Montag, 30. Dezember 2024

Einstürzende Brandmauern

 Ein Kommentar der Infoblog-Redaktion

Als sich der thüringische FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Kemmerich 2020 mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ, protestierte Ulf Poschardt, der Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt, persönlich bei FDP-Chef Christian Lindner. Als FDP-Sympathisant empörte er sich, daß seine Partei mit Rechtsextremisten gemeinsame Sache machte.

Als Elon Musk nun in der vergangenen Ausgabe der Welt am Sonntag eine direkte Wahlwerbung für die AfD platzierte („der letzte Funke Hoffnung für Deutschland“), kündigte die zuständige Ressort-Leiterin der Welt daraufhin sofort. Und wie reagierte Poschardt diesmal? Mit einem windelweichen Gegenkommentar und dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit. Ein Rückgrat wie seine Redakteurin besitzt er offensichtlich nicht. Davon abgesehen: bei der Werbung für einen Faschisten wie Höcke und seiner rechtsextremistischen AfD geht es nicht um Meinungsfreiheit, denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Man darf davon ausgehen, dass der Befehlsempfänger Poschardt einfach den Befehl seines Herrn und Konzernchefs Döpfner ausführte, welcher mit dem Abdruck der AfD-Propaganda Musk einen Gefallen tun wollte. Döpfner pflegt enge Kontakte zu US-Superreichen wie Musk, Bezos und Thiel.

2018 verlieh Döpfner dem Amazon-Besitzer und Gewerkschaftsfeind Jeff Bezos den Axel Springer Award. Sein Sohn Moritz arbeitet für den libertär-kapitalistischen Multimilliardär Peter Thiel (PayPal, Facebook etc.) als Büroleiter. Wie Poschardt hat auch Döpfner eine enge Verbindung zur FDP. Seinen mittlerweile wegen Drogen- und Machtmißbrauchs entlassenen BILD-Chefredakteur und heutigen Leiter des rechten Internet-Portals Nius, Julian Reichelt, beschwor Döpfner in Dummdeutsch zwei Tage vor der Bundestagswahl: „Please Stärke die FDP!“

Und der Kreis schließt sich, wenn FDP-Lindner Musk und den argentinischen Radikalkapitalisten Milei als Vorbilder preist. Musk ist dabei eine Schlüsselfigur. Was lohnabhängig Beschäftigte von jemandem wie Musk zu erwarten haben, läßt sich ganz konkret auch an Vorgängen sehen, die gegenwärtig in seiner Tesla-Fabrik in Grünheide/Brandenburg stattfinden. In der Frühphase der Fabrikgründung, als mehrheitlich nur Führungskräfte angestellt waren, ließ er einen Betriebsrat wählen, der seitdem als williges Werkzeug des dortigen Managements agiert. Es gab und gibt Union Busting gegen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, Jagd auf Kranke und schlechte Arbeitsbedingungen. Die IG Metall hat deswegen kürzlich gegen die dortige BR-Vorsitzende Strafanzeige wegen permanenten Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz erstattet.

Der Vorfall mit der AfD-Wahlaufforderung durch Elon Musk in der Tageszeitung Die Welt ist exemplarisch für das Verschwimmen der Grenzen nachts rechts. Musk, Thiel und Bezos stehen für einen – wie es der Soziologe Gerhard Stapelfeldt einmal nannte – „autoritären Kapitalismus“, in dem Menschenrechte, demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und sozialstaatliche Standards immer weiter abgebaut werden sollen. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer zunehmend krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus. Die Kapitalseite will zum einen weiterhin Profitinteressen durchsetzen und zum anderen die Finanzierung der Aufrüstung für imperialistische Kriege sicherstellen: „Kanonen statt Butter!“.

Wie weit dieses Gedankengut bereits in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft angekommen ist, läßt sich in den Massenmedien beobachten. Clemens Fuest, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, und zu Gast in der Fernsehsendung von Maybrit Illner, warb dort für eine weiter fortschreitende Militarisierung. Ihm schwebt vor, dies durch weitreichende Kürzungen im sozialen Bereich zu finanzieren. Sehr deutlich wird er in seiner Wortwahl:  „Kanonen und Butter, es wäre schön, wenn das ginge, aber das ist Schlaraffenland, das geht nicht.“ 

Eine Wortwahl, die nicht zufällig gewählt scheint, so hat unter anderem auch Reichsminister Rudolf Heß und Stellvertreter Hitlers die Parole „Kanonen statt Butter“ verwendet. Diese meint, das gesamte zivile Leben dem Krieg und der Aufrüstung unterzuordnen. Ein weiterer Gast der Talkshow, Finanzminister Christian Lindner (FDP), schlug vor, Sozialleistungen für drei Jahre einzufrieren. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht für einen Angriff auf die Sozialleistungen. Die meisten würden verstehen, wenn man nach dem Auslaufen des Sondervermögens an anderer Stelle sparen müsse, um den Wehr­etat zu finanzieren, so Scholz. 

Das ist die vom Kapital aufgezeigte Perspektive, der von den lohnabhängig Beschäftigten und ihrer gewerkschaftlichen Organisation Widerstand entgegengesetzt werden muß.

 

 

 

3 Kommentare:

  1. Sehr gut recherchierter Artikel, der es auf den Punkt bringt.

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  2. Zu ergänzen wäre noch, dass Döpfner 2020 Musk ebenfalls den Axel Springer Award verliehen hat.

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  3. Dieser Artikel ist besser und dichter recherchiert als das meiste, was man dazu in den Tageszeitungen lesen konnte. Im übrigen erinnert mich der Titel an die Einstürzenden Neubauten.

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