfeld der Rechtsextremisten, was sich in einem politischen Strategiewechsel und einer verstärkten Thematisierung der sozialen Frage niederschlug. Wirtschaft und Soziales wurden zu dem Politikfeld, auf das sich Agitation und Propaganda fast der gesamten rechtsextremen Szene konzentrierten. Je mehr sich Arbeitslosigkeit, Armut und Abstiegsängste bis in die Mitte der Gesellschaft hinein ausbreiteten und das Leben von Millionen Familien beeinträchtigten, umso stärker konzentrierten sich extreme Rechte darauf.

Sie propagierten eine größere Heimatverbundenheit, völkisches Zusammengehörigkeitsgefühl und nationale Identität als geistig-moralischen Schutzschild gegenüber den Herausforderungen der Globalisierung, massenhafter Migration und kultureller »Überfremdung«, sei es durch Juden oder durch Muslime. Freilich hat die soziale Frage im rechtsextremen Politikmodell keinen Eigenwert, sie ist vielmehr der nationalen Frage untergeordnet und wird organisch mit ihr verbunden.

Wo die Umverteilung von unten nach oben mit dem Hinweis auf Globalisierungsprozesse – als für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes nützlich, ja unbedingt erforderlich – legitimiert wird, entsteht ein geistiges Klima, das (ethnische) Ab- und Ausgrenzungsbemühungen stützt. Heute sind die ethnische »Andersartigkeit«, »Belastungsgrenzen« und die Bedrohung durch Zuwanderung im öffentlichen Diskurs der Bundesrepublik zu gängigen Argumentationsfiguren geworden. Vermutlich erleichtert die Standortlogik den Rechtspopulisten die Verbreitung von Postulaten wie »Arbeitsplätze zuerst für Deutsche!« Hier liegt auch einer der Gründe dafür, dass Gewerkschafter für rechtspopulistische (Wahl-)Parolen anfälliger sind als Nichtmitglieder.


Quelle:

www.jungewelt.de

Christoph Butterwegge: Ideologische Geistesverwandtschaft, in: junge Welt, 14.04.2018,
https://www.jungewelt.de/artikel/330799.ideologische-geistesverwandtschaft.html

2 Kommentare:

  1. Sehr schlechte Analyse aus einer kommunistischen Zeitung die keine Sau interessiert :-)

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    1. Keine Sau? Naturgemäß. Schweine lesen "Junge Freiheit".

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